Stefan Frank / 02.05.2016 / 06:20 / Foto: Tim Maxeiner / 5 / Seite ausdrucken

Chávez Erbe: Venezuela zu bankrott, um mehr Geld zu drucken

„Die Fehlschläge des Kommunismus“, schrieb der amerikanische Publizist William F. Buckley Jr. 1971, „werden oft mehr wie ein Witz behandelt als wie eine Tragödie. Wie etwa in dem, der derzeit im Schwange ist: Was würde passieren, wenn die Kommunisten die Sahara besetzen würden? Antwort: Nichts – für 50 Jahre. Dann gäbe es eine Sandknappheit.“ Inzwischen weiß man, dass die Sandknappheit schon eher ausbricht. Das sieht man derzeit etwa in Venezuela. Die dortige kommunistische Regierung habe nicht mehr genug Geld, um mehr Geld zu drucken, meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg:

Venezuelas epische Mangelwirtschaft ist nichts Neues. Keine Windeln, Autoteile oder Aspirin – das alles ist bekannt. Doch nun droht dem Land das Geld selbst auszugehen. … Venezuela fällt es schwer,  schnell genug neue Banknoten zu drucken, um mit der rasenden Inflation mitzuhalten. Das meiste Bargeld wird, wie fast alles in diesem ölexportierenden Land, importiert. Angesichts kritisch niedriger Devisenreserven ist die Notenbank mit ihren Zahlungen an die ausländischen Lieferanten so sparsam, dass diese drohen, keine Geschäfte mit dem Land mehr zu machen. Mit anderen Worten: Venezuela ist so bankrott, dass es vielleicht bald nicht mehr genug Geld hat, um sein Geld zu bezahlen.“

Leere Regale

Was es in Venezuela gibt, sind leere Regale. Neben Milch, Toilettenpapier, Kondomen und fast allem anderen ist neuerdings auch Bier ein Mangelartikel. Inzwischen gibt es nur noch an wenigen Stunden des Tages Elektrizität, lediglich die Hauptstadt Caracas ist von den Stromsperren ausgenommen. Um Strom zu sparen, sollen Venezuelas Behörden ab sofort nur noch zwei Tage pro Woche arbeiten – Bürokratieabbau auf ökologische Art.

Medikamente? Gibt's nicht mehr. 2014 schrieb ich an dieser Stelle, wie der Sozialismus in Venezuela zur Rückkehr der Malaria, des Denguefiebers und anderer Seuchen beigetragen hat. In den sechziger Jahren war Venezuela eines der ersten tropischen Länder gewesen, die die Malaria ausgerottet hatten, und blieb weitgehend malariafrei bis zu den ersten Jahren der Amtszeit von Chávez. Doch um diesen Zustand zu erhalten, braucht es ein aufwendiges Programm – diesen Aufwand scheuen Sozialisten. Selbst Wasser wird knapp: Tanklastwagen mit Wasser werden auf der Straße überfallen; manche trinken Wasser aus Swimmingpools. „Wasser ist jetzt Gold“, zitiert ein Reporter des „Wall Street Journal“ einen Venezolaner, der selbst einen LKW überfallen hat.

Wie im Krieg

Eigentlich sollte die Misere zu Ende sein, denn bei den Parlamentswahlen am 6. Dezember errang die Opposition eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Regierung wurde also mit überwältigender Mehrheit abgewählt. Doch mit Hilfe des ihm hörigen Verfassungsgerichts blockiert Venezuelas Präsident Maduro die Arbeit des Parlaments, regiert wie ein Diktator mit Dekreten und lässt weiterhin Oppositionelle einsperren.

Wenn die Weltpresse in den nächsten Monaten vermehrt über die Katastrophe in Venezuela berichten wird, wird es heißen: Der Ölpreis ist gefallen und das größte Wasserkraftwerk des Landes, der Guri-Staudamm, liefert wegen einer Dürre weniger Strom. Beides ist richtig. Doch ist das die Ursache des Schlamassels? Nein. Rohstoffpreise steigen und fallen seit Menschengedenken, und schon immer gab es Trockenperioden. Im Sommer 2009/2010 war der Pegel des Guri-Stausees schon einmal so niedrig. Die Regierung hatte sechs Jahre Zeit, sich dem Problem zu widmen. Sie hätte entweder in die heimische Stromindustrie investieren oder Kooperationen mit den Nachbarländern aufbauen können, damit die im Notfall Strom liefern. Doch ihre Macht zu erhalten und sich zu bereichern, waren die einzigen Dinge, um die sie sich kümmerte. 

Dass die Industrieproduktion in Venezuela – und auch die Ölförderung – immer weiter schrumpft, hat viele Gründe, die allesamt von der Regierung zu verantworten sind. Einer davon ist, dass sie keinen Devisenhandel zulässt. Sie beansprucht für sich das Recht, die einzige Instanz zu sein, die die heimische Währung, den Bolivar, gegen US-Dollar tauschen darf – zu einem von ihr bestimmten Phantasiekurs, der mittlerweile um 99,5 Prozent unter dem („Schwarz“-) Marktpreis liegt. Das wäre für jeden, der zum staatlichen Kurs Bolivar gegen Dollar tauscht, das Geschäft seines Lebens. Aber die Regierung hat gar keine Dollar, die staatliche Wechselstube existiert nur in der Theorie.

Die Devisen sind weg

Nun benötigen Venezuelas Unternehmen natürlich fortwährend Devisen, um die notwendigen Rohstoffe, Halbfertigwaren, Kapitalgüter, Dienstleistungen etc. im Ausland einzukaufen. Doch die bekommen sie nicht, denn die Devisenreserven sind aufgebraucht. So kann der venezolanische Getränkekonzern Polar jetzt etwa kein Bier mehr brauen, weil er keine Gerste kaufen kann. 

Die heimische Produktion sinkt immer weiter, und auch Importe kommen nicht mehr nach Venezuela. Es ist, als hätte in einem Krieg der Feind eine völlige Handelsblockade gegen ein Land verhängt. Doch die Wahrheit ist, dass dieser Feind im Miraflores-Palast in Caracas sitzt. Der kann die Venezolaner effektiver aushungern, als es feindliche Soldaten und Kriegsschiffe je vermöchten – wenn das Volk nicht vorher verdurstet. Venezuela führt, wie Nordkorea, der Welt wieder einmal vor Augen: Kommunismus ist lächerlich, aber kein Witz. Als Fidel Castro vor einigen Jahren gefragt wurde, ob das kubanische Modell etwas sei, das es wert wäre, exportiert zu werden, antwortete er freimütig: „Das kubanische Modell funktioniert nicht einmal bei uns.“ Hätte er das mal rechtzeitig seinem Freund Chávez erzählt.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Andreas Rochow / 03.05.2016

Danke für die komplexen Informationen über Venezuela. Vor etwa 3 Wochen hörte ich im Deutschlandfunk einen kurzen Beitrag, in dem die rationierte Versorgung mit Strom auf den “Klimawandel” zurückgeführt wurde. Es ist geradezu paradox, dass das OPEC-Land Venezuela mit seinen sprudelnden Ölquellen nicht einmal in der Lage ist, seine Bevölkerung und damit auch seine Wirtschaftsbetriebe mit Strom zu versorgen! Das ist auch Folge des Umstands, dass ein zu großer Teil des elektrischen Stroms auf der “erneuerbaren” Ressource Wasserkraft beruht, die in der Trockenzeit, die seit Jahrhunderten erst Anfang-Mitte Mai endet, durch andere Energiequellen substituiert werden müsste. In Venezuela selbst werden diese Kalamitäten tatsächlich dem “Teufel” USA, dem Kapitalismus und dem Klimawandel angelastet.

Rolf Menzen / 02.05.2016

DDR hat ja nicht einmal auf Deutsch funktioniert. Geschweige den auf Südamerikanisch.

Werner Geiselhart / 02.05.2016

Die von der UNO, dem Papst und den NGOs geplante sozialistische Umgestaltung der Weltwirtschaftsordnung, getarnt als Energiewende/vollständige Decarbonisierung der industrieellen Prozesse, würde einigen Ländern, die vom Export von fossilen Energieträgern leben, den Garaus machen, neben Venezuela auch vielen afrikanische Ländern, die sowieso am Limit sind. Dies zeigt, dass sozialistische Experimente unmenschliche Opfer fordern, die weit über dem liegen, was dem bösen Raubtier-Kapitalismus zugeschrieben wird. Die gestrige ZDF-History über Maos China sollte man eigentlich den sozialistischen Schwärmern zur täglichen Weiterbildung empfehlen: Mindestens 75 Millionen Tote durch sozialistischen Sendungs- und Gleichheitswahn und den damit verbundenen gnadenlosen Verfolgungen Andersdenkender sowie anderen Opfern der kommunistischen Planwirtschaft, die verhungert sind oder die die Arbeitsbedingungen nicht überlebt haben. Und trotzdem wird der Versuch immer wieder gemacht. Aktuell auch wieder bei uns, wo die Medien den Raubtierkapitalismus in Verbindung mit dem CO2 als Ursache allen Übels ausgemacht haben. Als Folge davon wurde die Planwirtschaft bei der Energieerzeugung eingeführt, bei der nach dem Vorbild des chinesischen “Großen Sprung nach vorn” für eine stabile Stromversorgung völlig ungeeignete Erzeugungsmethoden gnadenlos durchgepeitscht werden. Es wird bei uns zwar keine Hungersnöte geben, Stromnotstand mit allen Folgen dürfte demnächst aber zum Alltag gehören. So ist es, wenn grüne Sozialisten ohne Not einen Weg einschlagen, der ausser durch Ideologie durch nichts abgesichert ist. Und leider geht Unsere Große Vorsitzende diesen Weg unbeirrt weiter, ihre Umweltministerin ist derzeit kräftig am Planen des neuen “Großen Sprungs nach vorn”.

Horst Jungsbluth / 02.05.2016

Die “Chavistas” haben den einst trotz aller der in Lateinamerika üblichen Probleme funktionierenden Staat Venezuela in einer Weise an die Wand gefahren, dass man es gar nicht fassen kann. Trotzdem wird gerade hier bei uns noch immer davon gefaselt, dass die Armut, dort erfolgreich bekämpft und Bildung sowie Gesundheitswesen verbessert wurden. Das erinnert an das, was man uns bis kurz vor dem Mauerfall -und sogar noch heute- über das “Paradies DDR” und andere sozialistische Länder vorgegaukelt hatte.  Nun wird die nächste Legende aufgebaut, dass all das unter Chavez nicht passiert wäre, wobei gerade der mit seinen in- und ausländiscHhen Claqueuren der Hauptverantwortliche für dieses schreckliche Desaster ist, da er die einfachsten Grundregeln für das Funktionieren eines Staates außer Kraft gesetzt hat. Natürlich haben die oppositionellen Kräfte eine schwere Mitschuld, da sie jeweils nur ihr eigenes “Süppchen” kochen und die Belange des Landes und seiner Bürger ignorieren. Zum Lachen ist das nicht, da die Bevölkerung nicht nur unter schlimmsten Mangel, sondern dazu noch unter schwersten Verbrechen zu leiden hat.

Christoph Behrends / 02.05.2016

Die Bereitschaft der Menschheit, dem Sozialexperiment Sozialismus immer wieder und entgegen jeder Aussicht auf Erfolg eine neue Chance zu geben, ist verblüffend. Welches Land folgt nach dem Zusammenburch Venezuelas?

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