Thilo Schneider / 29.04.2021 / 17:00 / Foto: Timo Raab / 43 / Seite ausdrucken

„Verletzt und allein“ oder Ursel in Ankara

Stellen Sie sich vor, Sie sind Chefin eines der größten und potentesten Wirtschaftsräume der Welt. Stellen Sie sich weiter vor, Sie haben eine Einladung von einem Despoten einer – nennen wir sie freundlich – paranoiden Viertelmacht erhalten, die unbedingt Ihrem Club beitreten will, wenn Sie sie nur unterwürfig genug darum bitten. Sie fahren also mit Ihrem auf maximal 6 Monate gewählten Ratspräsidenten (einer Art „Versammlungsleiter“ für die Dauer der Vorstandswahlen in einem Kaninchenzuchtverein) nach Königspalasthausen und dann… dann bittet der potente Potentat quasi Ihren Chauffeur neben sich und weist Ihnen einen Platz auf einem Bänkchen irgendwo im Raum zu. Fernab des Geschehens.

Was würden Sie tun? Sitzenbleiben? Oder aufstehen und sagen „´tschuldigung, aber hier gibt es eine Verwechslung. Der, den Sie da neben sich sitzen haben, hat nichts zu sagen. Sie können bei ihm nur die Limousine bestellen! Wenn Sie wichtige Dinge zu besprechen haben, dann kommen Sie entweder hierher zu mir auf die Couch oder ich hole mir jetzt Schnittchen von Ihrem Mangelbüfett und fahre dann wieder heim. Anlaşıldı? Kam das an?“ Außer natürlich, Sie erfüllen drei Voraussetzungen: Sie sind Deutsche, Sie sind eine Frau und Sie wurden nicht in Ihr Amt gewählt. Dann setzen Sie sich brav aufs Bänkchen, zerknüllen mit Zornestränen in den Augen Ihr Taschentüchlein und versuchen tapfer und mit zusammengekniffenen Lippen dem Gespräch zu folgen, das die beiden Knallbacken da führen.

Ursula von der Leyen, das ungewählte und ungeliebte, aber kompromisspreisgekrönte Präsidentinnenoberhaupt der Europäischen Kommission, ist lieber auf der Couch sitzengeblieben und hat die Beine artig übereinandergeschlagen. Dabei sah sie aus wie eine Schülerin vor dem Rektor, der ihr gesagt hat, dass sie nachsitzen muss. Weil er sonst einen Brief an ihre Mutti schreibt. Ratspräsident Charles Michel hat unterdessen die ohnehin kaum vorhandene belgische Galanterie vergessen und sich, fett wie ein Speckbrötchen grinsend, neben den Reis der Türkei drapiert. Tja. Dumm gelaufen.

Wäre ich jetzt Ursula „Uschi“ von der Leyen, dann wäre ich nach dem Gespräch wieder heimgefahren und hätte, wenn ich schon vor Ort kein Drama hätte daraus machen wollen, jetzt auch den Mund gehalten. „Nachkarten“ ist nur was für Loser. Shit happens, Schwamm drüber, do better next time.

„Mensch, Uschi... Du weißt doch, wer der Babo ist!"

Aber nein. Wieder im heimischen Brüssel wird’s gefühlig. „Ich fühlte mich verletzt und allein gelassen“, maunzt die Eurouschi in die Mikrofone. Nochmal: Wir reden hier nicht über die Zweitplatzierte bei „Germanys Next Topmodel“, wir reden hier über die Präsidentin der EU-Kommission, wir reden über eine Spitzenpolitikerin einer der mächtigsten interstaatlichen Organisationen der Welt. Und die „fühlte“ sich „verletzt und allein gelassen“. Da rührt sich doch bei mir der männliche Beschützerinstinkt, der die Frau in den Arm nehmen und ihr sagen will: „Mensch, Ursula… Ist doch nicht so schlimm. Du weißt doch, wer der Babo ist. Du hättest doch damit rechnen können oder sogar müssen. Du kennst den Türkenmann doch nicht erst seit gestern. Nimm es nicht persönlich. Oder doch: Nimm es persönlich. Er hält dich vielleicht einfach für eine dumme Pute, und du hast nichts, aber auch gar nichts getan, um ihn zu widerlegen. Eierlikör?“ „Trösten“ kann ich! 

Undenkbar, dass eine Margaret Thatcher oder eine Madeleine Albright so mit sich hätten umgehen lassen. Die hätten den Kameraden beim Tee einfach sitzen gelassen, hätte er noch so getobt. Und eine Woche später wäre die Royal Navy oder die Sechste Flotte in die Dardanellen eingelaufen. Aber nein, der deutsche Mittelmaas hat sich einmal mehr auch hier manifestiert. „Selbst schuld, du Leuchte!“ möchte man der Sofaursel zurufen. Dem Ganzen aber noch die Narrenkappe aufzusetzen und in Brüssel jetzt ob der eigenen Dummheit und Unfähigkeit mit dem Tenor „Ich als Frau bin verletzt“ zu lamentieren, ist noch ein Tacken obendrauf. Es ist peinlich. Es ist zum Fremdschämen. Von der Leyen mag eine gefühlige Frau sein, das steht ihr zu – nur sollte sie dann nicht einen derart hohen Posten bekleiden, der ein Durchsetzungsvermögen und eine Willensstärke erfordert, die sie augenscheinlich und offensichtlich nicht hat. Es gibt keinen einzigen Grund, sich vor der Türkei und speziell vor Erdogan kleinzumachen – oder kleinmachen zu lassen.

Wenn aber heute die Hauptqualifikation für ein politisches Amt darin besteht, weiblich zu sein oder sich wenigstens weibisch zu benehmen (Gruß an den sensiblen Herrn Lindh an dieser Stelle), dann ist UvL natürlich wieder eine gute Besetzung. Denn mehr hatte sie augenscheinlich bisher auf keinem einzigen ihrer zahlreichen Posten und Pöstchen vorzuweisen. Allerdings könnten wir dann auch die Zweitplatzierte von Germanys Next Topmodel oder gleich Heidi Klum nehmen. Die wäre nämlich unter Garantie aufgestanden: „Recep, ich habe heute leider kein Pressefoto für dich. Für dich geht es leider nicht in die nächste Verhandlungsrunde. Alles Gute! Mwah, mwah!“ und Kusshand und Abgang. Das wären die Bilder gewesen, die wir gerne gesehen hätten. Um dann auf Nachfrage wieder daheim in Brüssel zu erklären: „Recep wer? Kenne ich nicht! Ist wahrscheinlich nicht so wichtig.“   

(Weitere lyrische Leyern des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Christa Born / 29.04.2021

Och Uschi mach kein Quatsch! Ich habe geweint, als ich das gesehen habe, allerdings waren es Lachtränen. Soviel zum Thema: der Islam gehört zu Schland, Uschilein. Wir werden uns noch wundern.

Hans-Peter Dollhopf / 29.04.2021

Nicht auszudenken, was ihr bei Boris, dem Leibhaftigen, Großvater Osmane, in 10 Downing Street widerfahren wäre. Sie wäre wohl in hautärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung. Schwein gehabt!

Wilfried Cremer / 29.04.2021

Sehr geehrter Herr Schneider, ich habe zuerst Soforsell gelesen und an meiner Allgemeinbildung gezweifelt. Aber: Vielleicht ist das ihr neuer Name, denn jeder Wechsel geht. Nur homo Richtung hetero ist nicht erlaubt. Das ist der Endsieg unserer Medien, in deren Arsch die Politik sich wie der Fisch im Wasser aufführt. „Freie“ Medien sind aber stets vom Stern der Weltmacht angeblitzt, und Weltmacht ist, wer seine Sprache durchsetzt. Den Rest muss man sich denken.

Claudius Pappe / 29.04.2021

Herr Schneider , gut das sie auf dem Weg der Besserung sind…............Genial…................. Hab ich doch glatt Euro….uschi gelesen. ..............................................PS. : Bei uns in der Stadt hat man festgestellt, das* ``: ; ” ss 90 Straßen Männernamen und nur 14 Straßen Frauennamen haben. Die CDU will das zugunsten der Frauennamen ändern….PS. : Woanders hat man festgestellt, das* ``= : ; ” ss das Nato-Alphabet zu viele ” deutsche ” Männernamen hat. Also weg mit Anton, Ludwig oder Ida und Martha…......her mit Muhamat, Eische, Mesut oder Ilkay…......................

Bernhard Krug-Fischer / 29.04.2021

Also, Herr Schneider, überlegen Sie mal, was Sie da schreiben. „Undenkbar, dass eine Margaret Thatcher oder eine Madeleine Albright so ….eine Woche später wäre die Royal Navy oder die Sechste Flotte in die Dardanellen eingelaufen.“ Die beiden Damen hatten „Zugriff“ auf die Marine, Frau Flintenuschi hat in ihrer Position gar nix. Und wenn sie noch Verteidigungsministerin wäre, hätte sie auch keine Schiffe schicken können, da sie die Marine ja abgewrackt hat. „Selbst schuld, du Leuchte!“ kann bzw. muss man der Sofaursel zurufen.

Jan des Bisshop / 29.04.2021

Jaja die Uschi, ach tut mir die Uschi leid da besucht sie den lieben Recep, obwohl der in Syrien Unruhe stiftet und statts dass der sich geehrt fühlt, muss siebei den Schnittschen hinter ihm anstehen, wahrscheinlich war auch noch der Tee zu schwach. Ist doch alles sehr traurig für die Uschi, sie hat mein Mitleid, ich trauere wirklich mit Uschi, wie kann der Hans oder Wurst, jedenfalls der Grüßaugust, der mit ihr dabei war, um die Honeurs zu machen, wie kann der nur und sie, ist es wirklich war, sie musste aufs Bänkchen, ach Gott da kann man in Brüssel schon mal weinen, ob ihr jemand ein Taschentuch gereicht hat oder musste sie sich das auch erbetteln.

Dr. med. Jesko Matthes / 29.04.2021

You bet their sweet cheeks, so sind sie, die Eltern und die Lehrer der woken Generation Schneeflocke: Prinzessinnen auf der Louis-Seize-Staatssofa-Erbse. Alles bedauernswerte Opfer, Erniedrigte und Beleidigte - zum Brüllen komisch, nicht ernst zu nehmen. - Golda Meir. Gebt mir Golda Meir!

Hubert Bauer / 29.04.2021

Ich bin mal gespannt, wie es zugeht wenn Kanzlerin Baerbock mit Außenminister Habeck zum Antrittsbesuch nach Ankara kommen.

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