Gastautor / 23.02.2018 / 06:44 / Foto: Harland Quarrington/MOD / 22 / Seite ausdrucken

Von wo es in der CDU stinkt

Von Matthias Dietze

Der Ruf nach Neuanfang ist bis zu Frau Merkel durchgedrungen. Personell wie inhaltlich soll er erfolgen, und gute Ratschläge gibt es zu Hauf. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, empfiehlt: „Wir brauchen Angela Merkel an der Spitze von Regierung und Partei. Aber in der zweiten und dritten Reihe brauchen wir neue Gesichter.“

Das ist, als ob man einem abstiegsbedrohten Fußballklub den Rat gibt, statt des Trainers erstmal die Mannschaft zu wechseln. Es wundert nicht, dass Frau Merkel diesem schmeichelhaften Rat folgt und munter beginnt, Posten durchzuwechseln. Der Parteisoldat Thomas de Maizière war erstes Opfer, ihm folgt Peter Tauber als Generalsekretär der CDU. Als Nachfolgerin wurde von Frau Merkel überraschend Annegret Kramp-Karrenbauer designiert, die vor allem mit kritischen Tönen in Richtung Kanzleramt aufgefallen ist. Wer die Kanzlerin kritisieren darf, bestimmt immer noch die Kanzlerin selbst.

Auch das hat sie von der SPD gelernt: Ihr Kampfauftrag lautet: Volkspartei bleiben, Wähler zurückgewinnen. Die klassische Klientel der CDU sieht sich nicht mehr von der Partei vertreten, was es zu ändern gilt. Die Lösung von Frau Kramp-Karrenbauer ist nun eine basisorientierte, umfassende Programmdebatte. Das derzeit gültige Grundsatzprogramm stammt schließlich noch aus dem Jahre 2007 und hat ein wenig Staub angesetzt. Das ist also die vermeintliche Wurzel allen Übels.

Man sieht den Protestwähler regelrecht vor sich, wie er sich, nach gewissenhafter Lektüre der auf 121 Seiten dargelegten 369 Grundsätze und reiflicher Erwägung, gegen die Partei entscheidet. Wenn jemand tatsächlich die Mühe nicht scheut, das richtungsweisende Papier zu lesen, der würde mit Gedanken wie dem Grundsatz 304 belohnt:

„Wir brauchen eine kontrollierte Zuwanderung von gut ausgebildeten, leistungsbereiten und integrationswilligen Menschen, die bei uns leben, arbeiten, unsere Werte und unser Land als ihre Heimat annehmen wollen.“

Oder Grundsatz 142:

„Die Soziale Marktwirtschaft vereint Leistungswillen und Solidarität. Einrichtungen der Solidarität dürfen nicht den Leistungswillen des Einzelnen lähmen.“

Das unbequeme Ergebnis der Meinungsforscher

Das weckt sicher bei dem einen oder anderen Erinnerungen an Zeiten, als man bei der CDU sein Kreuz setzte und tatsächlich CDU bekam. Die Ausgabe der Kanzlerin scheint jedenfalls bei den Koalitionsverhandlungen vergilbt und ungenutzt im Regal stehen geblieben zu sein. Es ist ja auch schon über zehn Jahre her, dass es verfasst wurde. Fraglos lohnt sich daher auch der Blick, ob einige Grundsätze ein Lifting vertragen. Die Ursache für den Wählerschwund ist das wertkonservative Programm aber sicher nicht.

Zur Erhellung der Ursachen für das rätselhafte Wahlverhalten lohnt es, den Blick zu weiten und die Frage in den Raum zu stellen, was bewegt die Wähler, der CDU den Rücken zu kehren und sich der AfD zuzuwenden? Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts IM Field aus Leipzig hat die Antwort parat. Hauptgrund, der AfD die Stimme bei der Bundestagswahl 2017 zu geben, war die Flüchtlingspolitik. Wie gut, das hochqualifizierte und professionelle Soziologen mit der Forschung beauftragt wurden, wie wären wir sonst nur zu dieser Erkenntnis gekommen?

Was fängt der Kopf der CDU mit dieser verblüffenden Antwort an? Gravierende Fehler bei der unkontrollierten Aufnahme von Zuwanderern eingestehen? Korrektur der Flüchtlingspolitik? Konsequente Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern? Anpassung der sozialen Leistungen an die finanziellen Möglichkeiten? Nein, die Lösung ist ein auf zusätzliche 220.000 Flüchtlinge jährlich reduziertes „Weiter-so!“ und eben jene Debatte zum Positionspapier.

Der Fisch stinkt vom Kopf her! Diese norddeutsche Weisheit kannte schon Schröder, Frau Merkel kennt sie leider nicht. Denn sonst wüsste sie, dass der personelle und inhaltliche Neuanfang eben bei jenem Kopf beginnen muss und nicht in der zweiten und dritten Reihe.

Matthias Dietze ist als Gymnasiallehrer und Fachausbildungsleiter für die Fächer Politik, Geschichte und Philosophie tätig. Publikationen im Bereich Fachdidaktik. Er ist Mitglied der CDU.

Foto: Harland Quarrington/MOD OGL via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Martin Landvoigt / 23.02.2018

Man stelle sich nur vor, dass auf einmal der Krug der zum Brunnen geht, bricht ... und nicht nur bei der Vorhut der 16 %. Wäre dann nicht auch die CDU da, wo die SPD heute ist und wohl noch sein wird? Das wäre doch ein Neuaufbruch der CDU, nur, dass dann nicht mehr CDU drauf steht.

Uwe Mildner / 23.02.2018

Die Treppe wird von oben gekehrt. Und das vollbringen meist nicht die Führungskräfte.

Christoph Kaiser / 23.02.2018

74,9% der Wahlberechtigten haben die CDU/CSU nicht gewählt!!!!!!! Da von einem “Regierungsauftrag” zu sprechen ist ohnehin an Grenze zur Lächerlichkeit.

Andreas Rochow / 23.02.2018

Immerhin ist Merkel die Einzige, die es wagt, selbstherrlich etwas ohne Diskussion abzuschalten. Sie riskierte damit zwar Sympathieverluste als Parteichefin und Kanzlerin, die sich, wie wir lernen mussten, aber in Grenzen hielten. Mehrheiten werden nicht wach, wenn diese Frau mit immer mehr Europa, immer mehr Migranten, immer mehr erneuerbarer Energie, immer mehr Zensur Deutschland systematisch abschafft. Den Dexit nur zu denken, das wird es mit ihr nicht geben! Dabei steht nirgendwo im GG: “Eine Debatte findet nicht statt.” Egal, von wo der Fisch stinkt, er ist verdorben.

Axel wolkenhauer / 23.02.2018

Ich habe 40 Jahre der CDU meine Stimme beim Wahlgang gegeben. Als Frau Dr. Merkel zur Kanzlerin designiert wurde, war ich überrascht und etwas irritiert. Eine ostdeutsche Politikerin mit SED Vergangenheit, wenn das nur gut geht, habe ich damals gedacht. Es ist leider nicht gut gegangen. Nun weiß ich es sicher. Frau Merkels Vater ist damals mit seiner Familie von Hamburg freiwillig in diesen Unrechtsstaat DDR gezogen. Wer kommt auf so eine Idee? Menschen mit einer sozialistischen Überzeugung. Frau Merkel wurde also in der Familie und durch den Staat sozialistisch erzogen und sozialisiert. Man darf ihr deshalb heute für ihre Überzeugung keinen Vorwurf machen, WIR hätten es wissen müssen. Menschen ändern sich ab einem gewissen Alter nicht mehr. Die CDU möchte heute nicht mehr konservativ und national sein. Diese Werte verursachen den Herrschaften Bauchschmerzen.  Deshalb das Gedränge links der Mitte. Alle Parteien wollen zurzeit links stehen. Deshalb ist die AFD die einzige Alternative für einen Konservativen wie mich. Ich kenne nämlich keine sozialistischen Staat in dem es den Menschen gut geht und der Einzelne zu einem bescheidenen Wohlstand kommen kann.  Und noch was. Ich bin keineswegs ein NAZI. Die Betitelung eines unbescholtenen Bürgers mit dem Schimpfwort “Nazi” sollte sofort unter Strafe gestellt werden.

Cornelia Gilsbach / 23.02.2018

Die völlig abgehobene Kanzlerin, die nur noch hören will, was ihr paßt und in ihrer neuesten Regierungserklärung wieder einmal nur Plattitüden absondert, wurde bereits umgehend von Frau Weidel auf offener Bühne des Bundestages abgestraft. Das mag ja bisher ganz gut geklappt haben, so ohne Opposition im Bundestag, daß sie weiterwurschteln konnte, im Bewußtsein, daß sich in der Union sowieso keiner traut, sie zu stürzen. Denn das wäre mit “Edeka” gleichzusetzen gewesen, Ende der Karriere. Also mußte die Veränderung von außen kommen. Von SPD und anderen Linken ist das nicht zu erwarten, da Merkel ja genau deren politische Agenda bedient hat. Daß das dem Wähler nicht gefiel, war Frau Merkel selbst dann noch egal, als sie und ihre Union mit massivsten Verlusten am 24.9. bestraft wurden. Etwas anders zu machen, darüber dachte sie nicht mal nach. Und jetzt ist sie da, die Veränderung von außen, genannt AfD. Und die wird nicht zögern, den Sturz von Frau Merkel einzuleiten. Das gibt ein Mißtrauensvotum, kurz nachdem sie wieder als Bundeskanzlerin vereidigt ist. Und wer wird sich dann noch hinter sie stellen? Die CSU? Da gibt´s genug, die sie loswerden wollen. Die SPD, der sie den Absturz über mehrere Wahlperioden beschert hat? Sicher nicht. Die Grünen, die in einer Koalition mit ihr ein ähnliches Schicksal fürchten müßten wie die SPD? Die Linken sind ohnehin nicht gut auf sie zu sprechen, aber die mögen keinen, nicht mal sich selber. Und dann wäre da noch die CDU. Wir wissen, daß es eine Gruppe Konservativer in der Fraktion gibt, deren führende Köpfe Leute wie Spahn und Linnemann sind. Die würden auf den Zug aufspringen. Ob das reicht, kann ich nicht sagen. Zumindest nicht beim ersten Versuch eines Mißtrauensvotums. Aber danach sind die Fronten klar und die Diadochenkämpfe um die Nachfolge beginnen. Ob wirklich Frau Kramp-Karrenbauer daraus als Siegerin hervorgeht, wage ich zu bezweifeln, sie hat meines Erachtens noch keine Hausmacht dafür. Dann braucht es nur noch einen zarten Wink an die AfD, so im Vorbeigehen im Foyer des Bundestages: Wir wären dann soweit. Wärt ihr so nett, das nochmal zu machen? Gute Nacht, Merkel. Sie hat es noch nicht verstanden, aber sie ist bereits Geschichte. In der EU wird man wohl weithin aufatmen, wenn wir unsere Angelegenheiten endlich geregelt kriegen.

Werner Arning / 23.02.2018

Früher einmal stand die CDU für das Leistungsprinzip. Für ein durchaus barmherziges zwar, aber für das Leistungsprinzip. Diejenigen, die nicht mithalten konnten, wurden nicht im Stich gelassen, doch war das Primat der Leistung eindeutig. Denn nur so, so war man überzeugt, funktioniert eine Gesellschaft. Den angeführten Zitaten aus dem Grundsatzprogramm ist diese Überzeugung auch noch zu entnehmen. Die CDU Merkels jedoch scheint von diesem Prinzip nicht mehr überzeugt zu sein. Sie schwenkte um auf die Sichtweise der Sozialdemokratie, die zuallererst die Interessen des Arbeiters gegen die Interessen des Arbeitgebers verteidigt. Sie sieht die Gesellschaft nicht von der Leistungsspitze her, sondern von ihrem Fundament her. Beides ist gleich wichtig. Wenn nun aber niemand mehr Sorge trägt für die Leistungsspitze und deren Erneuerung, deren Fortentwicklung und diese stattdessen eher misstrauisch beäugt wird, sich alle nur um die kümmern, die in der Leistungsgesellschaft nicht mithalten können, wird das eine Notwendige zugunsten des anderen Notwendigen vernachlässigt. In den Themen der Medien etwa geht es hauptsächlich um die Schwachen, die Leistungsspitze kommt entweder meist schlecht weg, oder wird als selbstverständlich vorhanden angesehen. Sie ist aber nicht selbstverständlich, sondern bedarf der Forderung und der Förderung. Niemand scheint zu bemerken, dass wenn das Eine fehlt, auf Dauer auch das Andere darunter leiden wird. Eine einzig um soziale Gerechtigkeit und Hilfe für die Schwächeren bemühte Gesellschaft sägt sich selber den Ast ab, auf dem sie sitzt. Für diese Einsicht und gewisse, dazu passende konservative Werte, die unentbehrlich für die Erbringung von Leistung sind, stand einmal die CDU.

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