Chaim Noll / 23.02.2020 / 06:28 / Foto: Freud / 102 / Seite ausdrucken

Variationen des Wahnsinns

Der Täter von Hanau war offensichtlich geisteskrank, wie sein vorher aufgezeichnetes Bekenner-Video belegt, ein konfuser, bösartiger, sinnloser Rundumschlag gegen Afrikaner, Juden, Frauen und andere dem 43-jährigen Bankkaufmann verhasste Gruppen. Er bezichtigte die USA, ihre Bevölkerung durch Geheimdienste zu kontrollieren („mind control“), um ein „modernes System der Sklaverei“ zu errichten, was ihn eigentlich in die Nähe linker Ideologien rückt. Sein pathologischer Menschenhass ging so weit, dass er zum Schluss auch noch seine eigene Mutter erschoss. Das hindert die Grabenkämpfer „gegen rechts“ nicht daran, seine komplexe Geistesstörung auf ein simples Muster von „Rechtsextremismus“ und „Rassismus“ zu reduzieren. Die Medien sind sich darin einig, er hätte (um pars pro toto die Frankfurter Allgemeine vom 21.2. zu zitieren), aus „rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen.“

Dagegen war am 29. Juli 2019, als auf dem Frankfurter Hauptbahnhof ein achtjähriger Junge vor den einfahrenden Zug gestoßen und getötet wurde, die „psychische Krankheit“ des aus Nordafrika stammenden Mörders sofort entschuldigend in aller Munde. Sie bestimmte schon am nächsten Tag die Berichterstattung der deutschen Medien. Niemand hätte gewagt, dem Täter „Rassismus“ vorzuwerfen, obwohl er als Afrikaner gezielt ein weißes Kind tötete. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt weigerte sich (in ihrem öffentlichen Statement vom 28. November 2019), die Untat als „Mord“ einzustufen. „Die Staatsanwaltschaft hat gegen den 40 Jahre alten Beschuldigten keine Anklage erhoben“, berichtete die Zeitschrift Focus. „Laut einem psychiatrischen Gutachten leidet der Mann an einer paranoiden Schizophrenie, die als krankhafte seelische Störung zu werten ist. Der Gutachter geht davon aus, dass der mutmaßliche Täter zur Tatzeit schuldunfähig war.“

Die parteiische Art, wie mit solchen Verbrechen umgegangen wird, offenbart nicht nur Deutschlands tiefe Spaltung in unversöhnliche, einander hassende politische Lager, die in Tagen heraufziehender Krisen lebensgefährlich für das ganze Land werden kann, sie zeigt auch einen unzivilen Mangel an Fairness und Anstand, der die heutige politisch-mediale Landschaft in Deutschland charakterisiert. Während im einen Fall ängstlich vor einem „Generalverdacht“ gewarnt wird, ist er im anderen Fall nur allzu schnell bei der Hand. Während der eine Mord rasch mit einer psychischen Störung entschuldigt, der Mörder nicht einmal angeklagt wird, stuft man im anderen Fall einen Psychopathen als voll verantwortlich ein, als typischen Vertreter einer unliebsamen politischen Gesinnung. Das wird gedreht, wie es gerade passt. Skrupellos, wie im Reflex, ohne Erbarmen.

Als wir zu Beginn der 1980er Jahre in die Bundesrepublik Deutschland emigrierten, kamen wir in ein zutiefst friedliches Land. Jüngere Deutsche haben diese vergleichsweise Idylle nicht mehr kennengelernt. Weder Salafisten noch Neonazis waren im Alltag spürbar, man konnte ihre Existenz, wenn man wollte, erfolgreich ignorieren. Die – vergleichsweise seltenen – Anschläge der Roten Armee Fraktion waren Höhepunkte des Schreckens. Sonst ließ man einander leben, es galt als unanständig, seinen Mitbürger zu denunzieren.

Die Denunzianten sind in ständiger Bereitschaft

Zugleich haben diese Jahrzehnte in Frieden und Wohlstand das Gefahrbewusstsein in Deutschland verkümmern lassen. Islamischer Terrorismus war, wenn man sich seine Existenz überhaupt eingestand, auf Israel und die USA zurückzuführen, auf Kapitalismus und Kolonialismus, beim Islam handelte es sich um eine „Friedensreligion“, und niemanden stimmte es nachdenklich, dass sich Mohammed Atta, der Anführer der Attentäter auf das World Trade Center am 11. September 2001, ausgerechnet die vernebelte Bundesrepublik als Wohnort aussuchte, um dort, in Hamburg, zehn Jahre lang in Ruhe seine Pläne zur Vernichtung von Juden, Amerikanern und anderen ihm verhassten Menschen auszubrüten.

Heute das andere Extrem: Die politisch korrekte Öffentlichkeit Deutschlands vibriert vor Wachsamkeit. Die Denunzianten sind in ständiger Bereitschaft. „Da hat einer geschossen in Hanau, danach sieht es aus, aber es waren viele, die ihn munitioniert haben...“, findet ein prominenter SPD-Politiker. Wo freie Meinungsäußerung herrscht, klagt Claudia Roth, sind die Verbrechen nicht fern: „Es fängt an mit dem Sagbaren, und dann kommt das Machbare.“ Jakob Augstein wird konkreter: „Die Wegbereiter der Gewalt haben Namen und Adresse: Sarrazin, Broder, Tichy, und andere, die die Verrohung des Diskurses vorangetrieben haben...“

Heute gibt es zwei Arten von Wahnsinn: den anerkannten, der dazu dient, eine Untat zu entschuldigen, und den, der ignoriert wird, damit der Psychopath als Gesinnungstäter dargestellt und die Hetzjagd auf Hintermänner, Verroher des Diskurses und alle „Rechten“ eröffnet werden kann. Darüber thronen jene, die in unerschütterlicher moralischer Hoheit entscheiden, wann es sich um Wahnsinn handelt und wann um eine Gesinnungstat: Claudia Roth, Jakob Augstein und die Genossen von der SPD. Sie verkörpern die dritte Variante von deutschem Wahnsinn. Für mein Gefühl: die gefährlichste.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Test 45: 58792

Dr. Phil Omanski / 23.02.2020

Wieder ein hervorragender Artikel von Chaim Noll. Vielen Dank.

Ilona Grimm / 23.02.2020

@Harald Hotz: Bitte assoziieren Sie nicht „protestantisch“ automatisch mit „humorlos“ und „freudlos“. Ich bin auch protestantisch (praktizierend) und nehme für mich in Anspruch sowohl humorvoll und freudvoll zu sein. Das gilt im übrigen für alle wirklichen Christen, die ich kenne. „Humorlos“ und „freudlos“ sind grundsätzlich alle Linken jeglicher Couleur. Die können sich über gar nix freuen. Nicht mal über ihre derzeitige Macht.

Friedrich Kirchner / 23.02.2020

Herr Kaufmann, wo haben Sie in Deutschland gelebt ? In Bayern habe ich so etwas nicht erlebt. Die Bundesrepublik war kein Traum, aber ganz in Ordnung.

Susanne antalic / 23.02.2020

Wahnsinn ist sogar noch ein schwaches Wort für deutschlands linke, rassistische Politik, rassistisch ist nur der, der die Politik kritisiert, alle gegen rechts, rassistische linke und Islamisten sind die guten, da darf man gern Judenfeind sein, wie man Heute lesen kann, in Berlin darf keine Oldtimer Parad sein zu gunsten der AL-Quds Marsch (das sind die guten) und das haben die , die gerade gegen AFD schiessen, entschieden, also es wird auch in puntko Rassismus differenziert und das schlimmste ist, es machen die meisten mit und sogar freiwillig. Wenn Islamisten morden, sind das kranke und gehen in die psychiatrie, wenn überhaupt, wenn ein eindeutlich Irre mir rechte Gesinnung mordert, ist das gaaanz was anders, sogar bei Morden sind manche bessere und mansche schlechtere Morde. Deutschland, was ist aus dir geworden?

Zeller Hermann / 23.02.2020

Eine klare Analyse.

Thomas Brox / 23.02.2020

Die deutsche Gesellschaft ist aktuell dabei zum dritten mal innerhalb von einhundert Jahren in eine Katastrophe zu laufen. Alle drei Katastrophen waren im wesentlichen selbst verschuldet, kein nennenswerter äußerer Zwang oder Angriff (das Scheitern der DDR habe ich nicht mitgerechnet, da der Sozialismus von außen aufgezwungen war). Die aktuelle Katastrophe könnte die letzte sein: Nach dem totalen Ruin durch eine grün lackierte sozialistische Diktatur der Übergang in ein teilweise islamisch geprägtes Regime. Ist das alles ein dummer Zufall? Das dritte mal Pech, in so relativ kurzer Zeit? Sicher, alle westlichen Länder haben im Moment ziemlich tiefgreifende Probleme mit ihrem Selbstverständnis, mit ihrem politischen System. Die größte Herausforderung ist die weltweite Bevölkerungsexplosion bei schrumpfenden Ressourcen. Die meisten high-tech Gesellschaften werden aber deswegen nicht untergehen. Fairerweise muss man konstatieren, dass noch einige andere europäische Länder schwer angeschlagen sind. Aber für Deutschland sieht es ganz finster aus - wieder einmal. Was stimmt mit dieser Gesellschaft nicht?

Harald Hotz / 23.02.2020

Ich erinnere mich in letzter Zeit immer wieder an den Sommer 2006, das Sommermärchen der WM. Ich glaube, das war das erste mal, daß ich mich einfach wohl in meiner deutschen Haut gefühlt hatte: "Die Welt zu Gast bei Freunden." Das war das Deutschland, das ich mir wünsche: fröhlich, selbstbewußt, offen aus Selbstsicherheit heraus, neugierig auf die Zukunft und die Welt, sich seiner Kultur und Traditionen nicht schämend ... Da war Merkel knapp ein Jahr im Amt. Man muß sagen, sie hat ganze Arbeit geleistet: nach 15 Jahren Merkel lassen wir nun alle die Munkwinkel nach unten hängen! Diese humor -und freudlose Protestantin hat jeden Anflug barocker Lebensfreude erstickt und schickt sich jetzt an, aus uns wieder ein Volk von duckmäuserischen Denunzianten zu machen.

Weitere anzeigen

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Chaim Noll / 20.06.2025 / 06:00 / 63

Israel und die europäische Rechte

Da sich viele der etablierten Parteien Europas als schwache, um nicht zu sagen schlechte Freunde erwiesen haben, hält Israel Ausschau nach neuen europäischen Partnern. Vieles…/ mehr

Chaim Noll / 18.06.2025 / 06:14 / 76

Wie dieser Krieg Israel verändert

Israel befindet sich im Ausnahmezustand – militärisch, gesellschaftlich, politisch. Seit dem 7. Oktober 2023 prägt ein Krieg das Leben einer jungen Nation, die sich in…/ mehr

Chaim Noll / 08.06.2025 / 06:00 / 104

Wie Lessings „Ringparabel“ unser Islamverständnis trübte

Lessings „Ringparabel“ wird gerne bemüht, um die vermeintliche Gleichheit von Judentum, Christentum und Islam zu illustrieren. Doch Lessing erwies dem Westen mit dieser Geschichtsklitterung einen…/ mehr

Chaim Noll / 23.03.2025 / 10:00 / 31

Israel: Das Phänomen der “einsamen Soldaten”

Kann man Verantwortung empfinden für etwas, das man kaum kennt? Etwas eigentlich Fremdes und Fernes? In Israel gibt es das seltsame Phänomen der „einsamen Soldaten“, Mädchen…/ mehr

Chaim Noll / 13.02.2025 / 10:00 / 86

Die Lust an der Grausamkeit

Der Überfall der Hamas auf Israel konfrontierte uns mit Formen von primitiver Gewalt und Grausamkeit, die uns sprachlos machen. Während die Überlebenden der Massaker es…/ mehr

Chaim Noll / 24.01.2025 / 06:25 / 115

Tel Aviv Aschaffenburg

Auch hier in Israel erfuhr die neueste deutsche Messerattacke mediale Beachtung, schon wegen der Koinzidenz mit einem Messerangriff auf ein Straßencafé in Tel Aviv. Verletzte…/ mehr

Chaim Noll / 14.01.2025 / 10:00 / 32

Die höchst-subventionierten Menschen der Welt

Sie pflegen gern das Bild der vergessenen Opfer der Geschichte, dabei sind die Westbank-Palästinenser die pro Kopf am höchsten durch internationale Hilfsgelder subventionierten Menschen der…/ mehr

Chaim Noll / 09.11.2024 / 06:00 / 104

Amsterdam-Pogrom: Wie die Saudis durchgreifen

Die Hetzjagden auf Juden in Amsterdam werfen die Frage auf, was man tun kann. Saudi-Arabien geht viel härter gegen palästinensische Aktionen vor als Europa. Das muss…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com