Wir sind noch einmal knapp davongekommen. Es fehlte nicht viel, und wir hätten eine „Jamaika-Koalition“ bekommen, aus CDU/CSU, der FDP und den Grünen. Nach vier Wochen „Sondierungsgesprächen“ zog der FDP-Vorsitzende die Notbremse. „Nicht regieren“, sagte er, wäre „besser, als falsch zu regieren“.
An dem Satz war kein Wort falsch, dennoch wurde Lindner von allen Seiten vorgeworfen, er wäre nicht bereit gewesen, „Verantwortung zu übernehmen“.
Völlig außer sich waren die Grünen. Wie Kinder, denen kurz vor der Bescherung gesagt wird, dass Weihnachten in diesem Jahr ausfällt. Sie hatten sich so darauf gefreut, endlich mitregieren zu dürfen, nicht irgendwo in der Provinz, in Hessen oder in Baden-Württemberg, nein, im Zentrum der Macht, in Berlin. Mit allem, was dazu gehört, Ministern, Staatssekretären, Dienstwagen, Dienstreisen und einem Haufen von Posten, die sie als Dank für langjährige Treue an grüne Hilfeleister hätten vergeben können.
Und als der Traum ausgeträumt war, kamen sie zu einer Delegiertenkonferenz zusammen, um Dampf abzulassen und sich gegenseitig zu trösten. Jürgen Trittin, der ein strammer Stalinist war, bevor er sich grün einfärbte, hielt eine Rede, wie man sie in Deutschland seit den Tagen von Walter Ulbricht nicht mehr gehört hatte. Das Land sei „in einer neuen, dramatischen Lage“, Jamaika „der einzige Weg zu einer Mehrheit jenseits der AfD“ gewesen; die FDP aber wolle „nicht gestalten“, sie sei „eine rechte, bürgerliche, wohlstandschauvinistische Protestpartei mit nationaler Überheblichkeit und Fremdenfeindlichkeit“, die „rechts von der Union Stimmen einsammeln“ wolle, „europa-feindlich und flüchtlingsfeindlich“, schrie Trittin den Delegierten zu.
Das alles fiel ihm, der an den Sondierungsgesprächen teilgenommen hatte, erst auf, nachdem die FDP die Hochzeit abgesagt hatte. Vorher wäre er gerne mit ihr ins Ehebett gestiegen.
Beinah ebenso gut war, was die grüne Fraktionschefin, Katrin Göring-Eckardt, die Delegierten wissen ließ: „Wir wollen, dass... jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“
Das hat sie wirklich so gesagt. Und keiner hat gelacht. Kann man eine dermaßen humorbefreite Partei ernst nehmen?
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche