Von Erol Özkaraca.
„Die Achse des Bösen“ bat mich, einen Artikel über Sinan Selen, den neuen, designierten Vizechef des Verfassungsschutzes zu schreiben. Warum ich? „Na, Du hast ihn doch auf Facebook so hoch gelobt.“ Nee, ist klar! Ich habe ihn nicht hoch gelobt, war meine Antwort. Ich finde es gut, und ich finde es richtig, dass eine solche Position nach 50 Jahren Einwanderung auch von einem Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte besetzt werden kann, weil er die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Endlich!
Er ist Jurist, hatte in diversen Tätigkeiten vom Personenschutz für die führenden Köpfe dieses Landes bis hin zur konkreten Terrorbekämpfung der Behörde gedient, der er nun als Vize vorstehen soll. Nichts ist bisher bekannt geworden, das ihn fachlich oder charakterlich von einer Führungsaufgabe auch in einer sensiblen Behörde ausschließen dürfte.
Für seine besondere Eignung dürfte ebenfalls sprechen, dass der Touristikriese TUI, der naturbedingt besonderen Sicherheitsrisiken ausgesetzt ist, seine Dienste in Anspruch nahm. Aus meiner politischen Arbeit weiß ich, dass gerade in der deutschen Politik ein ausgeprägter Hang zur Verharmlosung des Islamismus und der Gefahren des islamistischen Terrors existiert. Gerade unter den türkischstämmigen Menschen gibt es jedoch auch einen sehr hohen Anteil an Gegnern des politischen Islams, die genügend eigene Erfahrungen mit den von diesem ausgehenden Gefahren sammeln durften, sei es in Deutschland, sei es in der Türkei, sie dadurch deutlich sensibler für diese Gefahren sind, sie diese früher und in ihrer komplexen Gesamtheit erkennen und über besondere Motivation verfügen, diese Gefahren in all ihrer Komplexität entschieden und effektiv zu bekämpfen.
Ihr habt bei weitem nicht alle Türkischstämmigen hinter Euch!
Der feige Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin hat gezeigt, dass Bundesverfassungsschutz und auch einige Verfassungsschutzämter der Länder strukturelle Mängel im rechtzeitigen Informationsaustausch und in der Einschätzung von Gefährdern und Gefahrenlagen haben und offensichtlich auch dann keine Zusammenarbeit zu den Polizeibehörden besteht, wenn schwere Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar bevorstehen. Gerade aber auch in einer Zeit, in der die islamistische Regierung in der Türkei versucht, Spitzel in die deutschen Behörden – vor allem in die Geheimdienste – zu schleusen, ist ein solcher Mann nicht grundsätzlich falsch. Im Gegenteil! Es ist ein wichtiges und richtiges Signal, das auch an die Türkei gesendet wird. Wir gewinnen die Menschen für unsere Werte, die wir gemeinsam entschlossen verteidigen werden! Fühlt Euch nicht zu sicher! Ihr habt bei weitem nicht alle Türkischstämmigen hinter Euch!
Die Verleumdung und der Hass, der ihm im Netz, in einigen Medien und von einigen Politikern entgegengebracht wurde, ist nicht nur der wahre Grund, warum ich mich genötigt sah, über ihn und diese Personalie beim Bundesverfassungsschutz „euphorisch“ zu schreiben. Sie ist ein weiterer und nicht zu unterschätzender Grund, warum er – oder besser einer wie er – überfällig ist.
Nicht nur die Bedrohung für die Werte unserer Verfassung von außen hat sich verändert und zugenommen, sondern auch die von innen. Menschen wie er sind Zielscheibe von links, weil sie den verfassungsfeindlichen, politischen Islam bekämpfen und von rechts, weil sie nicht deren „völkischem Ideal“ entsprechen. Gut so! Auch für die Bekämpfung dieser Gefahren dürfte er ausreichend motiviert sein. Aber der wahrscheinlich wichtigste Grund, der nach meiner Auffassung für einen wie Selen spricht, ist, dass nur einer wie er das durch den NSU-Skandal verlorenen gegangenen Vertrauen in den Verfassungsschutz wieder herstellen kann.
Er besitzt an diesem Punkt bei dieser Aufgabe wahrscheinlich das größte Vertrauen. Ich jedenfalls freue mich für den Bundesverfassungsschutz und für ihn und wünsche ihm von ganzem Herzen die Unterstützung, die er bei der Bewältigung dieser ganzen Problemlagen braucht.
Erol Özkaraca war von 2011 bis 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er war über zwei Jahrzehnte Mitglied der SPD. Der Neuköllner Ex-Abgeordnete trat 2017 aus Protest aus der Berliner SPD aus. Seine Facebook-Seite finden Sie hier.