E-mail an die Leiterin der Neuköllner Werkstatt der Kulturen:
Sehr geehrte Frau Ebene,
Ihr Engagement in allen Ehren, aber Deutschland musste nicht vom Faschismus, sondern vom Nationalsozialismus befreit werden.
In dem Interview mit Radio Brandenburg sagten Sie außerdem, dass sie als Nicht-Weiße keinen Grund hätten, vor Arabern Angst haben zu müssen. Muss ich im Umkehrschluss davon ausgehen, dass ich als “Weiße” vor Arabern Angst haben muss? Und ist Ihnen bekannt, das bei vielen Arabern krudester Rassismus zur
Alltagskultur gehört? Dass Ägypter schwer beleidigt sind, wenn man sie schwarz nennt? Dass viele Türken nichts mit Schwarzen zu tun haben wollen? Dass man Menschen mit dunkler Hautfarbe in Saudi-Arabien sowie in sämtlichen Golfstaaten als ‘abid’ bezeichnet, was schlicht Sklave bedeutet? Dass man in vielen Ländern der arabischen Liga fünfmal am Tag zu Gott fleht, er möge die Juden töten?
Rassismus ist nicht ausschließlich Privileg der ‘Weißen’, es ist ein Privileg jedweder Mehrheitsgesellschaft, egal, wo sie sich befindet. Und es gibt auch Minderheiten, die sich selbst als Minderheit noch als Mehrheitsgesellschaft empfinden.
Mit freundlichen Grüßen,
Antje Sievers, Hamburg
Und die Antwort:
Sehr geehrte Frau Sievers,
Ironie und die Gabe diese zu erkennen, ist zwar keine deutsche Sekundartugend, in besonders aussichtslosen Situationen jedoch ein immer wieder gerne zum Einsatz kommendes Tool. Natürlich haben sie recht: Weiße Menschen haben vor Arabern nichts zu befürchten. Vielen von Ihnen scheint das jedoch (wie ich an den drängenden
Fragen der Journalisten in den letzten Tagen einmal mehr erfahren durfte) in jüngster Zeit allzu oft zu entfallen - zumal in Zeiten des Krieges gegen den Terror.
Ich nehme Ihre Kritik jedoch dankbar an. Künftig werde ich mich bemühen zu sagen: Ich bin nicht weiß und bilde mir daher auch nicht ein, Angst vor Arabern haben zu müssen - trotz des transsaharischen Sklavenhandels und Darfur.
Auch ansonsten gebe ich Ihnen Recht: Als Jemand die aus einer der wenigen deutschen Familien stammt, die für sich reklamieren können während des Nationalsozialismus (nicht des Faschismus), (nachweislich) mit der Rettung, mehrerer vom Abtransport durch die Nazis gefährdeten Kinder das einzig richtige getan zu haben, sollten mir solche Fehler auch beim 20. Interview des Tages nicht unterlaufen.
Und natürlich: Es gibt rassistische Araber, rassistische Europäer (egal welcher Couleur), rassistische Juden, rassistische Asiaten, rassistische Amerikaner etc. etc. so wie es anti-semitische Araber, anti-semitische Europäer, anti-semitische Afrikaner, anti-semitische Asiaten, etc. etc. Darüber hinaus gibt es auch Menschen die all dies herzlich egal ist - auch da gebe ich Ihnen Recht.
Und nun zum eigentlichen Thema: Es mag in Herrn Rössels Wahrnehmung die Menschengattung “Drittweltländler” existieren die einen Navaho aus New York, einen Aborigini aus Melborne, eine Yoruba aus Lagos, einen Maori aus irgendeinem Neuseeländischen Dorf, einen Berber aus Tunesien, eine Koreanerin aus Seoul, eine African-American aus Washington und einen Philippino aus Manila in einen direkten (genetischen? ethnischen? kulturellen? religiösen?) Zusammenhang mit dem Mufti von Jerusalem stellt.
Dieser Logik folgend müssen natürlich sämtliche Helden- und Untaten dieser “Gruppe” “aufgearbeitet” werden. Mein Drittweltländler-Hirn mag aber nicht erfassen, was denn nun ein Sembène Ousmane, ein Frantz Fanon oder irgendein schwarzer Soldat aus den USA mit der indischen Waffen-SS zu tun haben soll. Ich finde die verbindende Klammer nicht. Sie alle sind nicht weiß. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ist das der Grund dafür, dass bei den Feierlichkeiten zu Ehren der französischen Veteranen des 2. Weltkrieges der Hinweis auf Vichy nicht notwendig erscheint, bei “Drittweltländlern” der Hinweis auf Kollaborateure fürs “Gesamtverständnis” dafür, wie diese besondere Spezies tickt jedoch unabdingbar ist?
Mit freundlichen Grüßen
Philippa Ebéné
Geschäftsführerin / künstlerische Leitung
Werkstatt der Kulturen