Roger Letsch / 02.05.2024 / 06:10 / Foto: The White House / 64 / Seite ausdrucken

USA: Ein Trump-Attentat-Förderungsgesetz

In ihrem Furor gegen den amerikanischen Ex- und möglicherweise Zukunfts-Präsidenten Donald Trump ziehen seine politischen Gegner mittlerweile sämtliche Register – bis dahin, seine körperliche Unversehrtheit zu gefährden.

Die Reihe der Autoren, die dem globalen Westen eine systemische Erschöpfung attestieren und überall bürgerkriegsähnliche Zustände diagnostizieren, ist lang. Ebenso lang die Liste derer, die diese Diagnose kategorisch abstreiten. Schließlich stellt man sich üblicherweise unter Bürgerkriegen entweder die völlige Abwesenheit von staatlicher Hoheit vor wie in Haiti oder Somalia, oder man denkt an bipolare Auseinandersetzungen und Heere, die aufeinander losgehen wie im amerikanischen Bürgerkrieg des 19. Jahrhunderts.

Nichts dergleichen geschieht heute in Deutschland oder in den USA. Wir könnten es jedoch mit einer dritten Form des Bürgerkriegs zu tun haben, in welcher eine etablierte Machtelite glaubt, am „(guten, richtigen) Ende der Geschichte“ angelangt zu sein, was einen immer stärker werdenden Hang zu Ideologisierung, Rechthaberei und zum Durchregieren zur Folge hat.

Solche Kriege verlaufen zunächst sehr unauffällig, weil es nur wenige Opfer gibt. Ein paar verhaftete Oppositionelle hier, ein paar freche, entlassene und in Grund und Boden verklagte Journalisten da… niemand verliert sein Leben, es fließt kein Blut. Widersprüche und Widerstand lassen sich lange mit Geld zuschütten. Manche Kombattanten der Gegenseite lassen sich kaufen oder geben erschöpft auf und gehen ins innere oder äußere Exil, anderen lässt man ihre Kritiken sogar hin und wieder durchgehen, um dies bei Gelegenheit als Beweis dafür vorzeigen zu können, auch von der Orthodoxie abweichende Ideen fänden noch Gehör.

Das eigentliche Schlachtfeld dieser dritten Form des Bürgerkrieges ist der Rechtsstaat. Genauer gesagt der sehr ungleich verteilte Zugang zu dessen Ressourcen. Vorteile hat hier, ähnlich wie beim Zugang zu staatlich erzeugtem Geld, wer möglichst dicht an der Quelle, also an Justiz und den weisungsbefugten Institutionen sitzt.

Egal ob Blitz, Hagel oder Stormy Daniels

Dies bekommt in USA gerade in vielfacher Weise der Kandidat der Republikaner für die Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu spüren, der gerade seinen Wahlkampf unterbrechen muss, weil ein Richter in New York City angeordnet hat, dass Trump an vier Tagen der Woche persönlich im Gerichtssaal zu erscheinen hat.

Zum Fall selbst gibt es genau zwei Positionen. Die einen begrüßen aus Prinzip jede Möglichkeit, den „Orange Man“ hinter Gitter zu bringen, um seine Chance auf Wiederwahl auszuschalten. Ob hierfür Blitz, Hagel oder Stormy Daniels als Werkzeug auftreten, ist Nebensache. Auf Rechtmäßigkeit oder Plausibilität der Vorwürfe kommt es nicht an, das Ziel rechtfertigt so gut wie jedes Mittel. Selbst die äußersten, wie wir noch sehen werden.

Die andere Position nehmen in diesem Fall buchstäblich alle Fachjuristen und Verfassungsrechtler ein, die den Fall beobachten und unisono der Meinung sind, wie sie Staranwalt Alan Dershowitz knapp und präzise formulierte: „Der einzige Zweck, dem dieser Prozess dient, ist es, Trump von seiner Kampagne fernzuhalten. Es gibt hier kein Verbrechen!“

Was man stattdessen fand, war die falsche Bezeichnung einer Zahlung in den Büchern von Trumps Firma, eine Ordnungswidrigkeit maximal, die zudem längst verjährt war. Der Generalstaatsanwalt hatte auf Bundesebene längst abgelehnt, den Fall vor Gericht zu bringen, weil es nichts anzuklagen gab. Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg jedoch, der seinen eigenen Wahlkampf ganz unter das Motto „Get Trump“ gestellt hatte, rollte den Fall dennoch aus.

Um wegen der Verjährung überhaupt etwas Greifbares zu haben, rettet man sich in eine Fristverlängerung, indem behauptet wurde, die falsche Verbuchung sei getätigt worden, um ein Verbrechen zu decken, und das verjähre nicht. Und das Verbrechen sei… irgendwie…Wahlbeeinflussung. Dass Kandidaten sich in ein besseres moralisches Licht zu stellen pflegen, ist nämlich ein völlig neues Ding in demokratischen Wahlen. Wann hätte jemals irgendwer irgendwann von so was gehört! 

Die Frage der Unvoreingenommenheit stellt sich gar nicht erst

Dazu müsste Bragg nun allerdings beweisen, dass Schweigegeld, um eine außereheliche Affäre aus den Medien herauszuhalten, immer und stets nur dem einen Zweck diene, nämlich zur Wahlbeeinflussung und niemals und unter keinen Umständen, um zum Beispiel Ärger mit Familie, Ehepartner, Kindern oder der medialen Öffentlichkeit zu entgehen. Der Beweis ist natürlich unmöglich zu führen, aber darauf kommt es in diesem Fall letztlich gar nicht an. Die Geschworenen sind es, die entscheiden, und hier wird deutlich, wie weit die systemische Erschöpfung in den USA bereits fortgeschritten ist.

Es dürfte schwer sein, auf der ganzen weiten Erde zwölf Menschen zu finden, die Trump weder kennen noch sich aufgrund der Medienberichte über ihn noch kein abschließendes Bild von ihm gebildet haben. In den USA dürfte dies sogar völlig unmöglich sein. Strengt man einen solchen Prozess noch dazu in einer Stadt an, die zu fast 90 Prozent der Wähler (und damit auch der potenziellen Geschworenen) für Trumps Kontrahenten votierten, stellt sich die Frage der Unvoreingenommenheit erst gar nicht.

Auch die Frage, ob ein Geschworener, der Trump aus tiefster Seele hasst, davor zurückschrecken würde, ihn trotz fehlender Beweise eine Weile ins Loch zu stecken. Nicht lange genug zwar, um ihn dort zu halten, denn ein Berufungsgericht würde das Urteil mit Sicherheit kassieren. Doch lange genug, um Trump von seiner Wahlkampagne fernzuhalten und ihm durch das Etikett „verurteilter Verbrecher“ von entscheidenden Wählerkreisen abzuschneiden. Wahlbeeinflussung – das nur fürs Protokoll – ist es übrigens, was man Trump in Bezug auf 2020 vorwirft. 

Die Polarisierung der Meinung in der Causa Trump ist so weit fortgeschritten, dass man die Frage, wie weit seine Gegner gehen würden, um seine zweite Präsidentschaft zu verhindern, klar mit „so weit man eben gehen muss“ beantwortet werden kann. Und man hat ja auch schon einiges in diese Richtung unternommen.

So begründete man die Eile in einige Verfahren gegen Trump mit dem 6. Zusatzartikel: Der Angeklagte habe ein Recht auf ein zügiges Verfahren. Doch dieses Recht ist kein Freibrief für Schnellprozesse, um wie erklärt noch möglichst vor der Wahl mit Trump fertig zu werden, sondern ein Abwehrrecht gegen den Staat, welches verhindern soll, dass zum Beispiel jemand ohne Prozess beliebig lange in Untersuchungshaft genommen werden kann. Dieser Artikel ist nicht der Einzige, der gegen Trump außer Kraft gesetzt scheint. Zusatzartikel 8 untersagt zum Beispiel überhöhte Kautionen und ungewöhnliche Strafen, was man im zuletzt verhandelten Immobilienprozess und im Prozess von E. Jean Carroll gegen Trump ebenfalls nicht berücksichtigt findet.

Ein Schelm, wer an einen gewissen Epstein denken muss

Im aktuell verhandelten „Hush-Money-Prozess“ drohen Trump bis zu vier Jahre Haft, und die Frage ist, was man mit ihm so alles anstellen könnte, wenn man ihn erst mal dort hat, wo man ihn unbedingt haben will: im Knast, weit weg von Social Media, Kameras und Mikrofonen. Allein in einer Zelle, entkoppelt von seinen Ressourcen und Anwälten… ein Schelm, wer jetzt an einen gewissen Herrn Epstein denken muss. Bleibt nur noch ein kleines Problem zu lösen: Trump wird, wie jeder Ex-Präsident, 24/7 vom Secret Service bewacht. Das würde ausdrücklich auch seinen Gefängnisaufenthalt miteinschließen. Aber da muss doch was zu machen sein!

Das dachte sich wohl auch Bennie Thompson, ein Kongressabgeordneter der Demokraten, der den Entwurf eines Gesetzes mit dem schönen Titel „To Terminate United States Secret Service Protection for Felons“ ins Parlament einbrachte. Unter der Nummer HR8081 gelangte der Entwurf in den Justizausschuss des Hauses. Der Entwurf des Gesetzes stammt in seiner jetzt veröffentlichten Form schon vom 11. Dezember 2023 (siehe Zeitstempel links unten im verlinkten Dokument), liegt also schon eine Weile griffbereit auf den Servern der Dems. 

Der Inhalt ist sehr knapp gehalten und kommt mit ganzen 15 Zeilen aus – eine für amerikanische Gesetzesentwürfe sehr ungewöhnliche Tatsache. Im Grunde steht dort geschrieben, dass jeder den Schutz durch den Secret Service verliert, der zu einer Haftstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt wurde. In ihren etwas ausführlicheren Erläuterungen machen die Demokraten klar, gegen wen sich das Gesetz in erster Linie richten werde. Sie kommen nie drauf, liebe Leser, wer das sein könnte!

Trump möglichst rasch ins Jenseits befördern...

Aber man zerstreut im Kommentar auch präemptiv Befürchtungen der Wähler. Die vorab formulierte Frage, ob der Gesetzentwurf nicht die Regeln der Verfassung verletze, beantworten die Dems mit: „Nein“. Das beruhigt natürlich ungemein. Zumindest all jene, die nicht glauben wollen, dass das Gesetz vor allem eines erleichtern würde: Trump möglichst rasch ins Jenseits zu befördern, wenn sich nur jemand fände, der… ich breche hier ab, denn es braucht nicht viel Phantasie, sich die eifrigen Freiwilligen vorzustellen, die sich dieser „guten Sache“ hingebungsvoll verpflichtet fühlen könnten.

Die Frage ist nun, wann und warum erhält überhaupt jemand den kostspieligen Schutz des Secret Service, und die Antwort lautet: Entweder man ist Träger von Amtsgewalt und Informationen, die besser nicht in fremde Hände geraten, oder man ist ein irgendwie wichtiger Bestandteil des demokratischen Prozesses, als Spitzenkandidat einer aussichtsreichen politischen Partei für das Amt des Präsidenten oder Vizepräsidenten zum Beispiel.

Darüber hinaus gibt es einen Ermessensspielraum für das zuständige Heimatschutzministerium, was den Schutzbedarf von Personen angeht. So setzte Jimmy Carter 1980 durch, dass Ted Kennedy bei seiner Kandidatur Schutz erhielt, nicht weil er Spitzenkandidat oder aussichtsreich gewesen wäre, sondern weil es hinlängliche historische Belege dafür gab, dass allein der Name Kennedy den bewaffneten Janhagel aus den Büschen lockt. 

Man muss außerdem berücksichtigen, was für eine finanzielle Entlastung es für einen exponierten Kandidaten ist, den Schutz und die Kompetenz des Secret Service in Anspruch nehmen zu können. Personenschutz in dieser Größenordnung kostet locker sechsstellige Beträge im Monat. Geld, das für die Kampagne fehlt. Gewährung oder Entzug dieses Privilegs kann über Erfolg oder Misserfolg einer Bewerbung entscheiden – von der Frage nach Leben und Tod ganz zu schweigen. Robert F. Kennedy Junior musste aktuell feststellen, dass man im Establishment nicht wohl gelitten ist, wenn man sich als innerparteiliche Alternative zu Joe Biden anbietet. 

Zwei geladene Handfeuerwaffen dabei

Dreimal versuchte Kennedy, unter den Schutzschirm des Secret Service zu kommen, dreimal wurden sein Antrag vom zuständigen Minister Mayorkas abgelehnt. Offiziell aus ganz formalen Gründen. RFKj sei nicht aussichtsreich genug, er erfülle einfach nicht die Kriterien. Dessen Sorgen sind jedoch nicht aus der Luft gegriffen, gerade weil auf einer seiner Wahlveranstaltungen ein Mann festgenommen wurde, der zwei geladene Handfeuerwaffen dabei hatte. Als nun unabhängiger Kandidat, der noch dazu die Partei der Dems im Groll verlassen hat, kann Kennedy jedoch nicht auf den Ermessensspielraum des Präsidenten oder seines Ministers hoffen. Dass dies natürlich alles nichts mit gar nichts zu tun hat, liest man im „Faktencheck“ von CNN. 

Sicher beabsichtigt man nichts Böses. Aber wie groß wäre wohl die Trauer, wenn es einträte? Ob nun im Fall RFKj oder in dem des Gottseibeiuns Trump. Letzterer, der als Ex-Präsident unter dem Schutz des Secret Service steht, hätte nach geltendem Recht selbst dann noch Anspruch auf dieses Privileg, wenn er verurteilt würde. Und Verurteilung hin oder her: Nicht einmal als Insasse eines Bundesgefängnisses wäre ihm die Spitzenkandidatur zu nehmen, und als solcher erfüllt er die Kriterien für den Secret Service. Ganz abgesehen davon, dass man nicht nur aus Wahlkampfgründen gern ein Auge auf Ex-Präsidenten, Ex-Ministerpräsidenten oder Ex-Kanzler hat, sondern weil sie Geheimnisträger waren und bleiben.

Hier mit Vorsatz per Gesetz ein Türchen zum Attentat öffnen zu wollen, zeigt, wie weit der Westen ganz allgemein und die Vereinigten Staaten ganz speziell auf dem Weg des Zerfalls von fair play und rechtsstaatlichen Prinzipien bereits gekommen sind. Es ist, als würde man Olaf Scholz nackt und allein auf einem Trampelpfad in der Kalahari aussetzen, um sich für dessen Vergesslichkeit in Sachen Cum-Ex zu bedanken. Wer bei dem Gedanken länger als fünf Sekunden innerlich feiern kann, sollte dringend einen Früherkennungstest für Soziopathie machen. 

Die Werkzeuge, welche sich die Exekutive durch Initiativen wie HR8081 in den USA oder dem Faeser’schen Demokratiefördergesetz in Deutschland verschaffen möchte, entspringen so offensichtlich einem totalitären Geist, dass man sich fragt, wie sicher sich deren Befürworter wohl sein können, dass eben diese Werkzeuge nie in die „falschen“, also die Hände „der Anderen“ geraten können.

Schließlich ist man in einer Demokratie immer nur einen Wahltag von der vollständigen Umkehr der Narrative entfernt, wenn es zwischen den Kontrahenten keine kleinsten gemeinsamen Nenner mehr gibt. Die logische wie ernüchternde Antwort lautet, dass man genau deshalb sicherstellen wird, dass niemals die „Falschen“ an die Schalthebel der Macht gelangen werden. Und wenn das Beugen der Regeln dafür nicht mehr ausreicht, müssen sie eben gebrochen werden. In der Konsequenz bedeutet das leider buchstäblich die Abschaffung der Demokratie im Namen ihrer Rettung. 

 

Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de.

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Olaf Dietrich / 02.05.2024

Parallelen zur hiesige AFD - Angst nicht ausgeschlossen.  Was müssen die Angst um ihre Pfründe haben!!!

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