Ulrike Stockmann / 30.11.2020 / 16:00 / Foto: Achgut.com / 148 / Seite ausdrucken

Voll cool! Lass Dich sterilisieren!

Im letzten Jahr rezensierte ich das Buch „Kinderfrei statt kinderlos“ der Lehrerin Verena Brunschweiger. Diese plädiert darin in einem ziemlich drastischen Jargon dafür, keine Kinder zu bekommen, weil dies feministisch und außerdem das beste Mittel sei, um gefährliches CO2 einzusparen. Ich erinnere mich daran, dass ich beim Schreiben des Beitrags leise Zweifel daran hegte, ob es richtig sei, dem kleinen Büchlein mit den überspannten Theorien einer bis dato vollkommen unbekannten Autorin mit Ernsthaftigkeit bis zur letzten Zeile zu begegnen. Waren ihre Thesen und Forderungen nicht einfach nur eine effektheischende, kalkulierte Provokation, um sich ins Gespräch zu bringen?

Schließlich sprach Frau Brunschweiger etwa explizit von Hängebusen und Sorgenfalten, die sich Frauen ersparen könnten, wenn sie so vernünftig wären, auf Nachwuchs zu verzichten. Und das als Lehrerin! Stolz rechnete sie außerdem vor, dass man pro eingespartem Kind dem Planeten Erde 9.441 Tonnen CO2 ersparen könnte – bei westlichem Lebensstandard, versteht sich. Darum sei das Kinderkriegen in Entwicklungsländern auch nicht so verwerflich. Konnte man einen derartigen Blödsinn ernst nehmen?

„(Das Buch) ist eine herzlose Abrechnung mit dem Kinderkriegen, einem der natürlichsten Vorgänge des Lebens. Und absolut keine Hilfe für irgendeine Verständigung zwischen verschiedenen Lebensentwürfen. Stattdessen kreiert Brunschweiger neue Feindbilder und spielt die Kinderlosen gegen die Menschen mit Kindern aus“, lautete damals mein Fazit.

Als ich in der Folge beobachtete, dass viele große Medien Verena Brunschweiger und ihre Thesen erstaunlich verständnisvoll aufnahmen und ihr auch in Talkshows kaum Gegenwind entgegenschlug, bekam ich den Eindruck, dass meine Ereiferung beim Verriss des Buches zumindest eine gewisse Berechtigung hatte. Gleichzeitig beobachtete ich mit Unbehagen den radikal geführten Diskurs, weil mir schien, als verschöben sich die Grenzen des Sagbaren in eine sehr bedenkliche Richtung.

Bei Kindern wenigstens ein schechtes Gewissen

Nun ist das Thema Kinderlosigkeit aus Umweltschutz erneut auf dem Tisch. Die ARD erregte kürzlich Aufsehen durch die Frage „Was ist Euch wichtiger? Eigene Kinder oder die Ressourcen der Erde?“ im Rahmen der ARD-Themenwoche.

Ich kann an dieser Stelle keine tiefgreifende Analyse darüber liefern, warum allein diese Frage vollkommen schwachsinnig ist (mit aktuell im Durchschnitt 1,54 Kindern pro Frau in Deutschland dürfte zu hoher Kinderreichtum zu den untergeordneten Problemen dieses Landes gehören, die hohen Geburtenraten afrikanischer Länder – durchschnittlich 4,7 Kinder pro Frau – geben da schon eher Anlass zur Sorge, gleichzeitig hieß es aber beispielsweise kürzlich aus Nigeria, dass dort hinsichtlich der landwirtschaftlichen Produktivität noch viel Luft nach oben sei; Jordan B. Peterson berichtet gar, er hätte im Rahmen seiner UNO-Tätigkeit erfahren, ein Land wie Uganda könnte bei besserer Bewirtschaftung „ganz Afrika“ ernähren).

Stattdessen möchte ich kurz vorstellen, welche merkwürdigen Sprachfetzen die ARD dem geneigten Gebührenzahler als Antworten auf ihre unverschämte Fangfrage liefert.

„Ich glaube nicht, dass Menschen die besten Wesen auf der Welt sind und dass wir uns dafür entscheiden können: Ja, wir retten die Erde und dann tun wir es tatsächlich“, lässt der Clip die Moderatorin und Böhmermann-Sendeplatz-Nachfolgerin Ariane Alter fabulieren. Ihr Fazit: „Deswegen sage ich – mit einem schlechten Gewissen – (sie verzieht das Gesicht) Kinder.“

Na, wenigstens hat sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie schon so unverschämt ist, eigene Kinder haben zu wollen!

„Leute, mir sind die Ressourcen der Erde wichtiger“

„Also, ich setz‘ kein Kind auf die Welt, damit ich sage: ‚Bitte hinterlass‘ keinen CO2-Abdruck und bleib nur in deinen vier Wänden“, meint Kollegin Nadia Kailouli. Sie schickt in der längeren Fassung des Videos dann noch hinterher: „Also wenn's so weit kommt, dass wir keine Kinder mehr in die Welt setzen, weil sie dann keine CO2-Abdrücke hinterlassen – das fände ich rein evolutionär sehr schade.“

Carolin Kebekus, ihres Zeichens Komikerin und neuerdings scheinbar Quotenfrau für alle möglichen politisch korrekten Kampagnen, freut sich: „Naja, ich hab ja keine eigenen Kinder. Deswegen kann ich ziemlich cool sein und sagen: ‚Leute, mir sind die Ressourcen der Erde wichtiger.‘“

Moderator Sebastian Meinberg schließt hingegen messerscharf: „Sobald ich eigene Kinder habe, glaube ich, würde ich mich nicht mehr so entscheiden.“

„Lieber nachhaltig leben, als keine Kinder bekommen“, findet Alice Hasters, Autorin des Buches „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“).

Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was uns die ARD – und damit der verlängerte Arm der Regierung – mit dieser Aktion eigentlich sagen möchte. Es ist schon merkwürdig, wie schnell die seltsame Idee einer einzelnen Autorin als scheinbarer Commonsense in öffentlichen Sendeanstalten präsentiert wird.

„Glücklich, weil ich unfruchtbar bin“

Generell scheinen ARD & Co. das Thema weiblicher Kinderlosigkeit momentan ganz oben auf ihrer Agenda zu haben. Auf Facebook werden mir immer mal wieder Sterilisations-Aufrufe, Pardon, -Berichte des staatlichen Fernsehens angezeigt. Junge und teilweise sehr junge Frauen berichten da mit leuchtenden Augen vom Glück der Sterilisation und mit Leichtigkeit vom Treffen dieser weitreichenden Entscheidung. Die O-Töne verbreiten oft eine Nonchalance, als ginge es darum zu entscheiden, ob man seine Stulle lieber mit Wurst oder mit Käse zu sich nehmen möchte. Seit ein paar Tagen kursiert etwa der SWR-Clip der 33-jährigen Lisa, die über ihre geglückte Sterilisation berichtet.

Der junge ARD- und ZDF-Ableger „funk“ ließ im Frühjahr unter dem Titel „Kein Bock auf Kinder? So what!?“ Frauen, die kaum älter als Anfang oder Mitte 20 zu sein scheinen, von den Freuden der Sterilisation schwärmen: „Jetzt kann ich ein glückliches Leben führen, weil ich einfach unfruchtbar bin“, freut sich Kandidatin Lysann. Pro forma wird in der Mini-Doku noch das Thema der möglichen späteren Reue angeführt: „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich es später bereuen würde, sondern vielmehr dass es mich beruhigt“, meint etwa Testimonial Sarah.

Auch hier überwiegt wie in den vorher angeführten Themenfeldern ein Tonus, der absolut keinen Widerspruch duldet, sondern sich vielmehr gegen einen wirklich freien und unvoreingenommenen Gedankenaustausch zu richten scheint. Und es stellt sich die Frage: Warum hält es der öffentlich-rechtliche Rundfunk für geboten, im Zeitalter der sicheren Verhütungsmethoden eine derart unreflektierte und parteiische Pro-Sterilisations-Kampagne zu fahren? Jeder soll doch für sich selbst entscheiden, ob er Kinder haben möchte oder nicht. Wozu braucht es eine solche Werbung für die Kinderlosigkeit? Was auch immer es ist: Dieser Diskurs behagt mir nicht.

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Florian Bode / 30.11.2020

Ab 1968 wurde das Kinderkriegen zunehmend out-ge-sourced.

HaJo Woöf / 30.11.2020

Prinzipiell denke ich, dass Fortpflanzung ein essentielles Element allen Lebens der Natur ist. Allerdings sorgt die Natur stets dafür, dass nicht das Gesamtsystem durch überproportionale Vermehrung einer einzelnen Spezies aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Nur der Mensch, diese angebliche Krone der Schöpfung (trifft das auch auf , Exemplare ei AM, CR, Söder oder die Kobolddoofdose zu?) vermehrt sich ungehemmt und hat seit gut 100 Jahren das natürliche (sic!) Gleichgewicht durcheinander gebracht. Und er tut das weiterhin, nicht nur durch Vermehrung, sondern auch durch unsinnige Eingriffe in natürliche Abläufe, da er so überheblich ist, zu glauben, er könne die Natur beeinflussen. Die hingegen registriert diese Eingriffe und wehrt sich. Das kann durchaus einige Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern. Solange es aber Vertreter von Religionen gibt, die gegen Geburtenkontrolle wettern, solange eine Frau nur dann etwas zählt in einigen Kulturen, wenn sie sich zur Gebärmaschine macht, solange der Mensch so saudumm und überheblich ist (wieso fallen mir grade Lauterbach und Drosten ein…?), solange wird sich nichts ändern. Der Natur ist das egal, die regelt das irgendwann…

Marion Knorr / 30.11.2020

In 20 Jahren heulen sie fette Tränen oder haben sich schon vorher umgebracht.  Wer weint da eine Matte Träne nach?

Wolfgang Janßen / 30.11.2020

Ich kenne persönlich einige Personen, die beschlossen haben, sich nicht zu vermehren. Dafür bin ich ihnen aufrichtig dankbar.

Robert Jankowski / 30.11.2020

Die SPD hat doch mit Hartz4 der gesamten Mittelschicht derart viel Angst gemacht, dass für Viele Kinder sowieso nicht mehr in Frage kamen/kommen. Irgendwann wird von diesen linksgrünen Spaßbremsen auch noch der Sex verboten (natürlich nur den “Hierlängerlebenden”). Aber in der dritten Welt ist es egal, wenn da eine Frau 10 Kinder hat. Deren CO2 ist quasi klippo/mi und das erklärt mir dann aber irgendwie überhaupt nicht, warum wir die ganzen Zuwanderer reinlassen und bezahlen müssen. Denn mit dem betreten Europas wird doch auch deren CO2 Footprint automatisch gigantisch vergrößert, oder nicht?! Wäre doch also klüger, wenn die alle zuhause blieben, denn wenn sie dort den Regenwald abholzen und massenhaft Arten vernichten, dann ist das ja anscheinend nicht sooo schlimm.

Hans-Peter Dollhopf / 30.11.2020

Ja, wo kein Nachwuchs, da keine Vererbung. Von was auch immer! Zunächst muss man sagen, dass zur Erreichung dieser Kinderlosigkeit eine Sterilisation schon sehr speziell ist. Denn kostengünstiger gehts auch nicht invasiv, indem man einfach keinen Sex praktiziert. Wer trotzdem Sex und kinderlos bleiben will, kann diesen folgenlos etwa homosexuell oder lesbisch praktizieren. Das Resultat ist identisch. Weiterhin kann man Verhüterli machen, indem die Frau sich das Sperma des Mannes in andere Körperöffnungen spritzen lässt, aber der Klassiker unter den folgenlosen Sexpraktiken ist der monotone Handbetrieb. Inzwischen gibt es für Männer auch Plastikpuppen: Doch liebe Kinder, gebt fein acht: “Da Onan wußte, daß der Same nicht sein eigen sein sollte, wenn er einging zu seines Bruders Weib, ließ er’s auf die Erde fallen und verderbte es, auf daß er seinem Bruder nicht Samen gäbe. Da gefiel dem HERRN übel, was er tat, und er tötete ihn auch.” Vater sein dagegen sehr. “Seid lustig und mehret Euch ...”, das hat er schon vor sextausend Jahren befohlen und das hatte immer mit den “Ressourcen” dieser Erde zu tun: “... und macht Euch die Erde untertan”, alles, was darinnen ist ... die Kobolde, in ihrem Schoße schlummernd ... ! Schweriner Zeitung: “Für deutsche E-Autos müssen Kinder im Kongo schuften.” Also: Wenn keine Kinder, dann keine Kobolde, dann keine Lithiumbatterie, dann keine Energiewende! Und schlagt ruhig auch einmal dazu zu wie der Profi Mohammed mit seiner Sure: “Eure Frauen sind euch ein Acker; geht zu eurem Acker, wie ihr wollt.” (2, 223)

K. Pape / 30.11.2020

Ich erinnere mich daran, dass in den ersten Jahren nach der Wende der Umgang mit dem Thema Sterilisation schon einmal seltsam locker gehandhabt wurde. Damals hatte ich den Eindruck, dass mit den westlichen Gepflogenheiten noch nicht vertraute ostdeutsche Frauen sich sterilisieren ließen, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Das wurde diskutiert. Als ich 1993 meine 2. Tochter in Cottbus per Kaiserschnitt zur Welt bringen musste, wurde ich direkt vor der OP vom Arzt gefragt:“Sollen wir Sie gleich sterilisieren, wenn wir sie schon einmal offen haben…?“  Jetzt also kommt die Aufforderung, sich unfruchtbar machen zu lassen, für das „Klima“ ?!

Sebastian Gumbach / 30.11.2020

Mich macht das - speziell das - fassungslos. Ich bin ja einiges gewohnt: den Selbsthass, das Duckmäusertum, das Denunziantentum etc. Aber der frenetische Hass, die Abneigung gegen Kinder, das ist neu. Furchtbar!

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