Volker Seitz / 13.07.2021 / 13:30 / Foto: Freud / 28 / Seite ausdrucken

Viel ankündigen, wenig umsetzen: Gerd Müller

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) soll Chef der UN-Organisation für Industrielle Entwicklung (Unido) werden. Doch bislang erzeugte er mit seiner Politik in Afrika unerfüllbare Wunschvorstellungen. 

Die FAZ meldete heute: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) soll Chef der UN-Organisation für Industrielle Entwicklung (Unido) werden. Das Lenkungsgremium der Organisation habe Müller für den Posten des Generaldirektors nominiert, teilte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Montagabend mit.

Das wirft Fragen auf. Wenn man die Politik von Entwicklungsminister Müller näher betrachtet – er ist seit 9 Jahren im Amt –, ergeben sich viele Unklarheiten. Er erzeugt mit seiner Politik in Afrika unerfüllbare Wunschvorstellungen. Warum belässt er es immer bei Ankündigungen, anstatt detaillierte Fortschrittsberichte über Aktivitäten in konkreten Ländern vorzulegen?  

Er wiederholt seit Jahren sein Mantra: „Wir haben das Wissen und die Technologien, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen, allein mir fehlen dazu die erforderlichen Milliarden.“

Der Minister hat reichlich Geld zur Verfügung

Warum ist dies nicht einmal ansatzweise in den letzten 60 Jahren gelungen, in denen schon viele Milliarden DM/Euro und Dollar für Entwicklungsaufgaben geflossen sind, insbesondere nach Afrika ? Müller gibt seit Jahren nie eine Antwort auf diese simple Frage, obwohl wir doch in unserer Strategie viel falsch gemacht haben müssen.  
Müller fragt nicht, was ist, sondern weiß es bereits beziehungsweise glaubt es zu wissen. Man kann ihn auch nicht überzeugen, weil er seinen Glauben gegen rationale Argumente imprägniert hat. Er hat keinen einzigen Gedanken zu bieten, den man in den letzten neun Jahren noch nicht von ihm gehört hätte.

Den immer noch aktuellen Klassiker „Weder arm noch ohnmächtig“ von Axelle Kabou hat er vermutlich nie gelesen.

Der frühere Afrika-Korrespondent des Spiegel, Horand Knaup, schrieb am 3. August 2020 treffend für das Publik Forum:

„Wo immer Müller auftritt, könnte man meinen, der Papst spricht. 'Afrika ist nicht arm, wir haben es arm gemacht', sagt er dann. Oder: 'Jedes Kind, jeder Hungernde könnte überleben.' Beliebt ist auch die Forderung: 'Wir müssen andere an der Entwicklung, unserem Wohlstand teilhaben lassen. Wenn heute zehn Prozent der Weltbevölkerung 90 Prozent des Vermögens besitzen, haben wir ein Verteilungsproblem.' Dass Müller viel ankündigt und wenig umsetzt, wer verfolgt es also? Auch dass er zwar regelmäßig seinen Parteifreunden widerspricht, aber zumeist als Verlierer vom Platz geht, fällt nicht weiter auf ... Der Minister hat reichlich Geld zur Verfügung. Und die Hilfsorganisationen sichern sich damit Projekte und Stellen – zumal die öffentlichen Mittel für ihre Arbeit inzwischen ungleich wichtiger sind als die Spenden. Das Spendenaufkommen stagniert seit Jahren, während die öffentlichen und internationalen Mittel unablässig wachsen.“

Bleiben die weiteren Fragen:

1. Warum schickt Deutschland stets die zweite Garnitur in internationale Gremien? Die Franzosen und Engländer schicken ihre Besten dahin.

2. Was qualifiziert Müller für dieses Amt? Industrie ist doch das Gegenteil von Entwicklungshilfe.

3. Warum ist die Wirklichkeit besser als Satire?


Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte 11. Auflage erschien am 18. März 2021. Volker Seitz publiziert regelmäßig zu afrikanischen Themen und hält Vorträge (z.B. „Was sagen eigentlich die Afrikaner“ – ein Afrika ABC in Zitaten.)

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Volker Seitz / 13.07.2021

Afrikanische Stimmen (Teil 2) zur Entwicklungshilfe: Mukoma wa Ngugi, Sohn des weltbekannten kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong’o, ist inzwischen selbst Schriftsteller. Er hat seinen ersten Roman „Nairobi Heat“, Transit 2014, vorgelegt. Das Motto des Autors: „Weiße Leute wollen immer schwarze Leute retten“ (S.147). Daraus entsteht eine Wohltätigkeitsmasche, die letztlich der Geldwäsche dient. Er schreibt: „Und das Geld von den Nicht-Korrupten, von denen, die spendeten, weil sie einem Kind, das im Völkermord [in Ruanda] verwaist war, eine Ausbildung ermöglichen wollten, diese kleinen Spenden summierten sich ebenso zu Millionen – dieses Geld, das so zusammenkam, kam keinesfalls den Flüchtlingen zugute. Auf dem Papier wurden für das Geld Autos und Häuser für das Flüchtlingszentrum gekauft, in Wirklichkeit wurden Gefälligkeiten bedient, Politiker bestochen, private Konten gefüllt.“ (S.100)Auch der nigerianisch-amerikanische Kunsthistoriker, Schriftsteller („Jeder Tag gehört dem Dieb“, Suhrkamp 2016) und Fotograf Teju Cole sieht Afrika als humanitären Erlebnispark. Es gehe den weißen Rettern vor allem um den emotionalen Kick: „The fastest growth industry in the US is the White Savior Industrial Complex. The white savior supports brutal policies in the morning, founds charities in the afternoon, and receives awards in the evening.“ („Die am schnellsten wachsende Industrie in den USA ist der industrielle Komplex der weißen Retter. Der weiße Retter duldet morgens brutale Politik, gründet nachmittags eine Hilfsorganisation und bekommt abends dafür eine Auszeichnung.“) The Atlantic, Washington D.C. 21.3.2012 Yvonne Adhiambo Owuor, auch aus Kenia, macht sich in ihrem Roman „Der Ort, an dem die Reise endet“, Dumont 2016, über Helfer lustig: „Entwicklungshelfer mit messianischem Funkeln in den Augen“, die „Love-Africa-Typen“, und fragt sich: „Ist er ein Brunnenbauer? Ein Armutsbekämpfer?“

Volker Seitz / 13.07.2021

@ Hans Gnodte Sehr geehrter Herr Kollege, ich stelle die Arbeit der meisten GTZ( GIZ )- Kollegen nicht in Frage. Auch ich habe sehr viele engagierte GTZ/GIZ Mitarbeiter kennen gelernt. Aber wie hat es die Lebenssituation der Afrikaner in den vier Ländern, in denen Sie waren verbessert?  Hierzu ein paar afrikanische Stimmen: Der geborene Kameruner NJ Ayuk ist erfolgreicher Buchautor, Geschäftsführer der Centurion Law Group, einer panafrikanischen Rechtssozietät mit Sitzen in Südafrika, Ghana, Kamerun, Mauritius und Äquatorialguinea. Das FORBES Magazin bezeichnet ihn als einen der einflussreichsten Menschen der Welt. Dem Afrika-Magazin LoNam gab er im Oktober 2019 ein Interview und äußert sich deutlich über Entwicklungshilfe:„Heute morgen erst las ich einen Artikel über Hilfsgelder. Warum gebt ihr solche Gelder? Hört auf, uns zu ,helfen‘! Diese Gelder helfen uns nicht, sie machen uns faul, sie halten uns auf. Hier in Deutschland redet Ihr darüber, wie man Leute aus der Sozialhilfe herausbekommt. Aber wenn Ihr nach Afrika schaut, fragt Ihr Euch: Wie können wir ihnen mehr Hilfsgelder zukommen lassen? 600 Milliarden Dollar, die Afrika gegeben wurden, haben nicht einen einzigen Arbeitsplatz geschaffen!“ Asfa-Wossen Asserate schreibt als Gastautor bei Focus-Online am 18.8.2020: „Europa muss seine Afrikapolitik der letzten 60 Jahre infrage stellen, Milliarden an Entwicklungshilfegeldern sind in den letzten Jahrzehnten in den Schwarzen Kontinent geflossen. Aber die Lebenssituation der Menschen in den meisten afrikanischen Ländern hat sich kaum gebessert. Woran liegt das?… Viel zu oft erreichen die Entwicklungsgelder nicht diejenigen, für die sie bestimmt sind. In den Händen der herrschenden Kleptokraten wird das Geld zum Instrument des Machterhalts und liefert Schmiermittel für die grassierende Korruption.“ Teil 1

Heinz Lucht / 13.07.2021

Bitte, bitte, es sage mir jemand, dass es sich in dem Filmchen auf youtube um Satire der absoluten Unterklasse handelt.  Eine Frau Mueller ueber ihren Sohn Gerd: ” Mein Sohn geht jetzt zur Sonderschule.” Antwortet die Nachbarin” Ja wenn er das Zeug dazu hat:” Ich weigere mich zu glauben, dass es sich bei diesem Hochkaraeter, vermutlich mit bayrischem Simultandolllmetscherdiplom der CSU ausgestattet, um den Sohn der vorgenannten Frau Mueller handelt. Aber andererseits…

Gabriele Klein / 13.07.2021

PS: Was mich viel mehr interessiert hätte als das damalige Verfahren rund um Dr. Müllers Dissertation wäre das der Habilitierung eines Doktorvaters.  der Dissertationsthemen zur Jungen Union vergibt bzw. zulässt. Ferner würde mich interessieren ob es im Zusammenhang mit dieser wissenschaftlichen Arbeit auch ein Stipendium gab, und falls ja, wer es vergab…..

Gabriele Klein / 13.07.2021

@ Herr Hofmann, danke f. Kommentar u. Ergänzung d. Artikels   In der Welt (April 2014) lese ich Folgendes: “Müller hatte die knapp 400 Seiten umfassende Doktorarbeit mit dem Titel „Die Junge Union Bayern und ihr Beitrag zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung“ 1987 bei der Universität Regensburg eingereicht und am 15. April 1988 die mündliche Prüfung abgelegt. Nach den Plagiatsvorwürfen hatte eine parteiunabhängige Hochschulgruppe der Universität Regensburg eine Überprüfung der Dissertation beantragt.” Die damaligen Plagiatsvorwürfe interessieren mich nicht die Bohne sondern einzig das Thema. Man lasse es sich auf der Zunge zergehen: Knapp 400 Seiten über die Junge Union Bayern u. ihren “Kulturbeitrag”......... Hmm,  ist sowas eine Dissertation und darf sich jeder so ein Thema aussuchen?! Falls ja, dann würde ich gerne eine schreiben über den Beitrag von Pudding (meine Spezialität) auf das leibliches,  seelische u. somit auch kulturelle Wohl.  Meine Thesen würde ich mit entsprechenden Studien z.B. über die positiven gesundheitlichen Auswirkungen von Kakao u. was es da sonst noch alles im Pudding gibt untermauern. Originell,, kein Zweifel.  Denn, unter dem Stichwort Dissertation ,Pudding ,Kulturbeitrag meldet Google: “Es gibt anscheinend keine passenden Übereinstimmungen für deine Suchanfrage.” Also nichts wie ran.  Und statt knapp 400 Seiten würde ich sogar 1.000 bieten, Einfach weil ich Wackel Pudding in seiner ganzen Farbenpracht so sehr mag, allerdings nur aufm Teller, nicht übern Rand hinaus. Eine wichtige Einschränkung auf die ich gründlich eingehen würde, um aufzuzeigen wie man ein Spill-over mit Pudding Flecken auf d. Nachbarn Schoß verhindert wenns aufm Teller zu bunt wird.

Joachim Krone / 13.07.2021

Deutschland schickt nur die zweite Garnitur? Was wäre denn die erste?

Harald Reffert / 13.07.2021

Seit der gute Herr Müller in den Tenor derjenigen einstimmte, die behaupteten, daß Kleinkinder in griechischen Flüchtlingslagern von Ratten angenagt worden seien, hat er seine Glaubwürdigkeit verloren. Die Entwicklungshilfe für den afrikanischen Kontinent war sein Steckenpferd. Seltsam, daß er sich meines Wissen nicht für die Rücknahme von Ausreisepflichtigen stark gemacht hat. Also Geld ausgeben, das konnte er… Gut, daß der Mann als Minister abtritt.

U. Unger / 13.07.2021

Wie immer treffend und nachvollziehbar, Herr Seitz. Es macht jedesmal Spaß Ihre fundierten Einschätzungen zu lesen. Diesmal sogar heiter!

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