Roger Letsch / 11.01.2020 / 12:00 / Foto: Eric Kilby / 13 / Seite ausdrucken

Vom Scheitern der Endzeitsekten

Statt mit dem Motorrad durch den Hühnerstall fährt die „Umweltsau“ mit dem WDR immer noch Schlitten und die Verteidiger des „harmlosesten Satire-Songs des Universums“ sind immer noch empört. Vor allem über die „voreilige Entschuldigung” des WDR-Intendanten Tom Buhrow. Spiegel-Bürste Lobo spricht gar von „vorzeitigem Nachrichtenerguss“ durch die verstärkte Aufmerksamkeit für derlei Petitessen in den sozialen Medien und schiebt die Reaktionen somit in Richtung psychologische Dysfunktionalität und Reizüberflutung. „Die #Umweltsau ist überhaupt nur groß geworden, weil NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und die „Bild”-Zeitung auf den Zug der Empörung aufgesprungen sind.“ 

Spricht da der Neid, weil BILD bei einem Kinderlied für mehr Aufregung sorgen kann als der Spiegel mit seiner Netz-Checker-Kolumne? Aber ich will mich hier nicht in einer Analyse verlaufen, wer wann und wie zu medialer Zu-Tode-Betrachtung neigt. Es bringt nichts, den hyperventilierten „Kampf gegen rechts“ aufwiegen zu wollen gegen den Frust vieler Objekte öffentlich-rechtlicher Haltungserziehung. Vielmehr ist es Zeit, eine Zwischenbilanz des Klimawahnsinns zu ziehen, in dessen Strudel „Fridays for Future”, ARD-Framing, WDR-Kinderchor, GEZ-Frust und Umwelt-Injurien des Kalibers „SUV-Fahrer“ oder „Umweltsau“ die öffentliche Meinung immer weiter in die Tiefe ziehen.

Denn die ganze kostbare Medieninszenierung des größten anzunehmenden schlechten Klimagewissens (GASK), hat einige Schräubchen überdreht. Doch das Verfallsdatum für „Fridays for Future“ ist gesetzt, seit Greta 2018 auf der COP in Kattowitz die letzten zwölf Jahre der Menschheit einläutete. Und der Bewegung scheint schnell die Luft auszugehen – die Freitagsdemos werden immer kleiner, und selbst Greta persönlich lockte bei der COP in Madrid nicht so große Massen aus der Komfort- in die Klimakampfzone, wie behauptet wurde. Statt einer halben Million Demonstranten kamen nur 15.000.

Natürlich ist nicht auszuschließen, dass die demnächst anstehende globale Erwärmung der Nordhalbkugel unseres Planeten (alte Bezeichnung: Frühling) auch an Freitagen wieder für mehr Enthusiasmus bei der Weltrettung sorgt. Aber spätestens dann, wenn die Zeit für den prognostizierten Weltuntergang gekommen ist, wird der Freitag wieder andere Verwendung finden, und die Retter werden sich möglichst leise verkrümeln. Ist nämlich schon immer so gewesen. Ich rede hier nicht von den wiederholten exakt terminierten Apokalypsen der „Zeugen Jehovas“ oder Kinderkreuzzügen in grauer Vergangenheit. Wir müssen nur zehn Jahre zurückschauen, um ein weitaus frischeres Beispiel zu finden, das sogar auf die aktuelle Klimahysterie bezogen ist. Gehen wir also zurück ins Jahr 2009. Nach Großbritannien.

Mit reichlich Filmblut ins Jenseits geblasen

Eben dort, in Großbritannien, gründete die Dokumentarfilmerin Franny Armstrong* zusammen mit Anderen eine NGO, die sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Emissionen für jeden Menschen Jahr für Jahr um 10 Prozent zu senken. Das Jahr 2010 stand vor der Tür, und so ergab sich der Name „10:10“. In Deutschland gehörten zu den Unterstützern der „10:10“-Aktionen unter anderem der BUND, die „Klima-Allianz-Deutschland“ und natürlich die Grüne Jugend, die bekanntlich für jeden Blödsinn zu haben ist. Um den Forderungen von „10:10“ optisch Nachdruck zu verleihen, entstand ein Werbespot mit drei Motiven, die derart drastisch ausfielen, dass sich Sponsoren wie Kyocera und Sony angeekelt abwandten und die fürs Kino gedachten Clips schnell wieder einkassiert wurden.

Nach den britischen Steuergeldern, die auch in die Kampagne geflossen waren, fragte niemand. „No Pressure“, so der Titel des Films, war in der Tat drastisch. Motto der handelnden Klimaaktivisten im Film: Man wolle natürlich keinen Druck ausüben auf jene, die sich der Weltrettung verweigern und nicht mitmachen beim jährlichen Zehnprozent-Sparen, so ließen die Macher von „10:10“ ihre Schauspieler im Film versichern. Stattdessen wurden die Verweigerer per Knopfdruck und mit reichlich Filmblut und Soundeffekten ins Jenseits geblasen.

Die Szene des Films, die in einer Schulklasse spielt, kam besonders schlecht an, und die Filmemacherin Franny Armstrong rechtfertigte sich wortreich gegenüber „The Guardian“. Auf die Frage, warum „10:10” mit diesem Film das Risiko eingehe, die Menschen zu verärgern und von der Bewegung zu entfremden, antwortete Armstrong: „Weil wir nur noch ungefähr vier Jahre Zeit haben, um die globalen Emissionen zu stabilisieren.“ Das war im Oktober 2010. Wir alle erinnern uns noch lebhaft an den Weltuntergang von „ungefähr 2014“, der dann irgendwie doch nicht stattfand.

Auch Jamie Glover, der Kinderschauspieler, der die Rolle des in die Luft gesprengten Schülers Philip spielte, hatte keine Bedenken: „Ich war sehr glücklich, in die Luft gejagt zu werden, um die Welt zu retten.“ Das ist eine noble Einstellung – wenn man James Bond heißt, Superman ist oder Politik, Wirtschaft und Physik für einen Comic hält, in dessen Handlung sich Naturgesetze beliebig außer Kraft setzen lassen. Solche Handlungsmaximen tauchten bisher nur bei religiös gehirngewaschenen Kindern in totalitären Regimen auf, etwa im Iran während des ersten Golfkrieges, als das minderjährige Kanonenfutter Plastikschlüssel für die Tür zum Paradies um den Hals trug, um in Saddams Minenfelder zu rennen.

Die eigenen Schuld- und Wohlstandskomplexe

Ob nun „10:10”, F4F oder Extinction Rebellion – eine Weltuntergangsphantasie folgt auf die nächste, deren angemaßtes Wissen keine Grundlage hat, auch wenn sie vorgibt, der Wissenschaft zu folgen. Die eigenen Schuld- und Wohlstandskomplexe werden in die Zukunft projiziert, „das Ende ist nah“ gerufen, und ihnen ist beinahe jedes Mittel recht, um ihr Ziel zu erreichen. Politiker, Schauspieler und Sportler lassen sich mit Freude vor den Wagen spannen (Gillian Anderson hatte im Spot von „10:10” einen fröhlichen Auftritt), und Gemeinden, Firmen und solvente Sponsoren mit hinreichend schlechtem Gewissen werden zur Kasse gebeten…ich breche hier ab, denn vielleicht muss der eine oder andere Leser seine Sprösslinge heute noch zur Freitagsdemo fahren, und Sie sollen ja auf die Straße schauen, nicht ständig sorgenvoll in den Rückspiegel.

Nach 2011 wurde es still um „10:10“, denn der CO2-Ausstoß wuchs, statt zu sinken. Offensichtlich nützten alle Film-Massaker nichts. Man hatte einfach zu viele Marketing-Fehler gemacht. Eine Jahreszahl im Namen suggeriert ein Verfallsdatum, und ein zu enger Zeitplan in Richtung Apokalypse (nur vier Jahre) verkürzt die profitable Zeit, als Initiator den Absprung in ein lukratives Mandat oder einen Parteiversorgungsposten zu ergattern und die Abwicklung des NGO-Ladens an die nächste Generation zu delegieren. Greta und ihr Gefolge waren da schlauer. Die zwölf Jahre bis zum Weltuntergang liegen gemäß der Vorhersagen der „Fridays for Future“-Gründerin eine halbe Generation in der Zukunft, und sowohl Freitag als auch Zukunft sind ja irgendwie immer.

„10:10“ existiert nicht mehr. Die Webseite der Kampagne 1010global.org wird heute weitergeleitet an „WeArePossible.org“, und die NGO ist damit in einer der üblichen Spendensammler-Organisationen im Netzwerk der internationalen Klima-Chaos-Profiteure aufgegangen. Man gibt Tipps, berät die Politik, unterstützt die Windenergie auf der Insel – eine Energieform, die die Bürger dort angeblich wollen und die Politik nicht. Bei uns ist es bekanntlich eher umgekehrt.

Ein roter Faden zieht sich durch Jahre und Länder von „No Pressure“ zur „Umweltsau“. Denn die Erklärungen ähneln sich verblüffend. Hier die Antwort von „10:10“ auf die öffentliche Empörung: 

„Entschuldigung… wir wollten einen Weg finden, dieses wichtige Thema zurück in die Schlagzeilen zu bringen und dabei Menschen zum Lachen bringen. Viele fanden den Film extrem witzig, einige andere aber leider nicht. Wir bitten alle, die wir beleidigt haben, aufrichtig um Entschuldigung. Na ja, wir leben und lernen.“

Gefördert wird der Zwang zur Konformität 

Die Reaktionen auf die „Umweltsau“ waren – mit Ausnahme des Intendanten – sehr vergleichbar. Auch hier konnten sich die Verantwortlichen und jene, die jede Erziehungsmaßnahme, die man dem verstockten Volk aufzwingt, für angemessen und sinnvoll halten, die Aufregung kaum verstehen. Die Kinder im Chor machten das schließlich freiwillig – genau wie die im Film übrigens. Und Jamie Glover war sogar stolz darauf, für die Weltrettung in tausend Stücke gesprengt zu werden. 

So explizit wie im Jahr 2010 sind die Umweltaktivisten heute fast wieder. Etwa, wenn sie fordern, „Klimaleugner“ einzusperren und Zweifler am heiligen Klima-Konsens am liebsten als kriminell verfolgen lassen und in den Klima-Gulag stecken möchten. Die Rolle der manipulativen Lehrerin im Clip zeigt übrigens das Grundproblem sehr deutlich, mit dem wir uns zehn Jahre später auch in Deutschland im Bildungssystem herumplagen: Gefördert wird der Zwang zur Konformität, für abweichende Meinungen ist kein Platz. Die Entscheidung ist nur scheinbar frei, wenn Ächtung und Ausgrenzung drohen. Es muss gar nicht immer gleich mit dem Tod gedroht werden, wie wir heute wissen.

Der WDR sollte sich sehr genau überlegen, ob er weiter kritiklos den Parolen von apokalyptischen Bewegungen wie „Fridays for Future” folgt und damit, wie gerade erlebt, riskiert, bei Überspannung des Provokationsbogens von einer Welle der Empörung hinweggefegt zu werden. Spätestens 2030 ist die Agenda der Klimakinder ohnehin verschwunden, ein Termin, der für den komfortgewohnten WDR im Bereich der mittelfristigen Finanzplanung liegt.

Für „10:10“ lag die Konsequenz einer „falschen Entscheidung“ mindestens im Film in der Auslöschung, frei nach Stalins Motto „Ein Mensch, ein Problem – kein Mensch, kein Problem.“ Klimaaktivisten unserer Tage finden es opportun, Skeptiker mit Ächtung, Einschränkung der Meinungsfreiheit oder Zerstörung der bürgerlichen Existenz nicht nur zu drohen – und halten den Vollzug dessen auch noch für angewandte Meinungsfreiheit. Wenn es doch nur schon 2030 wäre und wir auch den nächsten Weltuntergang schon erfolgreich hinter uns hätten! Die ständigen Weltuntergänge strengen nämlich ziemlich an.

* Funfact: Es handelt sich übrigens um eben jene Frau, die 2009 im Londoner Stadtteil Camden Town von drei Jugendlichen attackiert wurde, als ihr ein großer blonder Mann auf seinem Fahrrad zu Hilfe kam, der die Angreifer mit deftigen Worten in die Flucht schlug. Der Mann – damals noch Bürgermeister von London – war der heutige Premierminister Boris Johnson. Ausgerechnet! Mit dessen Einstellung zur Klimapolitik war Franny Armstrong nämlich schon damals nicht zufrieden. Ein Jahr später sprengte Franny filmisch unangepasste Kinder in die Luft – und fand das angemessen.

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Peter Holschke / 11.01.2020

Man muß sich die Flagellanten, die Tanzwütigen und die Bettelorden austoben lassen. Ignorieren. Man kann hoffen, das keine Kinderkreuzzügler oder Circumcellionen bei einem vorbeiziehen.

Bernhard Maxara / 11.01.2020

“Versprecht euch nicht zu viel vom Weltuntergang!” (Stanislaw Jerzy Lec)

Rudi Knoth / 11.01.2020

Zitat:>>So explizit wie im Jahr 2010 sind die Umweltaktivisten heute fast wieder. Etwa, wenn sie fordern, „Klimaleugner“ einzusperren und Zweifler am heiligen Klima-Konsens am liebsten als kriminell verfolgen lassen und in den Klima-Gulag stecken möchten.<< Da sind diese Leute ja noch gnädig. Ein Herr Parncutt dachte ja drüber nach, prominente “Klimaleugner” zum Tode zu verurteilen, wenn sie nicht widerrufen. Und wenn sie das tun, sollen sie “nur” eine lebenslange Gefängnisstrafe bekommen.

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