Ein mutmaßlicher Unfall am Donnerstag und mehrere Anschläge in der Nacht zum Freitag haben den ohnehin nicht eben zufriedenstellend laufenden Bahnverkehr in Deutschland noch heftiger als gewohnt beeinträchtigt. Die Sabotage geht laut Bekennerschreiben von Linksextremisten aus.
Zahllose Zugausfälle und Verspätungen aus allen möglichen Gründen von „Personen im Gleis“ über „verspätetes Personal aus vorheriger Fahrt“ bis zu „Reparatur am Zug“ sind Millionen Bahnkunden gewohnt. Gar nicht schön, wenn dann noch selbsternannte „Revolutionär_innen“ meinen, einen „realen Angriff auf das ausbeuterische System“ ausführen zu müssen,„als Experiment aber auch als Vorschlag [sic!], die lokalen Kämpfe gegen Neokolonialismus und Klimazerstörung zu intensivieren.“
Der Kampf gegen den globalen Kapitalismus, insbesondere in der „kapitalistischen Metropole Hamburg“ sah dann so aus: Die „Revolutionär_innen“ verursachten an drei verschiedenen Stellen Brände in Kabelschächten, die zu „möglichst langfristigen Ausfällen oder Einschränkungen beim Transport von zum Beispiel im Zuge neokolonialer Ausbeutung und erdzerstörendem Extraktivismus beschafften Rohstoffen führen“ sollten, wie es die Täter in ihrem Selbstbezichtigungsschreiben auf Indymedia formulierten.
Die wegen ihrer linksextremistischen Inhalte von Verfassungsschutzbehörden beobachtete Plattform ist natürlich genau das richtige Medium für die Kämpfer von linksaußen, ist sie doch aus „globalisierungskritischen“ Bewegungen hervorgegangen. „Der globale Kapitalismus wird diesen Planeten weiter zerstören, ob nun mit fossilen Energieträgern oder der neuen „grünen“ Erdausbeutung“, schreiben die Täter. Darauf, gegen die „neokoloniale Ausbeutung“ zu Felde zu ziehen, wollen sie nicht verzichten, auf die Kommaregeln hingegen schon:
„Als Revolutionär_innen sehen wir uns hier in der Verantwortung den Reichtum des globalen Nordens anzugreifen. Wir sollten das Fortlaufen der kapitalistischen Industrie in ihrem Herzen sabotieren wo es nur geht.“
Wann tritt das erste „Kommando Luisa Neubauer“ in Erscheinung?
Wenig Verständnis bringt der Leiter Konzernsicherheit der Deutschen Bahn, Hans-Hilmar Rischke, für die Motivation der Saboteure auf: „Wir verurteilen den Brandanschlag auf unsere Infrastruktur heute Nacht in Hamburg auf das Schärfste“, wird er in der FAZ zitiert. „Menschen, die mit uns reisen möchten – mit einem der klimafreundlichsten Verkehrsmittel –, sind massiv von Zugausfällen und Verspätungen betroffen und erreichen ihre Ziele nicht.“ Was den kapitalismuskritischen Kämpfern aber offensichtlich ziemlich egal ist. Anschläge auf die ohnehin marode Infrastruktur im Land mehren sich schon länger, nicht nur, wenn man die gefährlichen Eingriffe der „Letzten Generation“ in den Straßen- und den Flugverkehr dazuzählt. So sagte schon ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt im Oktober 2022 aus gegebenem Anlass:
„In der Vergangenheit gab es immer wieder Anschläge gegen die Infrastruktur der Deutschen Bahn – ganz häufig aus dem linksextremen Bereich.“
Anschläge auf die Bahn – das ist, als träte man einer durch zehn Messerstiche und vier Schüsse geschwächten Person noch zusätzlich in die Kniekehle. Nicht schön! Aber man sollte nicht hoffen, dass die vollkommen mit dem Kampf gegen rechts und gegen missliebige Mitarbeiter beschäftigte Innenministerin Nancy Faeser jetzt kapitalismusfeindlichen Linksextremisten aufs Dach steigen könnte, nur um einen einigermaßen funktionierenden Fernverkehr zu gewährleisten. Vielmehr passt die Aktion ins Muster der Planetenretter. „Der globale Kapitalismus wird diesen Planeten weiter zerstören, ob nun mit fossilen Energieträgern oder der neuen ,grünen' Erdausbeutung“ ist ein Satz, der auch aus dem Munde der mehr oder weniger telegenen, von den Medien hofierten „Klimaaktivistinnen“ stammen könnte. Mal sehen, wann die erste Terror-Gruppierung als „Kommando Luisa Neubauer“ in Erscheinung tritt.
Bereits am Donnerstagvormittag hat übrigens eine beschädigte Oberleitung ein stundenlanges Bahnchaos am Münchner Hauptbahnhof und damit massive Zugausfälle und Verspätungen verursacht, weil offenbar ein Baggerfahrer bei den Bauarbeiten für eine S-Bahn-Strecke mit dem Auslegearm seiner Baumaschine den Fahrdraht abgerissen und damit den Zugverkehr zu dem Bahnknotenpunkt weitgehend lahmgelegt hatte. Jetzt ermittelt die Bundespolizei gegen den Baggerfahrer wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Er sollte sich tunlichst damit herausreden, das Klima retten zu wollen.
Immerhin wird dem Bahnreisenden dieser Tage erspart, mit einem Axt- oder Messerangriff (etwa hier und hier) oder einer chaotischen Evakuierung über Stunden rechnen zu müssen, wenn der Zug gar nicht erst kommt.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.