Jede Frau, die iranisches Territorium betritt – und dazu zählt nicht nur das eigentliche Staatsgebiet, sondern auch Schiffe, Flugzeuge und diplomatische Vertretungen der Islamischen Republik Iran – ist verpflichtet, ein Kopftuch zu tragen. Dies gilt für Iranerinnen ebenso wie für Nichtiranerinnen, für Mosleminnen gleichermaßen wie für Nichtmosleminnen. - - Wie die Iranerinnen selbst zu dieser ihnen auferlegten Pflicht stehen, das konnte ich vor etlichen Jahren auf verschiedenen Flughäfen in Europa und Fernost beobachten. Sobald die Lautsprecher verkündeten: „Der Flug Iran Air Nr. soundso nach Teheran ist zum Einsteigen bereit“, zogen die vor dem betreffenden Schalter wartenden Frauen (an der Sprache als Perserinnen zu erkennen) hastig ihren Lappen aus dem Handtäschchen und bedeckten ihr bis dahin unverhülltes schwarzes Haupthaar. Einige versahen anschließend ihre kleinen Töchter mit der Keuschheitsbinde. Gleichzeitig war deutlich festzustellen, wie die zuvor angeregt schwatzenden und lachenden Frauen sich plötzlich in bitterernste, fast hätte ich geschrieben: düstere Gestalten verwandelten. - - Wer einmal Augenzeuge eines solchen Schauspiels war, der weiß, wie es um die Freiwilligkeit des Kopftuchtragens (von Burka & Co. rede ich gar nicht erst) bestellt ist…
Man kann von Alice Schwarzer ja halten, was man will (Stichwort: Steuerhinterziehung), und nicht immer stimmen vorangetragene Moral und tatsächliches Verhalten überein. Aber in ihrer verachtenden Haltung zum Kopftuch als Unterdrückungssymbol des gelebten Islam ist sie sich seit dem Sturz des Schah-Regimes treu geblieben. Das verdient Respekt und Hochachtung, zumal in unserer moralisierenden Zeit, in der alle Errungenschaften der Emanzipation mit kruden Begründungen einer vermeintlichen Toleranz über den Haufen geworfen werden. Wie schreibt Samuel Schirmbeck in seinem lesenswerten Buch zum Islam „Gefährliche Toleranz“ so treffend: „Das Kopftuch - ein Leichentuch für die „68er““.
Auch Frauen in Deutschland können das Pech haben, hier an einen Muslimen zu geraten, der seine Weltanschauung (Religion will ich das nicht nennen, denn es kann nicht unter die verfassungsmäßige Religionsfreiheit fallen) so ernst nimmt, dass er sie umbringt, wenn sie es wagen, sich nicht mehr als sein Eigentum zu betrachten und ihn zu verlassen. Und ist es freiwillig zu nennen, wenn Mädchen in der Schule sich ein Kopftuch anziehen, um dem Druck der Familie und dem Mobbing der männlichen muslimischen Schulkameraden zu entgehen? Natürlich ist das Kopftuch ein Symbol für diese Unterdrückung, selbst dann, wenn einige Frauen es sich freiwillig anziehen. Als solches, als Symbol also, sollte es verboten sein. Auch das Hakenkreuz ist ja nicht einfach deshalb erlaubt, weil es Menschen gibt, für die dies nur ein Sonnensymbol darstellt.
Sie haben es auf den Punkt gebracht, Herr Roland. Die entscheidende Frage bei gesellschaftlichen Konventionen ist nämlich nicht, was geschieht, wenn ich sie einhalte, sondern, welche Sanktionen haben diejenigen zu befürchten, die sie nicht einhalten. Und je härter diese Sanktionen sind, desto repressiver ist eine Gesellschaft. Dieser Umstand der hohen Repression dürfte größtenteils auf Länder zutreffen, in denen das Kopftuchtragen eine Konvention ist. Schon deshalb sollte sich jede Frau bei uns überlegen, ob sie ein Kopftuch trägt (selbst aus vermeintlich modischen Aspekten). Denn letztlich legitimiert sie damit Repression und Unterdrückung. Mein Großvater pflegte zu sagen: “Beurteile niemanden nach seiner Kleidung - aber gehe davon aus, daß Du nach deiner Kleidung beurteilt wirst.”
Alice stammt nun mal aus einer Zeit, in der Stringenz im Denken als Tugend galt. Nicht mehr so unter den heutigen Aktivisten, diesem Neuadel, dem es ohnehin noch nie ums Denken ging, sondern nur um die Macht. Und nichts anderes als eine Machtdemonstration ist das, was Alice widerfahren ist: „Fresse sonst Beule“ à la social media.
Sehr geehrter Herr Roland, dass Alice Schwarzer einmal in der rechten Ecke auftaucht, hätte ich nicht erwartet. Ich bin sehr gespannt, wie lange das Kasperletheater mit dem Kopftuch weitergeht. Im Iran müssen Frauen in das Gefängnis, wenn Sie kein Kopftuch tragen und hier kloppen sich die stolzen Muslimas, damit sie bloß schnell unter das Kopftuch kommen. Verückte Welt. MfG Nico Schmidt
Wie wär’s mit einem Kompromiss? Kopftuch an und Brüste frei! (Denken Sie jetzt nicht an Merkel!)
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