Thilo Schneider / 19.03.2022 / 12:00 / Foto: Tomaschoff / 81 / Seite ausdrucken

Vom Hamstern und Nixhamstern

Im Supermarkt gibt es kein Klopapier mehr, keine Nudeln außer dem Dinkel-Scheißdreck, Mehl, Zucker, Ravioli-Konserven – alles weg, alles leergekauft! Die Menschen haben Angst vor Corona, Blackout, Atomkrieg, Weltuntergang und Saskia Esken.

„Was wird das?“, fragt der Schatz am Samstagmorgen, während ich gerade unter der Last von zweihundert Tafeln Milka-Schokolade stöhne, die ich vom Auto in den Hausflur schleppe. „Ich habe eingekauft“, erkläre ich keuchend. „Ich sehe das“, antwortet der Schatz, „ich frage mich nur, was du da eingekauft hast!“ Mich ärgern solche dämlichen Fragen, weil es ja wohl sehr offensichtlich ist, was ich eingekauft habe. „Das sind Trommeln“, erkläre ich deswegen patzig.  

„Deine Trommeln sehen aus wie Schokolade“, gibt sie ebenso patzig zurück. Sie setzt sich auf die Treppe im Hausflur. „Magst du mir deine verschlungenen Gedankengänge erklären oder willst du das lieber bei einem Psychiater tun?“, fragt sie gereizt. Ich stelle den wirklich schweren Karton ab und huste erst einmal. Das verschafft Erleichterung und Zeit. „Du solltest einkaufen gehen…“, rekapituliert der Schatz meinen originären Arbeitsauftrag, „… einen ganz normalen Wochenendfamilieneinkauf. Und du kommst zurück mit Schokolade. Sehr viel Schokolade. Unmengen an Schokolade. Ich halte daher meine Frage, was du da treibst, für nicht ganz unberechtigt. Wie viele Tafeln Schokolade sind das eigentlich?“ „Zweihundert!“, antworte ich, nicht ohne Stolz. „Alles die gleiche Sorte?“, fragt der Schatz interessiert. „Nein, bunt gemischt! Hier, „Taube-Nuss“, oder da vorne, „Blutwurst-Feige“, oder dort, „Apfel-Scherzkeks“, erläutere ich die bunte Auswahl. „Hast du auch „Knusper-Kopf“ dabei?“, forscht sie nach. „Knusper-Kopf?“, antworte ich irritiert und werfe einen Blick auf den Karton, bis mir klar wird, dass dies wieder eine ihrer ausgesuchten Bosheiten ist.   

„Du hattest nur eine Sache zu tun. Eine einzige. Einen Wocheneinkauf. Und du kommst mit zweihundert Tafeln Schokolade zurück. Bitte, was geht in dir vor? Hast du einen Mengenrabatt bekommen? Sollen wir uns diese Woche, vielmehr diesen Monat, nur von Schokolade ernähren?“, will sie wissen, „ist das irgendeine kranke Diät, über die du bei Facebook gestolpert bist? Oder willst du dem Verein der anonymen Diabetiker beitreten?“. Aber natürlich nicht. Ich habe ja noch andere Sachen im Auto. „Ich habe noch andere Sachen im Auto!“, gebe ich also zu, „außerdem ist das eine gute Investition!“

Keine Nudeln mehr außer dem Dinkel-Scheißdreck

„Aktienanlagen sind eine gute Investition. Ein Haus ist eine gute Investition. Mein Gott, sogar Benzin ist derzeit eine gute Investition. Wäre ich schlauer, hätte ich reich geheiratet, das wäre eine gute Investition gewesen“, sagt sie giftig und ich merke, wie auch ich langsam ungehalten werde. „Du hast keine Ahnung, was da draußen passiert, gell? Es gibt kein Klopapier mehr, keine Nudeln außer dem Dinkel-Scheißdreck, Mehl, Zucker, Ravioli-Konserven – alles weg, alles leergekauft! Die Menschen haben Angst vor Corona, einem Blackout, einem Atomkrieg, einem Weltuntergang und Saskia Esken! Sogar das verdammte Sonnenblumenöl ist ratzeputz weg. Sonnen-blumen-öl! Ich habe keine Ahnung, was normale Menschen mit Sonnenblumenöl anfangen wollen. Du sitzt ja schön hier und kannst mich kritisieren, aber versuche mal, Sonnenblumenöl zu kriegen!“, verteidige ich mich zornig.  

„Wir brauchen kein Sonnenblumenöl“, sagt sie, erschrocken über meinen Zornesausbruch. „Darum geht es nicht. Es gibt keines mehr. Wenn wir Sonnenblumenöl bräuchten – es wäre keines da! Darum geht es!“, belehre ich sie. „Und weil es kein Sonnenblumenöl mehr gibt, hast du zweihundert Tafeln Schokolade mit seltsam absurden Geschmackskombinationen gekauft!“, stellt der Schatz fest. „Ja genau! Von Schokolade war noch genug da, also, jetzt natürlich nicht mehr, weil ich ja fast alles gekauft habe, aber wenn wir Sonnenblumenöl bräuchten, dann könnten wir jetzt Schokolade gegen Sonnenblumenöl tauschen. So bin ich! So ist dein Mann. Clever vorausplanend!“, schleudere ich ihr entgegen. Aber sie gibt sich noch nicht geschlagen: „Wie ist der derzeitige Sonnenblumenöl-Schokolade-Kurs?“ „Was weiß denn ich? Wir werden es in dem Moment erfahren, in dem wir Sonnenblumenöl brauchen oder der Nachbar Schokolade haben will. Dann werden wir das schon aushandeln!“, erkläre ich geduldig. 

„Wozu sollte jemand Schokolade brauchen?“, will sie jetzt wissen. „Wozu braucht jemand Sonnenblumenöl? Wenn Frankfurt nach einem Lichtblitz zu einem verglasten Parkplatz wird, werden unsere Nachbarn während des Fallouts Sonnenblumenöl saufen müssen, bis ihnen die Haare ausfallen. Wir haben wenigstens Schokolade! Da schwingen die Glückssynapsen, während wir auf das Ende warten! Angebot und Nachfrage werden das in der Apokalypse regeln! Bei Gott, ich sollte mir noch Zigaretten zulegen. Unmengen Zigaretten!“, verteidige ich mich.

„Du bist behämmert.“, sagt der Schatz in einem Ton, der wenig Widerspruch duldet. „Du wirst mir dankbar sein“, sage ich. „Glaube ich nicht“, sagt der Schatz, „was hast du sonst noch eingekauft? Eine Vierteltonne Duschgel? Zweihundert Packungen Schnelltests? Ein ganzes Schwein, verteilt auf mehrere Dutzend Dosen Büchsenfleisch?“ 

„Ich habe frische Paprika gekauft, Äpfel, einen Kopfsalat, zwei Packungen Toastbrot, zwei Frischkäse und noch ein paar andere frische Sachen für diese Woche vor der Apokalypse.“, gebe ich geduldig Auskunft. „Und etwas Fleisch. Vom Metzger. Kalbfleisch. War teuer. Können wir morgen mit Rosenkohl und Speckwürfelchen machen. Rotkraut oder Klöße entfallen. Es gab keine mehr.“, ergänze ich. „Die kannst du ja gegen Schokolade tauschen, wenn du jemanden findest, der das gekauft hat“, macht sie mir meinen schönen Plan kaputt und geht Schatz-Sachen machen. 

Ob ich ihr von den fünfzig Packungen Spülmaschinentabs, den zehn Kürbissen und den einhundert Flaschen Ketchup hätte erzählen sollen, die ich zur Asset-Allocation dazugekauft habe? 

(Weitere haltbare Artikel des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.  

Foto: Tomaschoff

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Ridley Banks / 20.03.2022

Herr Bode, hier ist die Rede von einer AK 47, und das ist eine Langwaffe, Halbautomat und demzufolge auf die gelbe WBK. Einfach zu merken- Langwaffe ein L im Wort, Kurzwaffe ein R im Wort, also Pistols oder Revolver, capito????!!!!

Lisa Deetz / 19.03.2022

Hans Reinhardt / 19.03.2022 “...der kauft auch Hamster. Die sind vielseitig verwendbar, man kann mit ihnen kuscheln, wenn man genügend hat, wird man auch satt davon und mit einem Stock im Hintern ersetzen sie die Klobürste.”——- Lachkrampf!! Herr Reinhardt, ich liege unterm Tisch!!!

S. E. L. Mueffler / 19.03.2022

Wieder einmal bewahren Sie mich, lieber Herr Schneider, vor einer temporären Gemütsverschattung. Dafür ein herzliches “Vergelt’s Gott!” Jodtabletten sind übrigens auch aus, wie man lesen konnte! Ob Vogelfutter mit Jod-S-11-Körnchen auch schon Mangelware ist, wäre eine Recherche wert. Ich hatte schon in Friedenszeiten meine Vorräte: Schokolade neben Whisky, Calvados, Franken-und Moselweinen (“Oberföhringer Vogelspinne”, Hupfheimer Jungferngärtchen” und “Klöbener Krötenpfuhl” ...) und Wurstkonserven von der hällischen Sau. Ich nehme mir nun einen Whisky aus Hohenlohe (Geheimtipp), erhebe mein Glas und trinke auf Ihr und unser aller Wohl mit einem Spruch meines Hohenloher Großvaters: “Nur nix narrets!” (Kann man als “Ruhig bleibn!” oder “Nicht durchdrehen!” interpretieren.) In diesem Sinne: Wohlsein!

Peter Meyer / 19.03.2022

Wei, oh wei, Herr Keller, Sie geben aber Alternativen zur Wahl…  Scholz oder Selenskyi, das ist ungefähr wie die Wahl zwischen Giftspritze oder Galgen.

G. Zülken / 19.03.2022

Wer sich von den Ö.R. Kirre machen lässt, wie die Mehrzahl der Corona-Impf-Befürworter, der hamstert genau wie vor 2 Jahren des Deutschen wichtigstes Produkt, welches nach Gebrauch im Klo heruntergespült wird. Und das, obwohl kein Mangel daran herrscht. Auf die Dummheiten der Deutschen kann man sich fest verlassen. Sie gehen niemals aus. Sogar Habeck hat jetzt erkannt, dass das Gasvorhaben zum nächsten Winter nicht gesichert ist und bezeichnet es als große Dummheit der letzten Regierung, sich nur von Russland, in Punkto Gaslieferung, abhängig gemacht zu haben. Nun ist der Koalitionspartner Habecks, die ,,SPD`` ja mit dafür verantwortlich gewesen und hat all die fatalen, bösartigen oder dummen Entscheidungen der Merkel mitgetragen. Aber so weit ich mich erinnern kann, hat es von den Grünen, damals in der vermeintlichen Opposition, in dieser Frage auch kein Veto gegeben. Die große Dummheit hat parlamentsübergreifend Deutschland in die Bredouille gebracht.

B. Zorell / 19.03.2022

62% der Amerikaner sagen bei einer Umfrage, unter Tump würde es diesen Krieg nicht geben. Trump handelt gute Deals aus. Das verhinderte, daß unter ihm kein Krieg begonnen wurde. Nur einige Scharmützel, die die Heißsporne vergeigt haben. Trumps Deal mit Putin: Unter mir werden die Ukraine und Georgien keine Mitgliedschaft bei der NATO beantragen. Und Putin könnte jetzt drei Jahre lang oder länger Manövern beiwohnen. Wäre das kein Glück für die Zivilisten in der Ukraine, allerdings nicht für die gierigen Helfer in Deutschland.

Isabel Comares / 19.03.2022

Endlich mal was zu lachen, einfach wunderbar. Danke dafür und gern mehr davon. Achgut könnt Ihr gern in Ach-Super umbenennen. Mehr sage ich nicht, die anderen haben schon alles geschrieben.

A. Buchholz / 19.03.2022

Das war ein richtiger Lach-Booster. Der hat so richtig reingeimpft. Im Sinne von: voll der Schenkelklopfer.

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