„Verantwortungsvoller Journalismus“

Vorbei sind die Zeiten, da irgendein Propagandaministerium den Journalisten befahl, Lügen zu schreiben. Die Sache läuft jetzt gaaanz, gaaanz anders. Der österreichische Presserat bietet unerfahrenen Kollegen Tipps, wie sie auf Linie bleiben, falls sie angesichts der üblen Tatsachen mal nicht so sicher sind. „Checkliste“ heißt so etwas neckisch, sozusagen Correctness für Dummies.

Bei dieser Checkliste geht es selbstverständlich um etwas sehr Edles, nämlich „verantwortungsvollen Journalismus“. „Verantwortungsvoll“ ist so ein Giftwort wie Toleranz: Angestrahlt von moralischem Glanz, wirkt es als höchst effizientes Machtinstrument, um Tatsachen zu verbiegen, Leute zu bedrängen und politische Süppchen zu kochen. „Verantwortungsvoll“ kommt gleich hinter „nicht hilfreich“ – der berühmten Mundtotmachung durch Machthaberin Merkel.

Verantwortungslos ist es zum Beispiel, wenn „durch meine Berichterstattung/meine Wortwahl jemand gekränkt oder beleidigt werden könnte“. Könnte! So steht es wörtlich in der Checkliste. Also schön vorsichtig sein und im Zweifelsfall besser gar nichts schreiben, da das Gekränkt- und Beleidigtsein zur wichtigsten Waffe im öffentlichen Leben geworden ist. Und es braucht gar keine Gekränkten und Beleidigten mehr, es reicht ja schon, daß es sie geben könnte.

Es kommt noch dicker: „Habe ich geprüft, ob ich Informationen, die Vorurteile schüren könnten, weglassen kann, ohne den Sinn und den Wahrheitsgehalt der Geschichte zu verändern oder das Verständnis der Leserinnen und Leser zu beeinträchtigen?“, lautet die presserätliche Denk- und Handlungsanleitung. Verantwortung zeigt sich im Weglassen! Das ist die neue journalistische Maxime. Nur wenn Weglassen absolut unmöglich ist, „ohne den Sinn und den Wahrheitsgehalt der Geschichte zu verändern“, dann und nur dann, ingottesnamen, schreibmahaltwas. Aber bittschön: ist das Verständnis der Leserinnen und Leser wirklich beeinträchtigt, wenn da bloß steht: Fünf junge Männer griffen sich im Schwimmbad ein Mädel und bedrohten den Bademeister, der eingreifen wollte?

Der österreichische Presserat hat übrigens vor einem Jahr eine Zeitung verurteilt, die berichtete, „daß der IS Anschläge in Europa plane und gezielt Leute nach Europa schicke, um islamistische Netzwerke zu fördern, Jugendliche in Moscheen zu ködern und Schläfer-Zellen zu aktivieren. Dazu wurden Fotos von Flüchtlingen in einem Zeltlager sowie einem Schlauchboot abgedruckt.“ Okay, das war ein paar Wochen bevor auch dem letzten Deppen klar wurde, daß der IS tatsächlich Anschläge in Europa plant und gezielt Leute nach Europa schickt, um islamistische Netzwerke zu fördern, Jugendliche in Moscheen zu ködern und Schläfer-Zellen zu aktivieren. Aber was hat der Presserat sich damals, im November 2015, aufgeplustert: Durch den Artikel und die Abbildungen würden Flüchtlinge als potenzielle Terroristen diffamiert und verunglimpft…

In diesem Frühjahr dann, die Kölner Silvester-„Ereignisse“ hatten sich inzwischen bis nach Wien herumgesprochen, kam der wahrhaftig alles andere als rechtsreaktionäre „Falter“ mit einem unbotmäßigen Titelblatt heraus: „In der Zeichnung sind fünf weinende Frauen dargestellt, die von einer großen Anzahl von Männern sexuell belästigt werden sowie ein Polizist, der weggedrängt wird. Eine Leserin habe sich an den Presserat gewandt und kritisiert, daß die Männer als "spezifisch nordafrikanisch portraitiert" würden. Alles Fremde werde nach Ansicht der Leserin dabei degradiert, Sexismus werde ausschließlich als muslimisches und fremdes Problem gesehen“, berichtete der „Standard“.

Und dieser „Leserin“ (eines textlosen Bildes), dieser Beschwerde-Schnalle, die sich daran störte, daß spezifisch nordafrikanische Täter spezifisch nordafrikanisch porträtiert wurden, und die zweifellos zu denen gehört, die den Kölner Dom-Gau benutzten, um sich über die Widerlichkeit weißer Männer zu ereifern, gab der österreichische Presserat vollumfänglich recht und erteilte dem „Falter“ und seiner Zeichnerin (!) eine verantwortungsvolle Rüge.

Siehe: hier und hier und hier.

Foto: Bundesarchiv/Georg Pahl CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Frank Mora / 02.12.2016

Irgendwie muß sich ja erklären lassen, daß die sogenannten traditionellen Volksparteien zwischen Boden- und Neusiedler See fast keiner mehr an der Macht sehen will, oder wie ist sonst eine Präsidentenstichwahl zwischen einem Grünen und einem “Rechtspopulisten” genannten möglich geworden? Man stelle sich einmal vor, in D gäbe es eine Direktwahl zum Präsidenten oder Kanzler und in der Stichwahl treten Claudia Roth und Frauke Petry gegeneinander an, weil Angela Merkel und Sigmar Gabriel mit um die 10% im ersten Wahlgang gescheitert sind.

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