Gunter Weißgerber / 15.04.2018 / 17:18 / 16 / Seite ausdrucken

Vom Gebrauch der Ohrfeige

Ohrfeigen sind etwas außer Mode gekommen. Auch in der Politik. Was dem zivilen Klima gut tut. Selbst Beleidigungen werden damit gemeinhin nicht mehr geahndet. An und für sich ein guter Zustand. 

Helmut Kohl war der vorerst letzte Politiker, der eine Flegelei per Ohrfeige zu den Akten legen wollte. Matthias Schipke, seines Zeichens Juso-Chef von Halle, bewarf am 10. Mai 1991 Bundeskanzler Helmut Kohl mit einem Ei. „Ich hatte Wut im Bauch und die wollte ich Kohl zeigen“. Sagte er 25 Jahre später.

Das Ei erwies sich als geistiger Dünnschiss und erzielte das Gegenteil von Erfolg. Matthias Schipke stand in der Folge bedröppelt in der Gegend herum und sieht seine Aktion von damals nicht mehr so schlau. Und Kohl, der Mann, der sich nicht ängstlich hinter seinen Sicherheitsleuten verkroch? Klar, der war Sieger. Kohls beherztes „auf den Lümmel losgehen“ fand ich damals ungeachtet meiner politischen Differenzen mit dem CDU-Kanzler beachtlich. „Hut ab“, wir müssen uns nicht alles gefallen lassen. 

Gestern gab es die nächste Ohrfeige in Köln seitens einer Politikerin. Ein wütender junger Mann warf sein Ei in Form einer ehrenrührigen schweren Beleidigung. Er zieh Vera Lengsfeld öffentlich „Nazischlampe“. Vera Lengsfeld machte den Kohl und klebte dem Lümmel eine. Politisch nicht korrekt und doch irgendwie sauber! 

Vera Lengsfeld wurde genau genommen zweimal beleidigt. Einmal soll sie eine nationalsozialistische Sympathisantin, was die Bejahung der NS-Diktatur ebenso einschließt wie die Bejahung des NS-Völkermords und des Holocaust und zum anderen soll sie eine Schlampe sein. Richter Zellhorn stellte 2013 in Essen fest: „Schlampe" ist eine Beleidigung. 

Ob und wie der Kölner Banause für die Beleidigungen am Ende bezahlen wird, wird sich zeigen. Politisch zahlt er jetzt schon seinen wohlverdienten Preis: Die nächsten zehntausend Unterschriften unter die „Gemeinsame Erklärung 2018“ gehen auf sein Konto. Was wiederum die wehrhafte Vera Lengsfeld nicht ärgern dürfte.

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Leserpost

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Gabriele Schulze / 15.04.2018

Grossartig! Hoffentlich mit Schmackes. Der Worte sind manchmal weiß Gott genug gewechselt.

Eelco Bisschop / 15.04.2018

Wie geil ! :-D Eine wunderbare Aktion - Glückwunsch, Frau Lengsfeld !

Matthias Kaufmann / 15.04.2018

Das war doch immer üblich, dass eine Frau sich mit einer Ohrfeige zur Wehr setzte, wenn ihr ein Kerl sehr dumm kam, sie beleidigte oder angrapschte? Na gut, heute heißt das “übergriffig”, aber ich habe mich echt gefreut, dass Frau Lengsfeld gegen dieses inflationäre Nazi-Geschrei ein kräftiges “Zeichen gesetzt” hat. Me too geht auch so.

Gertraude Wenz / 15.04.2018

Warum zeigt man solch eine Diffamierung durch das Wort “Nazi”, die nicht mehr übertroffen werden kann, nicht einfach an? Entweder gibt es endlich mal dafür eine saftige Strafe oder das Schimpfwort wird sozusagen entnazifiziert und als Kavaliersdelikt dargestellt. Auf die Ausführungen des Richters wäre ich in jedem Fall gespannt.

Hartmut Schilling / 15.04.2018

Meine uneingeschränkte Hochachtung für Frau Lengsfeld! Vortrefflich reagiert, so wie es sich (eigentlich) gehört. Man lese dazu auch die Ausführungen von Frau Lengsfeld auf ihrem Blog.

Frank Holdergrün / 15.04.2018

Herrlich, danke, Vera Lengsfeld. Millionen Hände haben mit geklatscht und dem Vor-Krakeeler - Christian Ehrung, extra 3 - so medial zurück gezahlt. Keiner der Antifanten soll sich mehr sicher fühlen, wenn er diese Beleidigung schaumerfüllt brüllt: es gibt kein Recht auf Dummheit. Und noch sind linke Demos keine Satire, wenn sie auch meist so klingen.

Bechlenberg Archi W. / 15.04.2018

Raubritter, Wichtelmann, Bekloppter, ja sogar Pumuckel kosten richtig viel Geld oder gar Gefängnis. Nur Nazi darf ungestraft geschrien und geschrieben werden. Dabei kann ich, selber regelmäßig betroffen, mir keine widerlichere Beleidigung vorstellen,  und das muss ich ja wohl nicht groß erklären. Das Schlimme ist: die “Nazi"schreier fühlen sich dabei ganz und gar im Recht, schließlich machen es ihnen nur allzu oft Medien- und Politikvertreter schamlos und ungestraft vor.

Brigitte Brils / 15.04.2018

Vera Lengsfeld hat eben Format. Gefällt mir!

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