Noch immer rätselt man in Großbritannien, wie es dazu kommen konnte, dass sich der Konservativen-Chef David Cameron so über seinen “Lieblings-Think Tank” Policy Exchange aufregen konnte. Zwei Theorien kursieren in der englischen Blogosphäre:
1. Cameron und Policy Exchange haben alles nur inszeniert.
Das glaubt jedenfalls der Guardian-Kolumnist David Hencke. Die Verbindungen seien für die Öffentlichkeit zu eng und offensichtlich geworden, weshalb es einen öffentlichen Clash brauchte, um dann doch klammheimlich weiter zusammenzuarbeiten.
2. Policy Exchange wurde heimlich von Liberaldemokraten unterwandert.
Das ist die Theorie des Daily Telegraph-Kolumnisten Jonathan Isaby, die dieser in nicht weniger als drei Akten vorträgt (Teil 1, Teil 2, Teil 3).
Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen Insider, der die ganze Wahrheit kennt - es war schließlich mein Bericht. Nur leider ist die Wahrheit - wie fast immer - viel langweiliger als jede Verschwörungstheorie.
Die Zusammenarbeit mit Tim Leunig hatte sich ergeben, nachdem wir schon länger im Bereich der Wohnungsbaupolitik miteinander zu tun hatten. Dass Tim ein LibDem-Mitglied war, das wussten wir - aber es war uns vollkommen egal. Wir suchten einen guten Wissenschaftler für unseren Bericht und keinen Wahlkämpfer, und an Tims akademischer Qualifikation gibt es keinen Zweifel. Wenn Mr Isaby glaubt, die Liberaldemokraten hätten einen Tory-Think Tank für ihre Zwecke gekapert, dann überschätzt er im Übrigen die strategischen Fähigkeiten der Liberaldemokraten.
Aber auch Mr Hencke lebt in einer wilden Verschwörungstheorienwelt. Der Bericht war nämlich nicht mit den Konservativen abgestimmt. Warum auch? Wir wollten eine Debatte anregen und keinen Wahlkampf führen. Von David Camerons Reise in den Norden Englands hatten wir übrigens erst wenige Stunden vor der Veröffentlichung erfahren und das auch eher durch Zufall. Der Veröffentlichungstermin wiederum stand seit Wochen fest und war lediglich so gewählt, dass er nicht mit anderen Publikationen unseres Instituts kollidiert. Eine Abstimmung unserer Terminpläne mit dem Kalender des Tory-Chefs hingegen gibt es nicht.
Wenn man solche kruden Theorien in irgendwelchen Blogs lesen würde, dann wäre das nichts Besonderes. Dass sich aber mit dem Guardian und dem Daily Telegraph zwei der führenden Tageszeitungen Großbritanniens an diesen Spekulationen beteiligen, finde ich trotzdem bemerkenswert. Aber wie bereits erwähnt befinden wir uns im Sommerloch.