Stefan Klinkigt / 17.05.2024 / 12:00 / Foto: Stefan Klinkigt / 17 / Seite ausdrucken

Versorgungssicherheit – Vor 100 Jahren waren wir schon mal klüger

Ein kleines Beispiel dafür, was „Versorgungssicherheit“ bedeutet, ist die über 100 Jahre alte Laufwasserkraftanlage in Lohmen am Rand der Sächsischen Schweiz. Regenerative Energie, die ihren Namen verdient.

BILD berichtete unlängst darüber, dass bei Schipkau in der Lausitz das „größte Windrad der Welt“ gebaut werden solle, das – bei einer Nabenhöhe von 300 Metern – eine Gesamthöhe von 365 Meter erreichen soll und nach dem Berliner Fernsehturm (368 m) dann das zweithöchste Bauwerk Deutschlands wäre. (Der Ingenieur Hermann Honnef würde sicher angesichts dieser Nachricht jubeln, wenn er noch am Leben wäre. Die Pläne seiner 430 Meter hohen „Reichskrafttürme“, die er 1934 in der Reichskanzlei Adolf Hitler vorstellen wollte, wurden zu seinem Bedauern nie verwirklicht.)

Weiter kann man bei BILD lesen: „Eine herkömmliche Windkraftanlage mit einer Vier-Megawatt-Turbine erreicht ca. 25 Prozent Volllaststunden. Bedeutet: Sie erzeugt so viel Energie wie ein Ein-Mega-Watt-Gas- oder Kohlekraftwerk. Der neue Superturm hat dagegen die doppelte Leistung, er erreicht 50 Prozent Volllaststunden. Das heißt konkret: Die neue Anlage könnte 4.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen.“

Abgesehen von der mehr als kühnen Behauptung, der „Superturm“ erreiche einen Nutzungsgrad von 0,5 (der übrigens nicht von der Nennleistung, sondern von der Windhöffigkeit abhängt), also jährlich 4.380 Volllaststunden, und abgesehen davon, dass man hier elektrische Leistung (Einheit MW) nicht von elektrischer Arbeit (Einheit MWh) unterscheiden kann, kolportiert BILD hier ein weiteres Mal das Märchen von der Windkraftanlage, die viele Haushalte (in diesem Fall 4.000) ein Jahr lang mit Strom versorgen könne.

Wir kennen ja bereits zur Genüge Sprüche wie: „Wind und Sonne schicken keine Rechnung“ oder „10 Windräder können soundsoviele Haushalte mit Strom versorgen“ und ähnlichen Unsinn, denn allgemein dürfte bekannt sein, dass „Stromversorgung“ eines Industrielandes mit einem Wechselstrom-Verbundnetz eben bedeutet: unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte Versorgung – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr – und nicht Strom, wenn gerade mal der Wind weht und die Sonne scheint. Nutzungsgrade von Onshore-Windkraftanlagen bewegen sich in Deutschland (je nach Windeinzugsgebiet – einen Überblick bekommt man beim Global Wind Atlas) üblicherweise zwischen 0,16 und 0,25, für Photovoltaik dürften die Nutzungsgrade noch weitaus geringer ausfallen.

Und leider geht es offenbar bis heute in manche Köpfe partout nicht hinein, dass man zum Betrieb eines landesweiten Wechselstrom-Verbundnetzes grundlastfähige Kraftwerke benötigt – also Kern-/Kohlekraftwerke, Laufwasserkraftwerke und ggf. Biogasanlagen – und darüber hinaus zur Bereitstellung von Regelenergie (Residuallast) üblicherweise schnell regelbare Gas- und Pumpspeicher-Kraftwerke. Abgesehen davon, dass dabei immer mindestens 25 Prozent der Kraftwerksleistung (in Deutschland ca. 15 bis 20 GW) durch Großkraftwerke mit rotierenden Läufern erzeugt werden müssen, um – und das ist unabdingbar – eine stabile Netzfrequenz von 50 Hz gewährleisten zu können. Wie komplex dieser Prozess der Netzfrequenzstabilisierung ist, hat Achgut-Autor Dr. Peter Heller bereits 2018 in seinem Artikel „Wie das mit dem Strom so funktioniert – und wie nicht“ ausführlich erläutert.

Das Zauberwort heißt „Versorgungssicherheit“ – hier am Beispiel der über 100 Jahre alten Laufwasserkraftanlage im Niezelgrund (Landkreis Sächsische Schweiz) – siehe Titelfoto –, die noch heute mit einer einzigen Francis-Spiralturbine ca. 25 Prozent der Haushalte der Gemeinde Lohmen – zumindest rein rechnerisch – mit Elektroenergie versorgt. Und zwar rund um die Uhr, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr (abgesehen von wenigen Wartungsstunden, an denen die Turbine dann abgeschaltet wird). Regenerative Energie, die ihren Namen verdient! Dieses kleine alte Kraftwerk ist grundlast- und sogar schwarzstartfähig.

Aber wir wurden ja bereits 2019 vom Bundesumweltministerium darüber belehrt: „Grundlast wird es im klassischen Sinne nicht mehr geben. Wir werden ein System von Erneuerbaren, Speichern, intelligenten Netzen und Lastmanagement haben.“ Leider gibt es sie nicht, die „Speicher noch und nöcher“, auch wenn Energie-Märchenfee Claudia Kemfert nachts davon träumt.

Und unser großartiger Energiewendeminister Robert „Waschen-wenn-der-Wind-weht“-Habeck setzt die Prioritäten ohnehin anders: „Wenn jemand an dem Vormittag, wo der Wind weht, die Wäsche wäscht und dann hat das nichts gekostet außer Waschpulver und Wasser, das ist das Versprechen, das wir einlösen müssen“.

Das Wort „Versorgungssicherheit“ sollte man dann allerdings endgültig aus dem Energie-Wortschatz streichen.

Titelfoto: Wasserkraftanlage Niezelgrund, Fotografie © Stefan Klinkigt, 2022

 

Stefan Klinkigt, Baujahr 1956, geboren und aufgewachsen in Sachsen, studierte damals Bauingenieurwesen (mit Abschluss als Dipl.-Ing.). Lebt nach 26 Jahren Rheinland seit 2015 wieder in Sachsen und arbeitet als bildender Künstler, Kommunikationsdesigner und Fotograf. Für Achgut als Autor, Lektor und Karikaturist tätig. Streift mehrmals in der Woche mit der Kamera in der Sächsischen Schweiz herum.

Foto: Stefan Klingikt

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Leo Hohensee / 17.05.2024

Nun gut, ich kann ja googeln unter “Wasserkraftanlage Niezelgrund”. Gerne hätte ich aber in diesem Artikel etwas erfahren über die Technik eines, und dieses Laufwasserkraftwerks. Das Wort war mir bis heute unbekannt.

Peter Krämer / 17.05.2024

Wenn der Wind mal drei Wochen nicht weht, fängt die Unterhose schon an zu müffeln.

Ingo Bieberstein / 17.05.2024

>>Das heißt konkret: Die neue Anlage könnte 4.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen.<< Das heißt für eine Millionen-Stadt 250 der Naturflächen tötenden Riesenspargelstangen bei konstantem Wind. Märchenstunde. Wie wäre es, wenn sich unsere Justiz mal der lügenden und betrügenden Energiewende-Profiteure annehmen würde? Aber Justitia ist blind. Ich würde sogar sagen, sie ist schon vor Jahren verstorben.

Nikolaus Neininger / 17.05.2024

Noch eine Ergänzung: Selbst ohne Grüne sind vernünftige Maßnahmen in Deutschland durch Bürokratie bedroht. Die Linachtalsperre Im Südschwarzwald war 1925 fertiggestellt worden und bis 1969 in Betrieb, danach wurde das Wasser abgelassen. Dies gesamte Anlage blieb aber unverändert bestehen. Als die Staumauer Anfang der 2000er saniert und das Kraftwerk mit den zwei Francisturbinen wieder in Betrieb genommen werden sollte, verlangte die Behörde eine komplette neue wasserrechtliche Genehmigung mit allen Schikanen, als sei es ein kompletter Neubau. Dabei war die einzige wesentliche Maßnahme die Restaurierung und Abdichtung der Staumauer. Das Kraftwerk läuft seit 2008 im Normalbetrieb, Leistung 0,6 MW,

Anton Weigl / 17.05.2024

Die Sonne schickt keine Rechnung, dafür aber EON eine Gesalzene. Ich habe mir das immer dazu gedacht, wenn ich irgendwo ” Die Sonne schickt keine Rechnung” gelesen habe. Zur Zeit liest man das wieder auf manchen Wahlplakaten.

Olaf Hüffner / 17.05.2024

Der Autor hat es doch eingangs genannt: “vor Hundert Jahren…” . Das war 1924, also Deutsches Reich - und daher “voll Nazi”. Demnach werden solche Fakten geflissentlich von die linken Vollhonks an den “international ausgerichteten Exzellenzuniversitäten” auf dem Siedlungsgebiet Deutschland ignoriert und lieber die nächste Demo gegen Kapitalismus, Sexismus und hastenichgesehen -ismus organisiert. Das Wort Versorgungssicherheit hat lediglich Relevanz bei deren Finanzen.

A. Ostrovsky / 17.05.2024

>>Und leider geht es offenbar bis heute in manche Köpfe partout nicht hinein, dass man zum Betrieb eines landesweiten Wechselstrom-Verbundnetzes grundlastfähige Kraftwerke benötigt – also Kern-/Kohlekraftwerke, Laufwasserkraftwerke und ggf. Biogasanlagen – und darüber hinaus zur Bereitstellung von Regelenergie (Residuallast) üblicherweise schnell regelbare Gas- und Pumpspeicher-Kraftwerke. << Mal von Fachmann zu Fachmann: E geht in keinen einzigen Kopf hinein. Die einen wollen nur Grundlastkraftwerke und ignorieren die Möglichkeiten der Wasserkraft als Regelleistung sträflich, andere hintertreiben in terroristischer Weise die Erdgaslieferungen, die man leider für Gaskraftwerke immer noch braucht. Es gibt sogar Fachleute, die behaupten, man könne auch Kernkraftwerke in weitem Bereich “mit der Blindleistung” regeln, aber nicht beachten, dass die vom Reaktor erzeugte Leistung immer abgeführt werden muss, um einen schweren Störfall zu vermeiden. Wenn man die Reaktorleistung nicht schnell genug und nicht in ausreichenden Grenzen regeln kann (und das kann man nicht) ist alles Ingenieursgerede von Blindleistung Unsinn!! Die Konsequenz des ganzen Geredes. Es gibt nicht nur das Kriterium der Versorgungssicherheit, das falsch ständig als “Grundlast” übersetzt wird, es gibt auch die zwingende Notwendigkeit, Schwankungen des Verbrauchs mit denen des Angebotes ins Gleichgewicht zu bringen. Das wird immer mit der Netzfrequenz übersetzt. Aber das Absinken der Netzfrequenz bei steigender Last ist nur bei drehenden Massen ein Zusammenhang. Die Stabilisierung der landesweiten Netzfrequenz WÄRE heute mit ELEKTRONISCHEN Mitteln in den Wechselrichtern möglich, wenn nicht immer wieder veraltete Konzepte durchs Dorf getrieben würden, wenn nicht “Umweltschützer” den Bau von Gleichstrom Höchstspannungs Trassen (mit entsprechenden Wechselrichtern) ständig blockieren würden und wenn es in Deutschland noch einen fähigen Entwickler gäbe. DEUTSCHLAND HAT KEINE FACHKOMPETENZ! Alles veraltet!

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