Tobias Kaufmann / 10.02.2007 / 11:18 / 0 / Seite ausdrucken

Verletzte Gefühle und reale Politik

Wie so oft, wenn von islamischen Aktivisten und Politikern heilige Stätten, wertvolle Tabus oder religiöse Gefühle geschützt werden müssen, steht auch im Falle der Empörung um die Bauarbeiten am Jerusalemer Tempelberg nichts weiter als profane Realpolitik dahinter. Das wäre ja so weit nicht dramatisch – so läuft politische PR nunmal. Dass Problem ist, dass auf die künstliche Empörung nicht nur irgendwelche Dummbatze hereinfallen, denen man Fraitags offenbar alles erzählen kann, sondern dass sie auch unter uns Westlern auf seufzende Anteilnahme stößt, bevor sich jemand mal die Mühe gemacht hat, sich beispielsweise den Ort des Geschehens genau anzuschauen – wozu gibt es Google Earth? “Müssen diese Israelis auch immer provozieren?” Ja, müssen sie. Denn die Jerusalemer Stadtverwaltung ist für die Gläubigen aller drei monotheistischen Religionen in der Altstadt verantwortlich. Sie kann es sich nicht leisten, dass ein paar neugierige Christen aus Bad Harzburg am Tempelberg von einer windschiefen Brücke fallen. Deshalb baut die Stadt eine neue Brücke. Und wie in der westlichen Welt üblich, lässt sie Archäologen die wichtigsten historischen Wetgegenstände aus der Erde klauben, bevor sie einen Pfeiler setzt. Das ist alles ein total normaler Vorgang. Es sei denn, islamische Eiferer übernehmen das Ruder, die seit Jahren nichts unversucht lassen, jeden belastbaren Hinweis auf eine jüdische Geschichte des Geländes zu vertuschen, auf dem die Al-Aksa-Moschee steht. Das ist der eigentliche Hintergrund der Krawalle in “Al-Kuds”: Die Grabungen am Tempelberg kratzen nicht am Fundament der Al-Aksa-Moschee, sondern am muslimischen Exklusivanspruch auf Jerusalem. Und da kann es sich dann offenbar selbst Mahmud Abbas nicht nehmen lassen, zum “Tag der Wut” aufzurufen. Pierre Heumann hat dies auf Spiegel Online sehr treffend zusammengefasst.
Nicht erstaunlich, aber doch immer wieder bemerkenswert ist übrigens die Nicht-Reaktion der christlichen Kirchen auf das Thema. Die neue Brücke ist für die nicht-muslimischen Besucher gedacht – also vor allem christliche Touristen, denn Juden dürfen dort oben sowieso nicht rumlatschen. Aber statt darauf hinzuweisen und ein bisschen Dampf aus dem Kessel zu nehmen, halten sich die Kirchen fein raus. Geht sie ja nix an, wenn die fanatischen Moslems und die sturen Juden sich mal wieder prügeln.

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