Cora Stephan / 10.10.2018 / 06:25 / Foto: Duch.seb / 46 / Seite ausdrucken

Volk ohne Wagen? Na dann viel Spaß!

Die populistische Lust am Verbot ist nicht zu übersehen. Dabei haben wir es hier mit dem gleichen Problem zu tun wie mit der überstürzten „Energiewende“: die für eine Verkehrswende nötige Infrastruktur fehlt. 

Dabei verstehe ich die Abneigung gegen die Automobilität insbesondere bei Menschen in Großstädten, wie zum Beispiel Frankfurt am Main, die täglich hunderttausende Pendler verkraften müssen. Wer tagsüber in seinem Quartier erlebt, wie der Bürgersteig zur Parkfläche wird, ist für jedes Auto weniger dankbar. Stadtbewohner brauchen ja meistens auch keins, wenn der Supermarkt um die Ecke liegt und alle anderen Ziele bequem mit der U-Bahn zu erreichen sind, sofern man nicht das Fahrrad bevorzugt. Im übrigen ist der Weg zum Hauptbahnhof nicht weit, wozu also noch eine Blechkiste? „Volk ohne Wagen“ lautet der Titel eines Buchs zum Thema. Der Autor hält das für erstrebenswert.

Wir Landeier sehen das anders. Bei uns fährt keine U-Bahn, und durch den Bahnhof rauscht nur der Heckenexpress. Im nächstgelegenen Ort gibt es zwar gleich drei Supermärkte, zur nächsten Buchhandlung aber sind es schon zwanzig Kilometer, und in die Großstadt kommt man in einer knappen Stunde über die Autobahn. Aber da will man uns ja nicht mehr.

Innenstädte so unattraktiv machen, dass niemand mehr hin will

Wer unsereins durchaus vermisst, ist der städtische Einzelhandel. Während die Autogegner die Parkgebühren ins Unermessliche steigen lassen wollen, wünscht sich der Einzelhandel schon lange das glatte Gegenteil. Denn potenzielle Käufer gehen, frustriert über die hohen Kosten eines Stadtbesuchs, dahin, wo das Parken nichts kostet: in die Einkaufszentren am Rande der Stadt. Das ist natürlich auch eine Lösung: die Innenstädte so unattraktiv machen, dass niemand mehr dort hin will. 

Immerhin: Dort, wo es eine pittoreske Altstadt und deshalb Tourismus gibt, überlebt die eine oder andere Boutique mit Kitsch und Klamotten. Der Rest: Telefonläden und Kneipen. Doch ist an der Verödung der Innenstädte nicht vielmehr der Onlinehandel schuld? Doch, auch, natürlich. Der hat im übrigen seinen gehörigen Anteil am Verkehrschaos in den Städten, wo die Kurierdienstautos schon mal in der zweiten oder dritten Reihe parken, um den Autoverächtern die Dosen mit dem Hundefutter und die Säcke mit dem Katzenstreu in die dritte Etage zu liefern. 

Das mag allerdings noch das geringste Problem sein. Onlinehändler wie Amazon sind zwar extrem kundenfreundlich und haben damit Maßstäbe gesetzt, etwa was Retouren betrifft. Auf dem Land ist der Onlinehandel schier unentbehrlich, sein Vorteil: Er reduziert den Individualverkehr in die nächstgrößere Stadt. Sein Nachteil ist offensichtlich: Er verlegt das Warenhaus auf die Straßen, die im übrigen oft in einem Zustand sind, der an die Straßenverhältnisse in der DDR selig erinnert. Nicht nur deshalb hat das System längst seine Grenzen erreicht. LKW-Fahrer werden händeringend gesucht, Kurierfahrer ebenfalls, die unerhört schlecht bezahlt werden, ihr Pensum oft nicht schaffen und mit der deutschen Sprache Schwierigkeiten haben.

War Deutschland nicht einst ein Land der genialen Ingenieure?

An alledem wird auch die herbeigebetete Elektromobilität nichts ändern. An deren Effizienz darf man auch aus anderen Gründen zweifeln. Zum einen ist die Speicherkapazität der Batterien noch immer zu gering. Zum anderen brauchen sie anstelle von Benzin oder Diesel Strom. Der kommt noch immer vor allem aus Kraftwerken, die aus Kohle, Öl oder Gas Strom erzeugen.

Die Abgase kommen bei Elektroautos also nicht mehr aus dem Auspuff, sondern aus den Kaminen der Energieerzeuger. Die als sauber geltende Windkraft aber leidet gleich unter mehreren Problemen: Sie liefert unzuverlässig und ihr fehlt das, was auch der Verkehrswende fehlt: die Infrastruktur. Der Strom kommt dank fehlender Leitungen nicht dort an, wo er gebraucht wird.

War Deutschland nicht einst ein Land der genialen Ingenieure? Heute scheinen die guten Absichten wichtiger zu sein als das geduldige Bohren dicker Bretter auf der Suche nach einer Lösung, der letzte Schritt wird vor dem ersten getan.

Übrigens: Die Deutsche Bahn, die gepriesene Alternative, erhöht die Preise. Ihre Zuverlässigkeit hat sie längst eingebüßt. Und das wird nicht besser werden, wenn in den nächsten Jahren nötige Wartungsarbeiten anfallen. Volk ohne Wagen? Na dann viel Spaß.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf NDR.de

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Leserpost

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Test 45: 51472

Rolf Mundt / 10.10.2018

Vielen Dank für Ihren Artikel, der das Elend der deutschen VerPLANtheit aufzeigt. Wenn Sie dem Michel sein Auto nehmen und dann noch, wie gestern vom Kieler Klimaforscher verlangt sein gegrilltes Steak nehmen, dann spätestens rechne ich mit gewalttätigen Ausschreitungen in nicht unerheblichem Ausmaß.

Wolfgang Kaufmann / 10.10.2018

„War Deutschland nicht einst ein Land der genialen Ingenieure?“ — Deutschland ist vor allem ein Land der Gläubigen. Keine Lehre kann so hohl oder suizidär sein, dass sie nicht in Deutschland die glühendsten Verfechterinnen fände. Die Dogmen freilich wechseln: waren es einst Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung, sind es heute Pippilotta und Ponyhof, Fifty Shades of Green? Was kommt als nächstes, eine männliche Meinungsdiktatur, made in Mekka und Medina?

Wieland Schmied / 10.10.2018

Zitat: "War Deutschland nicht einst ein Land der genialen Ingenieure? Heute scheinen die guten Absichten wichtiger zu sein als das geduldige Bohren dicker Bretter auf der Suche nach einer Lösung, der letzte Schritt wird vor dem ersten getan.""................................der letzte Schritt wird vor dem ersten getan."Das, verehrte Frau Stephan, liegt m. E. aber weniger an mangelnder Genialität deutscher Ingenieure als mehr an der breitgefächerten Idiotie der hiesigen Politdarsteller und Entscheidungsträger aller Schattierungen.. Denen kommen solch komplizierte Erkenntnisse nie in den - ja, wohin bei denen eigentlich? - na, sagen wir einfach mal traditionell, in den Sinn: Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber leben muß man es vorwärts. (Sören Kierkegaard)NS.: Für Sie zur Ehrenrettung als 'Landei' - es ist die Katzenstreu, die in den 3. Stock geschleppt werden muß. ;-)

Horst Hauptmann / 10.10.2018

Ein paar unterstützende Anmerkungen zum Artikel:(1) Der motorisierte Individualverkehr ist eine der größten Errungenschaften der letzten 200 Jahre. Jetzt wird daran gesägt.(2) Die Bahn übernimmt keinerlei Verantwortung für Termine. Lt. Schreiben des DB-Vorstandes "ist das nicht Bestandteil des Beförderungsvertrages"Das war das Ergebnis einer Mehrkostenreklamation nach Ausfall einer RegionalbahnKeine meiner Fernreisen mit der DB verlief ohne große Störung(3) Auch Städter bewegen sich nicht nur in der Stadt(4) Ein Elektroauto hat erst nach 160.000 km die gleiche Ökobilanz wie ein Diesel(5) Der Dieselmotor hat den besten Wirkungsgrad(6) Der Strom kommt aus der Streckdose - jedenfalls nach Meinung der GrünenUnd er kommt IMMER aus der Steckdose, auch bei Windstille und nachts - ist doch schön!(7) Haben Sie schon mal von Fahrverboten im Ausland gehört?Dazu der Berliner: "ick wundere mir!"(8) Im Ausland werden die Messstationen einfach anders positioniert, als in good old Germany(9) kann mal einer recherchieren, was die grünen Politiker so treiben?(welche Autos, welche Flugreisen, welche Schulen, welche Kreuzfahrten, welche Wohnung und wo etc.)(10) Unser Wohlstand beruht auf Ingenieurfähigkeiten.Heute dominieren Geisteswissenschaftler das Geschehen, Technik wird systemtisch schlecht gemacht(11) Wer hat eigentlich diesen deutschlandweiten Selbstzerstörungsmechanismus angestoßen?(12) Regiert wird heute von Umweltschutzverbänden (und natürlich von selbsternannten Gesinnungsterroristen)Seitens der Regierung erleben wir Ignoranz, Passivität, Unfug, dummes Geschwätz(13) lasse ich weg, man muss das Unglück ja nicht noch vergrößern(14) Warum machen die Deutschen das einfach so mit, wo bleibt der massenhafte Protest?

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