Stefan Frank / 02.07.2024 / 14:00 / Foto: WikiCommons / 7 / Seite ausdrucken

USA: Niederlage für Anti-Israel-Flügel der Demokraten

Der antiisraelische Kandidat der Demokraten, Jamaal Bowman (Foto oben), verlor die Vorwahlen im New Yorker Bezirk Westchester und die New York Times macht jüdisches Geld dafür verantwortlich.

Rückschlag für die „Squad“ genannte Gruppe von Israelhassern in der Fraktion der Demokraten im US-Repräsentantenhaus: Erstmals hat einer von ihnen eine parteiinterne Vorwahl verloren und wird somit dem nächsten Parlament, das im November zeitgleich mit dem neuen Präsidenten gewählt wird und sich im Januar konstituiert, nicht mehr angehören. 

Der Abgeordnete Jamaal Bowman verlor im Bundesstaat New York deutlich gegen seinen Rivalen George Latimer, den bisherigen Landrat von Westchester County. Auf Latimer entfielen 58,6 Prozent der rund 77.000 abgegebenen Stimmen, auf Bowman 41,4 Prozent. Der Bezirk Westchester macht den größten Teil des Wahlkreises aus; ein Teil des New Yorker Stadtteils Bronx den kleineren. Seit Bowmans Sieg im Jahr 2020 wurde der Stimmbezirk neu zugeschnitten, sodass die Bronx, die Bowman als seine Basis betrachtet, weiter an Anteil verlor.

Der ehemalige Schuldirektor Bowman hatte den Sitz im Jahr 2020 gewonnen, indem er Eliot Engel, einen erfahrenen Demokraten im Repräsentantenhaus, der damals Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten war, in der Vorwahl besiegte. Wie die anderen Mitglieder des Squad wurde auch Bowman von der linken Lobbygruppe Justice Democrats aufgestellt, nachdem er sich dort beworben und ein Casting gewonnen hatte. Die Strategie der Organisation besteht darin, eigene Kandidaten auszuwählen, auszubilden und zu finanzieren, die in solchen Wahlkreisen zu den parteiinternen Vorwahlen antreten, die seit Jahrzehnten absolut sichere der Demokraten sind. Ist die Vorwahl gewonnen, ist der anschließende Einzug in das Repräsentantenhaus eine sichere Sache.

Leugnung der Hamas-Gräueltaten

Bowman hatte sich immer wieder antiisraelisch und antisemitisch geäußert. So hatte er behauptet, die Entführungen und Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 seien nicht „unprovoziert“ geschehen, was folglich bedeuten würde, dass die Opfer „provoziert“ hätten. Zudem hatte er bei einer Rede auf einer Anti-Israel-Demonstration im November die Berichte über Vergewaltigungen und sexuell motivierte Gräueltaten als israelische „Propaganda“ geleugnet; erst mehr als vier Monate später hatte er diese Aussage zurückgenommen

Antisemitische Rhetorik aufgreifend, warf er den Juden in Westchester vor, sie würden sich von der Mehrheitsgesellschaft absondern, sich zu sehr in bestimmten Vierteln konzentrieren und so den Antisemitismus fördern: „In New York City leben wir alle zusammen. [Aber] Westchester ist segregiert. Es gibt bestimmte Orte, an denen die Juden leben und sich konzentrieren. Scarsdale, Teile von White Plains, Teile von New Rochelle, Riverdale. Ich bin mir sicher, dass sie das aus ihren eigenen Gründen so entschieden haben … aber das ist der Grund, warum ich bei der Bekämpfung des Antisemitismus immer darauf dränge, dass wir so lange getrennt, ausgegrenzt und falsch erzogen wurden. Wir müssen zusammen leben, zusammen spielen, zusammen zur Schule gehen, zusammen lernen und zusammen arbeiten.“

In der Vergangenheit – vor seiner Wahl zum Abgeordneten – hatte Bowman Verschwörungstheorien über den elften September 2001 verbreitet: Osama bin Laden sei zu Unrecht beschuldigt worden, damit die USA einen Vorwand hätten, Afghanistan anzugreifen. In Wahrheit seien die Anschläge auf das World Trade Center ein Insiderjob gewesen. Bowman behauptete wahrheitswidrig, dass beim Angriff auf das Pentagon, bei dem 125 Menschen im Gebäude und alle 95 Menschen an Bord des Flugzeugs ums Leben kamen, und beim Absturz von Flug 93 in Pennsylvania, bei dem alle 44 Menschen an Bord ums Leben kamen, „nur minimale Schäden“ entstanden seien und „nur minimale Trümmer“ gefunden worden seien. Er berief sich dabei, wie die Journalistin Avery Lotz auf CNN berichtete, auf die Filme Loose Change und Zeitgeist, die auch von dem bekannten rechtsextremen Radiomoderator Alex Jones beworben wurden. 

Besorgte jüdische Wähler 

Jamaal Bowman disqualifizierte sich nach Meinung vieler auch durch sein Benehmen im politischen Tagesgeschäft. Während einer Parlamentssitzung im September 2023 löste er missbräuchlich den Feueralarm aus und erzwang so eine Evakuierung des Parlaments und der Büros. Erst eine Stunde später konnten alle zu ihren Plätzen zurückkehren, nachdem die Polizei festgestellt hatte, dass keine Gefahr bestand. Bowman wurde deswegen zu einer Geldstrafe von tausend Dollar und einer dreimonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Zudem sprach das Repräsentantenhaus mit den Stimmen der republikanischen Mehrheit und einigen wenigen demokratischen Abgeordneten eine Rüge aus. Insbesondere nach den Massakern des 7. Oktober 2023 und Bowmans harter Positionierung auf der Seite von Israels Feinden waren große Teile der jüdischen Bevölkerung des Wahlkreises in Sorge. In einem am 16. Oktober veröffentlichten offenen Brief baten sechsundzwanzig Rabbinern den langjährigen Landrat von Westchester County, George Latimer, Jamaal Bowman bei der demokratischen Vorwahl herauszufordern.

Sie schrieben: „Seit seiner Wahl hat Bowman die Bemühungen angeführt, die Unterstützung für Israel auf dem Capitol Hill und innerhalb der Demokratischen Partei zu untergraben. Deshalb wenden wir uns an Sie in der Hoffnung, dass Sie Ihre Kandidatur für den Kongress bekannt geben und unsere Werte an diesem wichtigen Sitz in Washington wiederherstellen werden.“ Im Wahlkampf warf Latimer Bowman vor, „keinen Teil des Distrikts“ gut zu vertreten: „Ich glaube, er sieht sich … als Sprecher einer bestimmten Bevölkerungsgruppe und eines bestimmten Anliegens. (…) Er redet viel über bestimmte Themen, die weit von dem entfernt sind, was ich als die unmittelbaren lokalen Bedürfnisse der Gegend betrachte.“ Bowman hatte sich in der Demokratischen Partei auch dadurch in Misskredit gebracht, dass er im Parlament gegen das Infrastrukturgesetz gestimmt hatte, eines der großen Projekte seiner Partei.

Während Bowman von vielen Wählern als radikal und wenig ernsthaft empfunden wird, profilierte sich Latimer bereits vor dem Wahlkampf als jemand, der Probleme löst. So jedenfalls berichtete es ein Team der New York Times nach Gesprächen mit Wählern in Scarsdale, Westchester. Die 63-jährige Sandra Altman sagte den Journalisten, der Vorfall mit dem Feueralarm habe sie dazu gebracht, ihren Abgeordneten nicht mehr zu mögen. Sie habe vor, für Latimer zu stimmen. „Er lässt die Partei wirklich schlecht aussehen“, sagte sie über Bowman. „Er steht am äußersten Rand und tut alle möglichen Dinge.“ Die 53-jährige Christa Mruz erklärte, sie habe 2020 für Bowman gestimmt, sich aber aufgrund von dessen Verdiensten für den Bezirk für Latimer entschieden. „Er hat Großes für Westchester geleistet und wird dies auch weiterhin auf höherer Ebene tun. Wir brauchen mehr Leute, die zusammenarbeiten, anstatt getrennt für ihre eigenen Ziele zu kämpfen.“

Zeitung macht jüdisches Geld verantwortlich

Obwohl es für den haushohen Sieg Latimers also Gründe gibt, die viel mit den Eigenschaften der Kandidaten und den regionalen politischen Anliegen zu tun haben, stellte die New York Times nach Verkündung des Wahlergebnisses das Geld in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung, mit dem die Pro-Israel-Organisation AIPAC den Wahlkampf Latimers unterstützt hatte. „Bowman unterliegt in der Vorwahl zum Repräsentantenhaus und wird von einer Flut von Pro-Israel-Geldern überrollt“, titelte das Blatt. Später wurde die Schlagzeile geändert: „Bowman unterliegt Latimer in einer Niederlage für die progressiven Demokraten.“ Es gab keinen Hinweis auf eine Korrektur oder eine redaktionelle Anmerkung und es ist unklar, wann die Änderung vorgenommen wurde.

Die Redaktion der New York Times ignorierte zudem, dass Bowman bereits Anfang April, lange bevor es die von AIPAC finanzierte Wahlwerbung gab, in einer repräsentativen Umfrage um siebzehn Prozentpunkte zurücklag – so, wie er dann auch die Wahl mit siebzehn Prozentpunkten verlor. Die Werbekampagne hat sicherlich eine Rolle dabei gespielt, Latimers Anhänger zu motivieren, sich auch tatsächlich an der Abstimmung zu beteiligen. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass die Wahlen von Geld entschieden worden wären, wie Bowman und seine Anhänger behaupten. 

Bowman selbst sprach davon, Geld habe zu einer „Gehirnwäsche“ der Wähler geführt, die angeblich Dinge geglaubt hätten, die nicht wahr seien. Als wären die Dinge, die er selbst öffentlich gesagt bzw. eingeräumt hat, nicht ausreichend, um einem anderen Kandidaten – noch dazu einem, der sich in der Bevölkerung Ansehen erworben hat – den Vorzug zu geben. Aviva Klompas, Gründerin des proisraelischen Think Tanks Boundless, kommentierte auf Twitter: „Hat die @nytimes bedacht, dass die New Yorker mit Bowmans Leistung als Kongressmitglied unzufrieden waren? Nein, natürlich nicht. Es müssen die Juden gewesen sein.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

 

Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: „Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise“ (2009); „Kreditinferno“. „Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos“ (2012).

Foto: House Creative Committee - https://www.facebook.com/CongressmanBowman Gemeinfrei, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Ralf Pöhling / 02.07.2024

Diese Feindbildergeschichte nimmt kein Ende. Und daran ist auch das Empowerment von Minderheiten nicht ganz unschuldig. Man darf nicht andauernd auf die Unterschiede zwischen den Menschen hinweisen, sondern auf ihre Gemeinsamkeiten! Dann hört das mit den einzelnen Lobbygruppen und ihren gegenseitigen Beschuldigungen auch auf. In Israel selbst funktioniert das mit Juden und Arabern gar nicht mal so schlecht. Genau genommen funktioniert das da sogar besser, als in den USA, wo sich bis heute viele immer noch nicht als Amerikaner sehen, sondern als Eingewanderte aus ganz anderen Ländern. Ohne einenden Patriotismus funktioniert der “Melting Pot” einfach nicht, weil da sonst nichts ineinander schmilzt. America First ist also gar nicht verkehrt, denn dann sind ja plötzlich wieder alle Amerikaner und nicht etwa von einander getrennte Juden, Afrikaner, Hispanics, Muselmanen oder alles, was sich irgendwie weiß definiert.

Marc Greiner / 02.07.2024

26 Rabbiner möchten also immer noch die Demokraten wählen. Dümmer gehts nimmer.

Rainer Möller / 02.07.2024

Wieso ist die Behauptung falsch, Bowman sei von jüdischem Geld überrollt worden? Frank gibt gar kein Gegenargument. Er behauptet lediglich, dieses (unbestreitbar geflossene und viele) Geld sei für Bowmans Abwahl de facto nicht ausschlaggebend gewesen. Das ist aber eine andere Schiene. Es gibt in der amerikanischen Linken eine generelle Abneigung dagegen, dass reiche Leute versuchen, über ihr Geld Wahlen zu beeinflussen; es ist die böse Absicht, die hier Verstimmung auslöst, nicht einfach der Erfolg. AIPAC und die amerikanische Linke stehen für gegensätzliche Politiken.

Wilhelm Lohmar / 02.07.2024

Was ist nur aus der New York Times geworden?

A. Ostrovsky / 02.07.2024

Es wird ja immer verworrener: Jetzt gibt es auch einen >>Anti-Israel-Flügel der Demokraten<<. Leider wissen wir nicht, wie der zur Befreiungsfront für Palästina und zur palästiniensischen Befreiungsfront stehen. Aber man kann es sich schon denken. Gibt es auch schon die Initiative “Demokraten für Demokratie” und den Stuhlkreis “Demokratie für Demokraten”? Zeit wäre es. Joe hat gesagt, es wäre ein Traum der Amerikaner, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Alle Demokraten. Wann kommt das Erwachen?

finn waidjuk / 02.07.2024

Leider haben die Vertreter der deutschen Juden sich für das genaue Gegenteil entschieden. Sie rufen öffentlich zur Unterstützung ihrer Feinde auf und lassen keine Gelegenheit aus ihre Freunde zu ihren Feinden zu erklären. Ist das schon Paranoia oder bloß pure Geldgier? Will man unbedingt wieder den bitteren Weg gehen? Wieder bis zum Ende?

Irene Luh / 02.07.2024

Jamaal Bowman ist also ein perfider Lügner und die New York Times ebenso. Man hält also die eigenen Wähler dumm und arm.

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