Gastautor / 07.12.2018 / 06:18 / Foto: unbekannt / 78 / Seite ausdrucken

Verfassungs-Schützer Sinan Selen: So einer war überfällig

Von Erol Özkaraca.

„Die Achse des Bösen“ bat mich, einen Artikel über Sinan Selen, den neuen, designierten Vizechef des Verfassungsschutzes zu schreiben. Warum ich? „Na, Du hast ihn doch auf Facebook so hoch gelobt.“ Nee, ist klar! Ich habe ihn nicht hoch gelobt, war meine Antwort. Ich finde es gut, und ich finde es richtig, dass eine solche Position nach 50 Jahren Einwanderung auch von einem Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte besetzt werden kann, weil er die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Endlich! 

Er ist Jurist, hatte in diversen Tätigkeiten vom Personenschutz für die führenden Köpfe dieses Landes bis hin zur konkreten Terrorbekämpfung der Behörde gedient, der er nun als Vize vorstehen soll. Nichts ist bisher bekannt geworden, das ihn fachlich oder charakterlich von einer Führungsaufgabe auch in einer sensiblen Behörde ausschließen dürfte. 

Für seine besondere Eignung dürfte ebenfalls sprechen, dass der Touristikriese TUI, der naturbedingt besonderen Sicherheitsrisiken ausgesetzt ist, seine Dienste in Anspruch nahm. Aus meiner politischen Arbeit weiß ich, dass gerade in der deutschen Politik ein ausgeprägter Hang zur Verharmlosung des Islamismus und der Gefahren des islamistischen Terrors existiert. Gerade unter den türkischstämmigen Menschen gibt es jedoch auch einen sehr hohen Anteil an Gegnern des politischen Islams, die genügend eigene Erfahrungen mit den von diesem ausgehenden Gefahren sammeln durften, sei es in Deutschland, sei es in der Türkei, sie dadurch deutlich sensibler für diese Gefahren sind, sie diese früher und in ihrer komplexen Gesamtheit erkennen und über besondere Motivation verfügen, diese Gefahren in all ihrer Komplexität entschieden und effektiv zu bekämpfen. 

Ihr habt bei weitem nicht alle Türkischstämmigen hinter Euch! 

Der feige Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin hat gezeigt, dass Bundesverfassungsschutz und auch einige Verfassungsschutzämter der Länder strukturelle Mängel im rechtzeitigen Informationsaustausch und in der Einschätzung von Gefährdern und Gefahrenlagen haben und offensichtlich auch dann keine Zusammenarbeit zu den Polizeibehörden besteht, wenn schwere Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar bevorstehen. Gerade aber auch in einer Zeit, in der die islamistische Regierung in der Türkei versucht, Spitzel in die deutschen Behörden – vor allem in die Geheimdienste – zu schleusen, ist ein solcher Mann nicht grundsätzlich falsch. Im Gegenteil! Es ist ein wichtiges und richtiges Signal, das auch an die Türkei gesendet wird. Wir gewinnen die Menschen für unsere Werte, die wir gemeinsam entschlossen verteidigen werden! Fühlt Euch nicht zu sicher! Ihr habt bei weitem nicht alle Türkischstämmigen hinter Euch! 

Die Verleumdung und der Hass, der ihm im Netz, in einigen Medien und von einigen Politikern entgegengebracht wurde, ist nicht nur der wahre Grund, warum ich mich genötigt sah, über ihn und diese Personalie beim Bundesverfassungsschutz „euphorisch“ zu schreiben. Sie ist ein weiterer und nicht zu unterschätzender Grund, warum er – oder besser einer wie er – überfällig ist. 

Nicht nur die Bedrohung für die Werte unserer Verfassung von außen hat sich verändert und zugenommen, sondern auch die von innen. Menschen wie er sind Zielscheibe von links, weil sie den verfassungsfeindlichen, politischen Islam bekämpfen und von rechts, weil sie nicht deren „völkischem Ideal“ entsprechen. Gut so! Auch für die Bekämpfung dieser Gefahren dürfte er ausreichend motiviert sein. Aber der wahrscheinlich wichtigste Grund, der nach meiner Auffassung für einen wie Selen spricht, ist, dass nur einer wie er das durch den NSU-Skandal verlorenen gegangenen Vertrauen in den Verfassungsschutz wieder herstellen kann. 

Er besitzt an diesem Punkt bei dieser Aufgabe wahrscheinlich das größte Vertrauen. Ich jedenfalls freue mich für den Bundesverfassungsschutz und für ihn und wünsche ihm von ganzem Herzen die Unterstützung, die er bei der Bewältigung dieser ganzen Problemlagen braucht.

Erol Özkaraca war von 2011 bis 2016 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er war über zwei Jahrzehnte Mitglied der SPD. Der Neuköllner Ex-Abgeordnete trat 2017 aus Protest aus der Berliner SPD aus. Seine Facebook-Seite finden Sie hier.

Foto: unbekannt

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Leserpost

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Peter Robinson / 07.12.2018

Als ich angefangen habe, den Artikel zu lesen, habe ich nur auf dieses absurde Argument gewartet: In einer Zeit wenn wir mit Islamismus zu kämpfen haben brauchen wir solche Leute. Dem stimme ich ganz und gar nicht zu.

Uta Buhr / 07.12.2018

@Thomas Weidner. Ich hoffe, lieber Thomas Weidner, dass Sie mit Ihrer Prognose recht behalten werden, dass unser einst so liebenswertes Land erst im dreißig Jahren total islamisiert sein wird. Diesen Zeitpunkt werde ich aufgrund meines Alters nicht mehr erleben müssen. Manchmal ist die frühe Geburt eben doch eine Gnade.

Hans-Jürgen Stellbrink / 07.12.2018

Herr Selen mag gut für diesen Job geeignet sein. Störend an dieser Berufung ist nur die hymnische Würdigung seiner besonderen Qualifikation aufgrund seines Migrationshintergrunds. Das erinnert ein wenig an die Würdigung unserer Kanzlerin, die ja eine ach so weise weibliche Politik betreiben würde. Solche Beweihräucherungen erzeugen ein gewisses Misstrauen, wenn man bedenkt, dass er mit Sicherheit nicht der einzige Qualifizierte ist, und dass solche Entscheidungen immer ein politisches Kalkül beinhalten, das ja offensichtlich auch aufzugehen scheint. Lassen wir Herrn Selen seine Arbeit machen. Seine Berufung ist auf keinen Fall ein Skandal, offensichtlich nicht zu beanstanden (allerhöchstens das recht durchsichtige politische Kalkül dahinter). Der wahre Skandal ist, dass sein Vorgänger gehen musste, weil er die Wahrheit über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zum “Hase”-Video gesagt hat. Wenn jemand die Kaiserin darauf aufmerksam macht, dass ihre schönen neuen Kleider Fake sind, muss er eigentlich nur in einer Monarchie gehen….

Marc Blenk / 07.12.2018

Lieber Herr Özkaraca,  wegen taktischer Erwägungen gegenüber einer gesellschaftlichen Gruppe, oder wegen des in Mode geratenen Proporzes einzustellen, verbietet sich bei der Vergabe des Postens. Mir persönlich ist es schnurz, welchen ethnischen Hintergrund der Chef des Verfassungsschutzes hat. Weil es schlicht egal ist. Allein die Befähigung darf Gradmesser sein. Andere ethno - kulturelle - und politische Erwägungen haben außen vor zu bleiben. Man kann nicht der Befriedung einer gesellschaftlichen Gruppe wegen ein Einstellungskriterium aufstellen. Die am stärksten völkisch eingestellte Gruppe im Land ist übrigens der Großteil der türkischen community. Die meisten Türken halten sich noch als 4.  Generation für türkisch. (Deutsch - Chinesen sind dagegen schon als Einwanderungskinder in der Regel und in jeder Hinsicht Deutsche). Folgendes Szenario: Es gäbe neben Karrenbauer, Spahn und Merz noch einen Yilderim zu wählen. Und nun würde ein anderer CDU - Politiker des redlichen Ansinnens wegen, völkisch denkende autochthone Deutsche stärker in die Gesellschaft zu integrieren, - (von denen es nebenbei weniger in Deutschland gibt als völkisch orientierte Türken, obwohl es wohl 15 mal mehr autochtone Deutsche im Land gibt) -, empfehlen, lieber nicht den türkischstämmigen, sondern einen der drei autochthonen Bewerber zu wählen, weil sich sonst die völkisch orientierten Deutschen womöglich ganz von der Gesellschaft abwendeten. Natürlich wäre der Aufschrei berechtigterweise groß und derjenige der das vorschlug, bis zu seinem Lebensende ein böser Rechter und Rassist. Man kann Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund, die seit mehreren Generationen hier leben, nicht integrieren. Man kann auch Leute, die gerade angekommen sind, nicht integrieren. Das müssen sie schon selbst tun. Und da ist nebenbei die von deutsch -  autochthonen Generationen geformte Kultur nun mal der Maßstab. Und nicht nur die deutsche Sprache, wie Frau Özuguz beleidigend meinte. Aber das wissen Sie.

Sandra Müller / 07.12.2018

“Gerade unter den türkischstämmigen Menschen gibt es jedoch auch einen sehr hohen Anteil an Gegnern des politischen Islams, die genügend eigene Erfahrungen mit den von diesem ausgehenden Gefahren sammeln durften, sei es in Deutschland, sei es in der Türkei, sie dadurch deutlich sensibler für diese Gefahren sind, sie diese früher und in ihrer komplexen Gesamtheit erkennen und über besondere Motivation verfügen, diese Gefahren in all ihrer Komplexität entschieden und effektiv zu bekämpfen.” Sehr geehrter Herr Özkaraca, Ihr Wort in Gottes Ohren (egal welchen Gottes, übrigens). Aus eigener Erfahrung kann ich dies insofern bestätigen: Eine Kollegin von mir ist türkischer Abstammung, allerdings ist sie Alevitin (keine Muslemin). Sie macht sich zunehmend Sorgen um den sich hier immer weiter ausbreitenden (politischen) Islam. Ihr Problem ist, lt. eigener Aussage, dass sie oftmals mit “den Muslimen” in einen Topf geworfen wird, dabei ist sie in jeder Hinsicht hervorragend integriert und hat mit Religion überhaupt nichts am Hut. Sie geht - u.a. das schätze ich sehr an ihr - sehr locker mit Vorurteilen um und macht sich einen Spaß daraus. Vorurteilen mit Humor zu begegnen und dann die (vermeintlichen) “Gegner” mit Verhaltensweisen oder Aussagen positiv zu überraschen, ist in meinen Augen sowieso die einzig richtige Art und Weise, um spannungsgeladene Situationen zu entschärfen. Und, wer weiß, vielleicht trifft den ein oder anderen eine erhellende Erkenntnis - im POSITIVEN Sinne. Interessant wurde es einmal, als eine andere, ebenso türkischstämmige Kollegin, allerdings ihrerseits Muslemin, und meine Kollegin türkisch-alevitischer Abstammung in einen Konflikt gerieten… Einen zu fahlen Beigeschmack hinterlässt noch die Causa Maaßen bzw. auf welche Art und Weise dieser aus seiner Position geschasst wurde. Insofern kann ich mich (noch?) nicht für Herrn Selen begeistern, lasse mich aber gern positiv überraschen.

Walter Schmidt / 07.12.2018

Und meinen Sie, Herr Özkaraca, dass sich Herr Selen gegenüber “bio-deutschen” Subjekten, die in seinen Kompetenzbereich fallen werden (z.B. die AfD), völlig neutral und sachlich verhalten wird?  Das glaube das nicht! Und deswegen lehne ich einen Hrn. Selen als Vize-Verfassungsschutzchef entschieden ab.

Annegret Weiß / 07.12.2018

Also mir ist es gleichgültig, ob Herr Selen einen Migrationshintergrund hat oder nicht. Einzig seine fachliche, aber auch seine charakterliche Qualifikation zählen. Steht er zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung? Ist diese für ihn im Zweifelsfall entscheidend, auch, wenn seine Religion in bestimmten Bereichen evtl. andere Werte verordnet? Das ist in Bezug auf den Islam leider grundsätzlich fraglich. Herr Selen sollte aber in erster Linie als Individuum betrachtet werden. Es kann ihm nicht die gesamte Fragwürdigkeit und Widersprüchlichkeit des Islams angelastet werden. Allerdings muss er sich bewähren. Sollte sich herausstellen, dass seine persönlichen Überzeugungen und die Grundprinzipien unserer Demokratie sich beißen, so dass seine Handlungen und Entscheidungen ersteren entsprechen, muss er direkt abgesägt werden. Aber das gilt natürlich auf für jeden anderen Menschen in dieser Position.

P.Steigert / 07.12.2018

Mit solchen Postenbesetzungen habe ich dieses Problem: Neben der alten Fragestellung “mehr rechts oder mehr links” kommt immer mehr die Frage “mehr deutsch oder mehr türkisch” ins Spiel. Und hier betrifft dies sowohl den (mir bislang unbekannten) Autor des Textes als auch den beschriebenen Verfassungschutzkandidaten. Dass Türken oder Türkischstämmige in Deutschland die gleichen Interessen haben sollen wie Deutsche, nehme ich niemanden ab, schon gar nicht einem Autor, der sich im Linkssprech austobt.

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