Die Ehrendoktorwürde ist eine von einer Universität oder Fakultät verliehene Auszeichnung, die an solche Akademiker oder Nichtakademiker verliehen wird, die nach Meinung der Vertreter der auszeichnenden Einrichtung besondere Verdienste vollbracht haben – eigentlich auf wissenschaftlichem Gebiet. H.c. steht für „honoris causa“ und bedeutet „der Ehre wegen“. Hat eine Person mehr als drei Dr. h.c. auf dem Kerbholz, darf sie/er sich Dr. h.c. mult. nennen.
Oft jedoch erfolgt die Verleihung des Titels aus politischen, finanziellen oder anderen Gründen, bei denen die wissenschaftlichen Leistungen des Geehrten keinerlei Rolle mehr spielen. Hat nicht jüngst die Universität Mons die 16-jährige Greta Thunberg zur Ehrendoktorwürde vorgeschlagen? Das ist ja auch nur folgerichtig – nach der Verleihung der Goldenen Kamera vom ZDF und dem Vorschlag für den Friedensnobelpreis für Greta. Sie wurde übrigens von Abgeordneten der norwegischen sozialistischen Linkspartei vorgeschlagen.
Gerade ist unsere hochverehrte Dr. h.c. mult. Angela Merkel von der Harvard-Universität mit einem weiteren Ehrendoktor und viel Beifall geehrt worden. Es ist Ihr 16. Dr. h.c. – sie sammelt Ehrendoktorkragen wie andere Leute Briefmarken. Was aber bleibt vom Ziel einer Ehrenvergabe, wenn sie von Gleichgesinnten an Gleichgesinnte inflationär verteilt wird? Wieviel „standing ovations“ von Bücklingen aller Couleur benötigt ein wichtiger Mensch, um an sich selbst glauben zu können?
„Nihil novi sub sole“ – es geschieht nichts Neues unter der Sonne. Als gelernter DDR-Bürger habe ich die Erinnerung an eine Person mit noch mehr Ehrendoktorwürden gespeichert. Es handelte sich um eine Frau, die es in den 1980ern auf über 20 Ehrendoktorwürden brachte. Da muss sich die deutsche Bundeskanzlerin noch ein bisschen anstrengen.
Die derart hochgeehrte Frau – sie hieß als Kind „Lenuta“ – stammte aus einfachsten Verhältnissen, hatte eine unvollständige Grundschulausbildung und besserte ihr dürftiges Einkommen mit gelegentlicher Prostitution auf. Dabei wollte sie doch nichts lieber sein, als eine anerkannte reiche Wissenschaftlerin. Sie änderte ihren Vornamen von Lenuta in Elena, verjüngte ihr Alter um drei Jahre und heiratete den führenden Kommunisten ihres Landes.
Ihre Doktorarbeit musste ein Professor schreiben
Nachdem ihr Ehemann es zum Diktator gebracht hatte, gönnte sie sich erst einmal einen fingierten Hochschulabschluss als „Ingenieurin“ und ließ sie sich danach einen wissenschaftlichen Doktortitel verleihen. Ihr Mann bog extra dafür die Gesetze des Landes hin, und ihre Doktorarbeit musste ein Professor schreiben. Danach wurden unter ihrem Namen unzählige wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht, geschrieben von dazu gepressten Wissenschaftlern. Es war eigentlich zu schön, um wahr zu sein, aber westliche Medien, Politiker und Wissenschaftler ließen sich nur zu gerne täuschen.
Von nun an war Lenuta-Elenas Devise: Titel und Geld. So begann sie, Ehrendoktortitel zu sammeln. Dutzende Diplomaten schwärmten aus, um Universitäten zu überzeugen, Ihr die Ehrendoktorwürde zu verleihen, was auch mindestens zwanzigmal gelang. Sie brachte es gar zum Mitglied des altehrwürdigen „Royal Institute of Chemistry“ zu London. Der amerikanische Präsident Nixon, Bundeskanzler Kohl und Bundespräsident von Weizsäcker gaben sich die Ehre des Empfanges der „führenden Gelehrten der Welt“.
Auch finanziell lief es für Frau Dr. Diktatorin nicht schlecht Sie besaß ein ganzes Goldbesteck-Service von Tiffany, Wandschränke voller Leopardenpelzmäntel und diamantbesetzter Schuhe. Außerdem liebte sie Gemälde mit röhrenden Hirschen und goldene Wasserhähne in Form von Schwänen. Während in ihrer Heimat Kinder in den Kinderheimen hungernd dahin vegetierten, flog sie im Privatjet zum Friseur nach Paris und fütterte ihren Dobermann „Corbu“ mit eingeflogenen englischen Biskuits. In den öffentlichen Krankenhäusern fehlte es am Nötigsten, und in Elenas Haus waren die Wasserhähne mit Blattgold überzogen. Während für die Bürger die Grundnahrungsmittel rationiert wurden, besaß Elena ein eigenes Kino, in dem sie gerne kompromittierende Filmchen von Schäferstündchen Prominenter oder ausländischer Diplomaten mit Prostituierten-Agentinnen ansah. Ihr von einem Park umgebener Palast, der heute Besuchern zugänglich ist, hatte 80 Zimmer mit Wandmosaiken, Kronleuchtern und Spiegeln aus Murano-Glas, Schönheitssalon, Sauna, Solarium, Schwimmbecken und Bunker.
Elena wurde zur gefürchtetsten Person ihres Landes. Sie ließ sich als "Lichtstrahl durch die Äonen", als "führende Gelehrte der Welt" und "Mutter der Nation" preisen; ihr Konterfei war auf riesigen Plakaten abgebildet, auf Tassen, Tellern und Briefmarken, und die von ihr verfassten Bücher lagen stapelweise in den Schaufenstern, neben denen ihres Mannes.
Nicht einmal Abitur nötig
Es kam, wie es kommen musste. Im Dezember 1989 kam es zum Umsturz, bei dem allein in der Hauptstadt von Elenas Land 1.104 Menschen ihr Leben verloren.
Die „Genossin Akademiemitglied Dr. Ingenieurin Elena Ceausescu" und ihr Mann Nicolae Ceausescu wurden von einem Militärgericht in einem Schnellverfahren wegen „Völkermordes“ zum Tode durch Erschießen verurteilt. „Sonst wären sie auf der Straße gelyncht worden“, rechtfertigte der damalige Verteidigungsminister Stanculescu später in einem BBC-Interview den überstürzten Prozess, in dem Elena verlangte, mit ihrem Titel „Frau Dr. Ingenieurin“ angeredet zu werden. Bei der Vollstreckung des Racheurteils soll sie den Soldaten ihres Erschießungskommandos zugerufen haben: „Aber ich bin doch eure Mutter“. Eine andere Quelle sagt, dass sie die Soldaten als „verdammte Arschlöcher“ bezeichnete, während ihr Mann Nicolae Ceausescu die sozialistische Internationale sang. So das schlechtgute Ende meiner Geschichte.
Viele Dr. h.c.‘s haben ihre Ehrung redlich verdient. Aber ist die Vergabe der Ehrendoktorwürde nicht gelegentlich ein erwünschter Imagetransfer vom Geehrten zur ehrenden Fakultät? Etwa wie bei der Universität Mons und bei Greta? Selbst ein Edward Snowden könnte sich Dr. h.c. nennen, um seinen Abglanz der Uni Rostock zu verleihen, wenn der akademische Unfug nicht höchstministerlich untersagt worden wäre.
Für die Vermittlung eines Ehrendoktortitels verlangen Beratungsfirmen heutzutage bis zu 20.000 Euro. Ein Vermittler erläutert auf seiner Webseite: „Für die Verleihung der Ehrendoktorwürde ist keine Prüfung vorgesehen", nicht einmal Abitur nötig. Und weiter: "Wir suchen eine Universität, die Sie ernennt, einschließlich förmlichem Verleihungsakt in Ihrer persönlichen Anwesenheit." Das ist kein Schwindel, sondern ein umsatzsteuerpflichtiges Serviceangebot für Leute mit einer schweren Profilneurose.
Was ist ein Ehrendoktortitel in Zeiten inflationärer linker Zeitgeister wert? Ein Beispiel: 2014 wurde der früheren Bildungsministerin Annette Schavan wegen Plagiats ihr wissenschaftlicher Doktortitel aberkannt. Im gleichen Jahr wurde sie Ehrendoktor der Universität Lübeck. Hatte sie womöglich als Dr. h.c. Amiga das finanzielle Überleben der Lübecker medizinischen Fakultät gemanagt.
Sind viele Ehrendoktortitel ehrenhafter, als nur einer? Ist Dr. h.c. mult. ein Garant für eine obere Stufe auf dem Reputationstreppchen? Bei den Orientalen hieß es einst: „viel Nam‘, viel Ehr‘“ – ich erinnere nur an „Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah“. Bei uns Abendländlern heißt es wohl heute: „viel Doktor, viel Ehr‘“.
Und zum guten Schluss: Manche Rumänen lassen sich angeblich auf den Vornamen „Dr. h.c.“ umtaufen.