Martina Binnig, Gastautorin / 23.07.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

Verheerendes EU-Zeugnis für die Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn ist derart heruntergewirtschaftet worden, dass sie deutlich unzuverlässiger und unpünktlicher ist, als die Züge im europäischen Durchschnitt. Das hat jetzt auch die EU offiziell festgestellt.

Was während der Fußball-Europameisterschaft mehr als offensichtlich wurde und für reichlich internationalen Spott gesorgt hat, ist nun auch offiziell von der Europäischen Kommission bestätigt worden: Die Deutsche Bahn ist derart heruntergewirtschaftet worden, dass sie in puncto Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit weit unter dem europäischen Durchschnitt rangiert. 

Allerdings wurde diese Nachricht eher versteckt veröffentlicht, nämlich in einer Pressemitteilung zu den neuen Leitlinien für die EU-Fahrgastrechte vom 22. Juli. Darin ist der dezente Hinweis auf eine europaweite Fahrgast-Umfrage (Eurobarometer Spezial 543) enthalten, die nach Ländern aufgeschlüsselt wurde. Die Ergebnisse fallen für Deutschland denkbar blamabel aus: 72 Prozent der Bahnreisenden in Deutschland haben in den vergangenen zwölf Monaten mindestens eine Störung erlebt.

Im EU-Durchschnitt waren es nur 47 Prozent. 37 Prozent waren von Zugausfällen betroffen (EU-Durchschnitt: 20 Prozent), 41 Prozent von einer um ein bis zwei Stunden verspäteten Abfahrt (EU: 25 Prozent). Und 15 Prozent waren mit einer Verspätung von über zwei Stunden konfrontiert (EU: sieben Prozent).

Wer will denn so kleinlich sein?

Im Vergleich zur EU-Umfrage von 2019 hat sich die Anzahl der Bahnreisenden in Deutschland, die mindestens eine Störung erlebt haben, um eklatante 21 Prozent erhöht. Bei den Flugreisen entsprechen die Erfahrungen deutscher Reisenden hingegen ungefähr dem EU-Durchschnitt. Die Überarbeiteten Auslegungsleitlinien zu Fluggastrechten umfassen nun vor allem einen neuen Abschnitt über massive Reiseunterbrechungen („massive travel disruption“). Außerdem wurden die Leitlinien zu den Rechten von Flugreisenden mit Behinderungen und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität ergänzt. In erster Linie geht es jedoch darum, die Vorschriften EU-weit zu harmonisieren. 

Für Bahnreisende gilt übrigens nach wie vor die Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr aus dem Jahr 2021. In deren Ausnahmeregelung heißt es allerdings einschränkend: „Die EU-Länder können bestimmte Bahndienste davon ausnehmen, nämlich Stadt-, Vorort-, Regional- und Inlandfernzüge sowie Züge, die ausschließlich für historische oder touristische Zwecke eingesetzt werden.“

Doch wer will so kleinlich sein, altmodische Pünktlichkeit von der Bahn zu erwarten? Schließlich geht es ihr um viel mehr. Um die Rettung des Weltklimas zum Beispiel. So wurden auch die gewohnten roten Seitenstreifen der ICE grün überklebt, um zu zeigen, dass die  Züge mit 100 Prozent Ökostrom fahren und Zugreisen aktiven Klimaschutz bedeuten. Noch deutlicher bringen es nur die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) auf den Punkt, die auf die Fenster ihrer Bahnen Slogans anbringen wie diesen: „Nicht immer pünktlichAber rechtzeitig zur Verkehrswende.“

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Ilona Grimm / 23.07.2024

@janblank: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch”, stammt nicht aus Goethes Feder, sondern ist auf Hölderlins Mist gewachsen und in seinem Gedicht „Patmos“ verewigt.  | „Es irrt der Mensch, solang er strebt“ stammt indes von Goethe (Faust)).

Rolf Mainz / 23.07.2024

Aber, aber: die Deutsche Bahn hat “sogar mehr CO₂ eingespart, als sie sich selbst ursprünglich einmal vorgenommen hatte. Und sie soll auch mehr Frauen in Führungspositionen gebracht haben. ” (BR-Zitat) All dies ergab “Bonus-Punkte* für die Boni zehntausender Beschäftigter im Unternehmen. Na also, wenn kümmern da noch ausfallende oder verspätete Züge, ich bitte Sie.

M. Corvinus / 23.07.2024

Wie der Herr, so’s G’scherr ...

Jochen Lindt / 23.07.2024

Die Bahn wurde nicht von woken Linken kaputtgemacht, sondern von den Verkehrsministern der CSU.  Wer will dass die Bahn wieder auf die Gleise kommt, der kann alles wählen, nur nicht CDU/CSU.  Sieht man ja auch den Forderungen, die neuerdings von Merz bis Söder zum Thema kommen: Bahn verteuern, Strecken stillegen, Bahn kaputtsparen.  Das gehört nun mal zum Wertekanon der CDU/CSU.

Torsten Wilde / 23.07.2024

In diesem Zusammenhang möchte ich, für mich selbst völlig überraschend, mal eine Lanze für Herrn Weselsky brechen. Der hat der Weltwoche ein Interview gegeben, auf welches man über “«Ich halte von der Brandmauer gar nichts»: Lokführer-Boss Claus Weselsky über Deutschland” bei YT landet. Wer eine Stunde Zeit investieren kann, wird wahrscheinlich Herrn W von einer Seite kennenlernen, die er ihm bisher nicht zutraute.

Lutz Herrmann / 23.07.2024

Jetzt wäre es mal interessant, die Störungsursachen mit anderen Ländern zu vergleichen. Ist die Hardware kaputt gespart worden? Oder ist der Lokführer übermäßig häufig nicht erschienen?

Franz Klar / 23.07.2024

Wer mehr Geld für ein systembedingt komplexes ( weil nicht autarkes ) und somit teures   Infrastrukturmodell des 19. Jahrhunderts fordert , muß auch sagen , woher das Geld kommen soll . Sagt auch die Autorin nix zu . Mein Tipp : “Subventionssoli” auf den Verbrennerkraftstoff des überlegenen ( weil autarken selbststeuernden ) Systems Straßenverkehr des 20. Jahrhunderts aufschlagen . Moin und Servus auch ...

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