Venezuela: Nachhilfe für Sozialismus-Träumer

Von Klaus D. Leciejewski.

Was ist neu an der Situiation in Venezuela? Eigentlich nichts, wobei allerdings dieses „eigentlich“ einen besonderen Klang hat. Literarisch ist es verpönt, aber umgangssprachlich ruft es sofort sein Gegenteil hervor, uneigentlich, was noch weitaus stärker verpönt ist. Indessen verbirgt sich hinter der Oberfläche dieses „eigentlich“ stets jedoch etwas Neues.

Hugo Chavez wurde zuerst in einer demokratischen Wahl zum Präsidenten Venezuelas gewählt. Danach verkündete er als neue Staatsdoktrin eine „Bolivarische Revolution“ mit dem Inhalt des „bolivarischen Sozialismus“. Nach 17 Jahren enden diese sozialistischen Bestrebungen dort, wo auch sämtliche vorhergehenden sozialistischen Experimente endeten, im Verbrauch der Ressourcen, im Zusammenbruch der Wirtschaft und in Verelendung. Der Ablauf bis dorthin ist bekannt, also nicht neu.

Neu sind jedoch folgende Erkenntnisse daraus:

1. Die Kürze der Zeit, in der das reichste Land des Südamerikanischen Kontinents seine finanziellen und wirtschaftlichen Ressourcen vollkommen aufgebraucht hat.

2. Das Schweigen der westlichen linken Intellektuellen und westlicher Staaten, außer den USA, zur Zerstörung eines Landes und der Unterdrückung der überwiegenden Mehrheit eines Volkes.

3.Der rasante Verschleiß einer linken Ideologie, einschließlich der durch diese okkupierten Begriffe wie Souveränität, Gleichheit und Gerechtigkeit.

4. Die Signalwirkung auf alle anderen lateinamerikanischen Staaten, weil mit dem Verweis auf Venezuela oder irgendeiner Form von Sozialismus werden keine Wahlen mehr zu gewinnen sein.

5. Der Begriff des „Menschenhandel“ ist neu zu definieren, denn Regierungen, die aus wirtschaftlichen und politischen Gründen die Arbeitskraft ihrer Bürger zeitweise an andere Staaten verkaufen, betreiben Menschenhandel, und zwar beide, wozu die westlichen Staaten bisher geschwiegen haben.

Kurze Zusammenfassung des Ablaufs:

  • Wahl Chavez unter demokratischen Bedingungen mit populistischen Versprechungen
  • Verteilung von Finanzreserven und Erdöleinnahmen unter seinen Anhängern, den Offizieren und den ärmeren Teilen der Bevölkerung
  • Propagierung der Ideologie eines „bolivarianischen Sozialismus“
  • Umfangreiche und anhaltende Finanzierung anderer linker Regierungen Lateinamerikas, insbesondere Kubas
  • Einkauf kubanischer Mediziner und deren Einsatz in Armengebieten, um Anhängerschaft zu gewinnen
  • Aufbau paramilitärischer Strukturen zur Unterstützung des Regimes
  • Manipulation der folgenden Wahlen, insbesondere durch erhebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit
  • Entstehung wirtschaftlicher Probleme im eigenen Land mit der Reaktion weiteichender Verstaatlichungen
  • Flucht eines großen Teiles des Mittelstandes und daraus folgend Zunahme der wirtschaftlichen Schwierigkeiten
  • Offensichtliche Unfähigkeit des neuen Staatsapparates, Unternehmen zu führen
  • Tod Chavez, der von ihm als Nachfolger eingesetzte Maduro gewinnt Präsidentenwahl trotz umfangreicher Manipulation nur knapp
  • Opposition gewinnt trotz massiver Behinderungen die Parlamentswahl
  • Verfall des Erdölpreises um 50 Prozent und Rückgang der Erdölförderung um ebenfalls 50 Prozent, Einnahmen aus der wichtigsten Exportquelle sinken auf 25 Prozent, aber anhaltend größter Importeur des Erdöls bleiben die USA
  • Endgültiger Verbrauch der Devisenreserven, weitflächige Schwierigkeiten mit der Konsumgüterversorgung
  • Weltweit höchste Inflationsrate, weitgehender Zusammenbruch der Landwirtschafts- und Industrieproduktion
  • Ausbruch jahrzehntelang verschwundener Infektions- und Tropenkrankheiten, wie der Malaria
  • Monatelang anhaltende soziale Unruhen
  • Unentschlossene Reaktion des Militärapparates mit Gefahr eines Bürgerkrieges

Klaus D. Leciejewski hat an verschiedenen deutschen Hochschulen Wirtschaft gelehrt, ist Autor mehrerer Sachbücher und Publizist. Er ist mit einer Kubanerin verheiratet und lebt einen großen Teil des Jahres auf Kuba.

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Leserpost

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Martin Schau / 11.07.2017

Natürlich wird das Thema “Venezuelas Sozialismus des 21. Jahrhunderts” in den deutschen Medien überwiegend gemieden. Und wenn die sogenannten Experten darüber dozieren, dann wird behauptet, dass es sich nicht um ein sozialistisches Modell handelt. Sondern um: Staatskapitalismus (!) Alles ist dabei - die Armut, die Gewalt, der Hunger, die Willkür, die Korruption, die Kriminalität, die Misswirtschaft, die Preiskontrollen, die Enteignungen, der Schmuggel, die Wertlosigkeit des Geldes, der Zusammenbruch des Gesundheitssystems - aber das alles hat ganz und gar nichts mit Sozialismus zu tun. Niemals! Das ist die typisch linke Schizophrenie…

Andreas Huber / 11.07.2017

“.... nein, nein, das habt ihr falsch verstanden! Lasst uns den Sozialismus nochmal wagen - diesmal klappt’s bestimmt ! Ganz bestimmt!”

Winfried Sautter / 11.07.2017

Mit der Ausbeutung und dem Verkauf natürlicher, unverdienter Ressourcen allein ist nichts dauerhaft zu gewinnen. Es verleitet zum schnellen Konsum, statt zur vorausschauenden Investition. Nicht umsonst haben die ressourcenarmen Länder letztlich bisher immer den Gang der Geschicht bestimmt - Not macht erfinderisch. Und lehrt den eigentlichen Faktor des Erfolgs: Arbeit. Mal sehen, wie sich so die anderen windfall-Profiteure ihrer geologischen/geographischen Gunst entwickeln: Die Golfstaaten, das E-Mobilitäts-Musterländle Norwegen, die Südflanke der ehemaligen USSR, einige afrikanische Staaten.

Martin Landvoigt / 11.07.2017

Der schnelle freie Fall Venezuelas hat sicher auch mit dem Verfall der Erdölpreise zu tun, aber die Ursachen sind systemisch. Es ist nicht möglich, die Gesetze der Physik einfach außer Kraft zu setzen. Ebenso wenig gilt das für die Ökonomie.

Marina Blach / 11.07.2017

Das ist wahrscheinlich die treffendste Analyse, wie Sozialisten die parlamentarische Demokratie abschaffen werden? Erst die Wahlen mit der absoluten Mehrheit gewinnen, um dann im Namen des Volkes jegliche Opposition mundtot machen? Denn alles was sich rechts von der sozialistischen Wahrheit befindet, ist ja konterrevolutionär? Man hat es dann mit Rechtsextremen oder Nazis zu tun? Sicherlich mögen die Argumente je nach Land unterschiedlich sein, aber die Mechanismen sind dieselben? Den Anfängen muss man Einhalt gebieten. Wie z. B. linker Mainstream, Infiltrierung des Staates und Presse usw.?

Christoph Müller / 11.07.2017

“Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf!” Alles wie schon in der DDR erlebt.

Stefan Brinkmann / 11.07.2017

Ehrlicherweise müßte man dann auch einen Artikel über Bolivien schreiben, auch “neo-sozialistisch” regiert, mit ganz ähnlichen Handlungen und Zielen der Regierung… und da läuft’s ganz gut! Man hört nix von Knappheit oder Unruhen, im Gegenteil, die Bevölkerung ist zufrieden, es gibt stabiles Wirtschaftswachstum und es wird in Infrastruktur und Bildung investiert. Ist wohl letztendlich gar keine Frage der politischen Ausrichtung, sondern eher eine Frage der Qualität des pol. Personals…

Wilfried Cremer / 11.07.2017

Immerhin ist diese Geschichte als hoffentlich finales Lehrbeispiel geeignet. Eigentlich.

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