Annette Heinisch / 29.10.2022 / 12:00 / Foto: Christoph Braun / 53 / Seite ausdrucken

Verweigert Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Scholz erneut?

Die Hamburger Staatsanwaltschaft wollte trotz gut begründeter Strafanzeige des renommierten Anwalts Dr. Gerhard Strate partout nicht gegen Olaf Scholz ermitteln. Nun gibt es weitere Gründe für ein Ermittlungsverfahren, und Strate hat das erneut beantragt.

Herr Gernegroß ist unterbeschäftigt. Einen anderen Schluss lassen die Ausführungen der Staatsanwaltschaft (StA) Hamburg nicht zu. Immerhin hat die StA in ihrem Bescheid vom 14.03.2022, mit dem das Verfahren gegen Bundeskanzler Olaf Scholz wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss eingestellt wurde, im Wesentlichen ausgeführt, dass jemand, der gut beschäftigt ist und viele Gespräche führt, selbst dann Fakten vergessen kann, wenn sie einen „sehr viel höheren Aufmerksamkeitswert“ haben als andere Gespräche. Dass ein Gespräch mit Geschäftsführern einer alteingesessenen Privatbank, bei dem es um deren mögliche Insolvenz wegen Steuerrückforderungen in Höhe von fast 50 Millionen Euro aus illegalen Cum Ex-Geschäften geht, für den Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg einen „sehr viel höheren Aufmerksamkeitswert“ habe, räumt also auch die StA ein. Die Erklärung vermeintlicher Erinnerungslücken ist nicht leicht, daher fühlt sich die mit der Sache befasste Oberstaatsanwältin offenbar bemüßigt, zur Verteidigung des früheren Bürgermeisters irgendetwas anzuführen. Zu unglaubhaft klänge sonst seine Einlassung, er könne sich an nichts, wirklich rein gar nichts erinnern. Daher erläutert sie nicht nur, dass er auch viele andere wichtige Dinge zu tun gehabt habe, sondern hat sich auch die Mühe gemacht, Beispiele zu nennen. Der arme Mann habe sich um den G20-Gipfel oder den Wirecard-Skandal kümmern müssen, die sowohl in seine „Hamburger als auch in seine Berliner Zeit“ fielen. Dass sein Wirken dabei in keiner Weise von Erfolg gekrönt war, ist insoweit nicht von Belang. Jedenfalls handele sich bei der Warburg-Bank und den millionenschweren Cum Ex-Geschäften zwar um „ein bedeutendes und den Beanzeigten auch weiter beschäftigendes, aber in seiner Laufbahn in der Relevanz nicht beispielloses Thema.“

Kurz gesagt: Laut StA war die Sache wichtig und hat Scholz auch weiter beschäftigt, aber es ist völlig glaubhaft, dass er sie dennoch tutto completto vergessen hat. Eine solche Behauptung ginge keinem Verteidiger durch, die StA und das Gericht würden deutlich kommunizieren, dass sie sich nicht dermaßen unterkomplex verschaukeln ließen. Das Problem: Hier hat die StA die Aufgabe der Verteidigung übernommen.

Wenn es aber völlig normal ist, dass man bei ausreichender Arbeitsbelastung selbst bedeutende Dinge, mit denen man auch weiter beschäftigt ist, vergisst, dann ist Herr Gernegroß von der Behörde für Wirtschaft und Innovation in Hamburg offenbar komplett unterbeschäftigt. Dieser konnte sich nämlich bei seiner Zeugenvernehmung nicht nur grundsätzlich an das Gespräch zwischen den Geschäftsführern der Warburg-Bank und Olaf Scholz erinnern, welches in seinem Beisein stattfand, sondern sogar an den Inhalt. Also passiert entweder sonst zu wenig in seinem Leben oder aber Herr Gernegroß ist unserem Bundeskanzler intellektuell um Längen überlegen. Was schon etwas peinlich wäre. Zumindest für Herrn Scholz.

Sein Name ist Hase

Betrachtet man den Ablauf, so kommen Zweifel an der Verteidigungsstrategie der StA auf. Wie Panorama berichtete, hat Bundeskanzler Olaf Scholz zunächst auf Nachfrage ausdrücklich abgestritten, überhaupt etwas mit den Geschäftsführern der Warburg-Bank zu tun gehabt zu haben. Erst als Panorama Belege für ein Treffen am 10. November 2017 zugespielt wurden, wurde klar, dass Scholz gelogen hat. Das Treffen war im Tagebuch des Geschäftsführers Olearius aufgeführt, welches im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen wegen der Cum Ex-Geschäfte beschlagnahmt worden war. Als Folge lud der Finanzausschuss des Bundestages Olaf Scholz vor und befragte ihn nach diesem Gespräch und auch, ob es weitere gegeben habe. Letzteres verneinte er.

Recherchen brachten dann zutage, dass es doch noch zusätzliche Treffen zwischen Scholz und den Geschäftsführern der Warburg-Bank gegeben habe. Auf Nachfrage erklärte Scholz, man hätte eben konkreter fragen müssen.

Im Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft erklärte Scholz nun, unter einem totalen Gedächtnisschwund zu leiden. Er könne sich an gar keine Gespräche mit den Geschäftsführern der Warburg-Bank mehr erinnern. Sein Name ist Hase, er weiß von nichts.

Erneute Befassung der Staatsanwaltschaft Hamburg

Nunmehr hat der renommierte Strafverteidiger Dr. Gerhard Strate erneut die StA mit dieser Sache befasst und beantragt, die Ermittlungen wegen uneidlicher Falschaussage aufzunehmen. Er hatte bereits die erste Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage erhoben, nun legt er nach. Zu der damaligen Begründung des Einstellungsbescheids führt er aus:

„Diese schöpferischen, den ehemaligen Bürgermeister vermeintlich salvierenden Überlegungen über dessen gewaltiges Arbeitspensum in der ‚Hamburger als auch Berliner Zeit‘ greifen allesamt nicht, weil er jedenfalls bei einer Anhörung vor dem Finanzausschuss des Bundestages am 4. März 2020 an das mit Herrn Olearius geführte Gespräch am 10. November 2017 durchaus noch konkrete Erinnerung hatte.“

Das nunmehr zugängliche Protokoll der Anhörung durch den Finanzausschuss des Bundestages beweist nämlich, dass sich Scholz an das Gespräch und seinen Inhalt erinnerte. Er wusste sowohl was Herr Olearius sagte, als auch, was er selbst sagte oder auch nicht sagte, z.B. dass er seine Sicht der Dinge nicht geäußert habe und dass die weiteren Einzelheiten unter das Steuergeheimnis fielen. Er wusste also, dass es stattgefunden hat, konnte den Ablauf schildern und erinnerte den Inhalt. Dies jedoch schließt die behauptete Amnesie aus.

Bei einer derartigen Beweislage kann eine ordnungsgemäß arbeitende Anklagebehörde eigentlich nicht anders, als die Ermittlungen aufzunehmen und ggf. die Aufhebung der Immunität zu beantragen.

Ordentliche Anklagebehörde?

Der SPD-Filz in Hamburg ist jedoch legendär. Er hatte die Stadt so fest im Griff, dass die SPD Ende der Neunziger Jahre aus dem Rathaus flog. Schon seit einiger Zeit mehren sich die Anzeichen, dass sich der Genossenfilz wieder ausgebreitet hat, so berichtete die taz im letzten Dezember:

„SPD-Filz kehrt zurück: Von Genosse zu Genosse – Hamburgs Finanzsenator hat einen Millionenauftrag ohne Ausschreibung an einen Parteifreund vergeben. Das erinnert an alte Zeiten.“

Bei dem kürzlich in die Kritik geratenen Verkauf eines wichtigen Container-Terminals im Hamburger Hafen an China stellte sich heraus, dass Andreas Rieckhoff, Staatsrat und enger Vertrauter von Scholz, an entscheidender Stelle die Fäden gezogen hat. Der Kanzler-Freund sitzt als Vertreter der Stadt im Aufsichtsrat des Verkäufers, der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Rieckhoff ist Mitglied von insgesamt acht Aufsichtsräten von Unternehmen, die für die Stadt wichtig sind. Bei sechs ist er der Vorsitzende.

Dass sich die StA Hamburg als „Schutz- und Trutzburg“ von Olaf Scholz – so Strafverteidiger Gerhard Strate – betätigt, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überraschen. Dabei ist diese Behörde gerade kürzlich wegen eines ähnlichen Verhaltens in die Schlagzeilen geraten: Gegen deren Leiter, den Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich, ist vor einigen Tagen ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Ihm wird vorgeworfen, Hausdurchsuchungen beim Innensenator Andy Grote (SPD), dem früheren Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) und dem Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer mit der Begründung verhindert zu haben, diese würde einen „politischen Tsunami“ auslösen, und er würde lieber in Kauf nehmen, dass Beweise verloren gingen, als eine „politische Krise“ zu riskieren.

Das Hamburger Abendblatt schreibt dazu:

„Sollten sich die Vorwürfe dagegen erhärten, dann wäre der Beweis erbracht, dass die Staatsanwaltschaft in mindestens diesem Fall den juristischen Gleichheitsgrundsatz mit Füßen getreten hätte. Dass Jörg Fröhlich dann seines Amtes enthoben werden müsste, versteht sich von selbst.

Es ist aber fraglich, ob damit die Probleme der Staatsanwaltschaft gelöst wären. Denn die Liste der fragwürdigen, für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbaren Entscheidungen der Behörde ist lang – von Bakery Jatta bis „Pimmelgate“. Die Akzeptanz und Anerkennung der Behörde in der Öffentlichkeit wiederherzustellen wird kein leichter Weg werden.“

Tatsächlich dürfte es generell kein leichter Weg sein, die Akzeptanz und Anerkennung dieser wie auch anderer Hamburger Behörden wiederherzustellen. Ebenso schwierig oder vielleicht noch problematischer wird es, die Akzeptanz und Anerkennung der Bundesregierung unter solch einem Kanzler überhaupt zu erlangen.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

W. Renner / 29.10.2022

Das Verfahren wurde mangels Fissur und Gedächtnis des Beschuldigten eingestellt. Im Namen der gegen Rächtsbeugung und des unmassgeblichen Volkes.

F.Bothmann / 29.10.2022

Scholz: Nicht mein Kanzler! und „Die Rote Linie ist längst überschritten“. Herr Scholz muss zurücktreten oder aus dem Amt entlassen werden.

E. Albert / 29.10.2022

Mehr, als bedenklich, wenn ein Generalstaatsanwalt (!) kneift und seiner Jobbeschreibung nicht nachkommt, weil er einen „politischen Tsunami“ fürchtet. Mann - GENAU DAS brauchen Hamburg und dieses Land offensichtlich ganz dringend, um diese ganzen verlogenen Figuren, deren Filz und Vetterleswirtschaft, die diesem Land massiven Schaden zufügen, ordentlich wegzuspülen!

N.Lehmann / 29.10.2022

Wär ja noch schöner, wenn der Staatsbedienstete Anwalt den vergesslichen Staatsratsvorsitzenden der Lüge überführt. Ist für die Beförderung einfach schlecht, daher unterhaken. Wummsen nennt man das bei den Genossen. Die Ökofaschisten nennen das Koboldisieren. Die damaligen christlichen nun eher kommunistischen Opportunisten nennen das alternativlos [lt. paper Mutti Mao-erkelnix]. Die Freien-Speichellecker nennen das Existenzsicherung um jeden Lindwurm-Preis. Scheitern werden sie trotzdem! Das ist Dummland, einfach klasse.

Gus Schiller / 29.10.2022

Welche Leiche hat er mit wem im Keller, dass das alles so durchgeht? Was bekommt er von Cosco für seine “Vermittlungsarbeit”? Frage für einen Freund.

giesemann gerhard / 29.10.2022

Sieht nicht gut aus für das Image der SPD - meiner SPD von früher. Und dann auch der AWO-Feldmann in F. am Main, unterirdisch das.

S.Busche / 29.10.2022

Nicht nur Scholz ist potentiell erpressbar. Welcher Politiker ist den nicht potentiell erpressbar? Aber -Gott sei Dank- kommt niemand auf so eine blöde Idee und natürlich nicht zum eigenen Vorteil. Und diese Politiker könnten natürlich auch überhaupt kein Interesse daran haben, dass -ganz zufällig zum Nachteil des Volkes aber zum massiven Vorteil von Einzelpersonen oder einer Wirtschaftslobby- dumme, irreversible „Fehler“ gemacht werden. Wer das „Potenzial“ und die „Leistungsfähigkeit“ von Scholz in Frage stellt, der braucht sich nur den diesjährigen „Rapport“ von Scholz bei Schwab vom WEF anschauen. Noch toller sind die potentiellen Glücksspieleinsätze des hantierenden Gesundheitsministers und seiner Vorgängerin. Ist in diesen Fällen eine Anklage zu erwarten, oder sind auch hier offensichtliche gesundheitliche Probleme die Ursache für Strafverschonung? Vielleicht muß ein Politiker auch latent krank sein, um beruflich erfolgreich und selektiv immun vor äußeren „Einwirkungen“ auf sein Handeln zu sein… Respekt für Dich!

Sabine Schönfeld / 29.10.2022

Wenn dieser Hintergrund von Herrn Scholz dafür sorgt, dass die Halbwertszeit dieser Regierung drastisch sinkt, dann hoffe ich sehr, der Staatsanwalt hat einen langen Atem und Erfolg. Alles, was verhindern könnte, dass die Ampel das Land vollends in Grund und Boden fährt, ist willkommen. Abgesehen von dem unglaublichen Skandal, dass jemand überhaupt Kanzler werden konnte, über dem ein solcher Verdacht schwebt.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Annette Heinisch / 19.03.2024 / 06:00 / 150

Schrödern mit Scholz?

Von Annette Heinisch und Gunter Weißgerber. Die Kriegsgefahr wird in den nächsten Jahren eher größer als kleiner. Wir leben nicht in Zeiten, die Fehler verzeiht. …/ mehr

Annette Heinisch / 04.03.2024 / 06:15 / 90

Correctiv:  Das Kartenhaus fällt, der Fake wirkt weiter

Kartenhäuser neigen dazu, instabil zu sein. Ein kräftiger Windstoß, und schon fallen sie zusammen. So ist es der „Recherche“ von Correctiv ergangen, sie entpuppte sich…/ mehr

Annette Heinisch / 29.01.2024 / 16:00 / 18

Ganz großes Kino!

Sind sie nicht putzig, unsere Mächtigen? Ich finde sie dermaßen drollig, dass ich für deren Theater Popcorn besorge. Ansonsten hilft ein Gesetz von Isaac Newton…/ mehr

Annette Heinisch / 08.01.2024 / 06:15 / 166

Mein kleiner Wutanfall zur Protest-Woche

Normalerweise bin ich ja ein freundlicher und gemütlicher Mensch, stets um Sachlichkeit bemüht (ja, ich weiß, was das heißt!). Aber momentan bin ich einfach nur…/ mehr

Annette Heinisch / 05.01.2024 / 06:20 / 93

Kanzlertausch und Kompromat

Übergibt Olaf Scholz bald an Boris Pistorius? Der Kanzler hat nicht nur die Cum-Ex-Affäre am Hals sondern auch „Wirecard“, den größten Skandal in Deutschlands Wirtschaftsgeschichte.…/ mehr

Annette Heinisch / 03.01.2024 / 14:00 / 40

Gibt es ein Recht auf Fahnenflucht?

Die Ukraine will auch im Ausland lebende wehrfähige Männer einziehen. Während Justizminister Buschmann sich gegen die Ausweisung solcher Personen ausgesprochen hat, finden andere, sie hätten…/ mehr

Annette Heinisch / 14.12.2023 / 14:00 / 91

Braucht Deutschland neue Parteien? Und wenn ja – welche?

Wie also soll in Deutschland ein Politikwechsel gelingen? Anders ausgedrückt: Warum soll derjenige, der einen Wechsel möchte, die Union wählen? Sie hat praktisch alle Chancen…/ mehr

Annette Heinisch / 24.11.2023 / 06:15 / 33

Mit weniger Steuern mehr soziale Gerechtigkeit?

Meistens werden Steuersenkungen als Vorteil für die Reichen denunziert. Tatsächlich sind nicht die Armen die Verlierer, denn alle Bürger profitieren von einer blühenden Wirtschaft und…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com