Henryk M. Broder / 21.07.2018 / 10:30 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 59 / Seite ausdrucken

Volltrunken in Brüssel, aber nicht in der Tagesschau

Es ist in und außerhalb von Brüssel kein Geheimnis, dass der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, ein Alkoholproblem hat. Man hat ihn schon öfter nicht ganz nüchtern in der Öffentlichkeit gesehen, aber noch nie so randvoll wie bei der Abschlussfeier zum NATO-Gipfel in Brüssel letzte Woche. Juncker schwankte und wankte, erst schaffte er es nicht aus eigener Kraft zum Gruppenfoto auf die Bühne, dann musste er beidseitig gestützt werden und wäre beim Abgang von der Bühne beinahe gestürzt, wenn ihm nicht ein paar Begleiter unter die Arme gegriffen hätten. Dabei küsste er jeden ab, der ihm in die Quere kam, Küsschen links, Küsschen rechts, wie es so seine Art ist.

Ein belgischer Nachrichtensender hatte die Szene festgehalten, andere Sender übernahmen die Bilder. Allerdings weder die ARD noch das ZDF. Daraufhin fragte ich bei Kai Gniffke, dem Chef der Tagesschau und der Tagesthemen nach, ob es irgendeinen Grund geben würde, „warum Sie in Ihrer Berichterstattung über den NATO-Gipfel in Brüssel diesen Bericht des flämischen Fernsehens nicht übernommen, nicht einmal daraus zitiert haben?“ und ob die Redaktion, wäre es Donald Trump gewesen, genauso gehandelt hätte.

Kai Gniffke überlegte ein paar Tage und schrieb zurück: „Natürlich hätten wir gezeigt, wenn Donald Trump auf dem NATO-Gipfel derart angeschlagen aufgetreten wäre. Schließlich war er die unbestrittene Hauptperson. Das war der EU-Kommissionspräsident an diesem Tag nicht, so dass wir die Frage, aus welchen Gründen er an diesem Tag ebenso gebrechlich wie kussfreudig war, nicht in dem Bericht über den NATO-Gipfel thematisiert haben, da es hier um den Fortbestand des westlichen Verteidigungsbündnisses ging. Da erschien uns die Frage, ob ein Tagungsteilnehmer Ischias-Beschwerden hat oder angeschickert ist, nicht im Zentrum des Ereignisses zu stehen. Bei einem EU-Gipfel wäre das wohl anders gewesen.“

Der vorletzte Satz bezog sich auf das Statement eines Kommissionssprechers, wonach Juncker an diesem Tag „von einer besonders schmerzhaften Ischias-Attacke geplagt wurde“. Also warten wir den Bericht zum nächsten EU-Gipfel ab. Irgendwann wird auch die Tagesschau zugeben müssen, dass solche Spektakel nur volltrunken zu ertragen sind.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Archi W. Bechlenberg / 21.07.2018

Man sollte, falls nochmal eine neue Aal-Art entdeckt wird, die sich durch besondere Schleimig- und Schlüpfrigkeit auszeichnet (so dass selbst erfahrene Zoologen ihn nur unter Aufbringung sämtlicher Tricks zu fassen bekommen) diese dem Herrn Tagesschauweg widmen.  Anguilla gniffkei. P.S. “unbestrittene Hauptperson”? Wenn das aber unsere GröKatZ erfährt…

Roland Müller / 21.07.2018

Beim Vorgänger vom Herrn Putin hat die ARD auf derart feinsinnige Unterscheidungen aus mir unverständlichen Gründen großzügig verzichtet. Aber was soll es, nicht jeder versteht die Welt so gut wie Kai Gniffke. Schließlich versteht es auch außer ihm niemand, exakt zu unterscheiden,, wann ein Mord ein “regionales Ereignis” ist und wann nicht.

K.Auer / 21.07.2018

Hallo Herr Broder, wie immer den Nagel auf den Kopf getroffen. Es kann einen auch nicht wundern, dass Medienunternehmen die vom Staat durch Zwangsgebühren alimentiert werden, eine Information wiedergeben die der Regierung und deren Anhängern schadet. Ihre Alternativlosigkeit Frau Merkel hat gestern wohl schon eine weitere Amtszeit angedroht. Ich hoffe auf die Bayernwahl die bei einem Verlust der absoluten Mehrheit der CSU eine weitere Regierungskrise herbeiruft. Wenn es die CDU und/oder die AfD nicht schafft die Kanzlerin zu entmachten, muss es eben die CSU tun.

Franck Royale / 21.07.2018

Bei uns heißt es seit dem NATO-Gipfel nur noch: Wo ist denn die Flasche mit dem Ischias?

Herbert Marcuse jun. / 21.07.2018

Trump soll Windeln getragen haben, twitterten soziale Netzwerke. Ein Zimmermädchen will Windeln im Hotelzimmer von Trump gefunden haben. Leider hat die Tagesschau nicht darüber berichtet. Wollte sie nicht, oder durfte sie nicht?

Gerhard Sponsel Lemvig / 21.07.2018

Nüchtern ist die EU und die volkseigenen deutschen Rundfunkanstalten nicht zu ertragen!  Skål !    

paul peters / 21.07.2018

was macht eigentlich der eu-kommissionspräsident beim nato-gipfel? ist die eu als solche mitglied der eu?

Hubert Bauer / 21.07.2018

Sehr geehrter Herr Broder, wenn man im Internet “Junker und betrunken” eingibt, erhält man einige Videos zu EU-Treffen, bei denen Junker ebenfalls rotzbesoffen war. Könnten Sie Herrn Gniffke bitte mit diesen Videos konfrontieren und anfragen, warum die ARD auch darüber nicht berichtet hat, obwohl Junker hier eine Hauptperson war. Soweit ich mich erinnern kann, hat man seinerzeit über die Alkoholprobleme von Jelzin auch ziemlich offen berichtet.

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