Die Autogewerkschaft UAW mischt sich in den Wahlkampf ein und zieht vor Gericht, weil Donald Trump und Elon Musk in einem Interview Arbeiter "einschüchtern" würden. Die wirkliche Gefahr für ihre Mitglieder geht aber von der Auto-Politik der Demokraten aus.
Wer Interviews gibt und darin eine Meinung ausdrückt, die nicht allen gefällt, kann verklagt werden. Manche Leser erinnern sich vielleicht, wie die Staatsanwaltschaft Duisburg – letztlich erfolglos – einmal Henryk M. Broder auf die Anklagebank brachte. Dies geschah auf Anregung der ehemaligen Religionslehrerin Lamya Kaddor, die damals weit über Dinslaken hinaus einem Publikum bekannt war durch ihre zahlreichen Talkshowauftritte zum Thema: „Meine Schüler sind zum IS gegangen“. Warum wurde Broder, ohne dass er etwas Böses getan hätte, angeklagt? O-Ton Lamya Kaddor: „Gegenstand der Anklage war eine Äußerung Herrn Broders, wonach ich ‚einen an der Klatsche hätte‘." Kann man sich über die Überlastung der Justiz wundern, wenn sie Fragen zu klären hat wie die, ob Lamya Kaddor einen an der Klatsche hat?
Ähnlich wie Broder geht es nun dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und dem Unternehmer Elon Musk. Nachdem Musk am Montagabend ein vielbeachtetes Interview mit Trump geführt hatte, gab die amerikanische Autogewerkschaft UAW – mit rund 390.000 aktiven Mitgliedern eine der größten und mächtigsten Gewerkschaften der USA – am Dienstag bekannt, sie habe vor dem Bundesarbeitsgericht Anklage gegen Trump und Musk erhoben, und zwar wegen – man höre: „unfairer Arbeitspraktiken“. In einer Erklärung behauptet die Gewerkschaft, „dass Trump und Musk während ihres Gesprächs illegal Arbeiter bedroht und eingeschüchtert“ hätten, die sich „an geschützten Arbeitsaktivitäten wie Streiks beteiligten“.
Worum geht es?
Musk hatte in dem Gespräch gesagt, er wolle eine Kommission einrichten, die Verschwendung in der Bundesregierung untersucht – also das macht, wozu in Deutschland der Bundesrechnungshof da ist. Trump sagte, er habe mit Boeing den Preis für Ersatzflugzeuge der Air Force One heruntergehandelt, um 1,6 Milliarden Dollar zu sparen. Musk brachte erneut die Idee einer Kommission zur Effizienzsteigerung zur Sprache und sagte, er würde gerne dabei mithelfen, wenn sie zustande käme. Trump nahm sein Angebot mit den Worten an:
„Sie sind der größte Einsparer. Ich meine, ich sehe mir an, was Sie tun. Sie kommen herein und sagen: ‚Sie wollen kündigen?‘ Sie streiken, ich werde den Namen der Firma nicht nennen, aber sie streiken, und Sie sagen: ‚Das ist okay, Sie sind alle weg. Sie sind alle weg. Also ist jeder von Ihnen weg.‘ Und Sie sind der Größte. Sie wären sehr gut. Sie würden es lieben.“
Musk antwortete: „Ich würde gerne helfen.“
Gemeint war das Unternehmen Twitter, das 2022 von einer von Elon Musk geführten Investorengruppe übernommen wurde. Eine seiner ersten Maßnahmen als neuer Unternehmenschef war, dass er ein Ende der Heimarbeit verkündete: Jeder Angestellte müsse wieder mindestens 40 Stunden in der Woche im Büro sein, Ausnahmen müssten beantragt und von ihm selbst genehmigt werden. Nicht zur Arbeit zu erscheinen, so Musk, sei eine Kündigung. Einen Streik gab es nicht. Es ist nach Bundesrecht illegal, streikende Arbeiter zu feuern, und Musk hat das auch nicht getan.
Am 3. März 2022 hatte der damalige Chief Technology Officer (CTO) Parag Agrawal – bekannt durch die Aussage, Twitter fühle sich nicht an den ersten Verfassungszusatz gebunden, der die Redefreiheit garantiert, sondern wolle eine „gesündere öffentliche Konversation“ durchsetzen – den Angestellten auf Twitter mitgeteilt, die Büros öffneten wieder, aber jeder solle dort arbeiten, „wo er sich am produktivsten und kreativsten fühlt“ und zwar „für immer“. Musk schrieb am 1. Juni 2022 an gleicher Stelle: „Sie sollen woanders so tun, als würden sie arbeiten.“
Trump hat zur Beschreibung der Situation fälschlich das Wort „Streik“ benutzt, doch wohl jeder, der sich solch ein Interview anhört, weiß, um welches Unternehmen es geht und was der Hintergrund der Bemerkung ist – oder kann es leicht herausfinden. Ganz sicher wurden hier keine streikenden Arbeiter bedroht. Wenn das der Fall wäre, dann müsste es Betroffene geben, die vor Gericht aussagen können, dass sie als Angestellte Musks in einen Streik getreten sind und daraufhin von ihm bedroht wurden. Was aber ja nicht der Fall ist. Dass auch Musk verklagt werden soll, wegen etwas, das Trump gesagt hat, ist noch dubioser. Ein Beispiel für Kontaktschuld.
Gewerkschaftsführer Fein: „Trump ist ein Streikbrecher“
In einer eigentümlichen Abschweifung erwähnt die Gewerkschaftsführung in ihrer Pressemitteilung die „erheblichen technischen Verzögerungen“ des Gesprächs zwischen Musk und Trump, kritisiert „ein wirres und unorganisiertes Gespräch“ und kommt dann auf „die illegale Entlassung streikender Arbeiter“ zu sprechen, für die sich beide Männer angeblich einsetzten. „Wenn wir sagen, Donald Trump sei ein Streikbrecher, dann meinen wir das“, wird UAW-Präsident Shawn Fain in der Erklärung zitiert. Weiter heißt es:
„Wenn wir sagen, Trump stehe gegen alles, wofür unsere Gewerkschaft steht, dann meinen wir das. Donald Trump wird immer gegen Arbeiter auf der Seite stehen, die für sich selbst einstehen, und er wird immer auf der Seite von Milliardären wie Elon Musk stehen (…) Sowohl Trump als auch Musk wollen, dass die Arbeiter sich hinsetzen und den Mund halten, und sie lachen offen darüber. Das ist widerlich, illegal und von diesen beiden Clowns völlig vorhersehbar.“
In einem Interview auf CNN setzte der UAW-Präsident seine Angriffe am Dienstagabend fort:
„Sie missachten das Arbeitsrecht, und in diesem Land muss es zu einer Abrechnung kommen, bei der die Milliardäre, die Konzerne und die Arbeitgeber zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie das Gesetz brechen.“
Einen Fall, wo „die Milliardäre, die Konzerne und die Arbeitgeber“ nachweislich einen Rechtsbruch begangen haben, aber nicht zur Verantwortung gezogen werden können, nannte er nicht. Dem UAW-Chef ist offenbar auch eine an – wie im vorliegenden Fall – an den Haaren herbeigezogene Begründung recht, um gegen Musk vorzugehen. Denn der lässt bekanntlich Autos herstellen, in Fabriken, in denen die Arbeiter gut verdienen und Aktienoptionen erhalten, aber keine Beiträge an die UAW entrichten. Das ist Shawn Fain ein Dorn im Auge; dagegen kämpft er seit letztem Jahr. Arbeiter in Unternehmen wie Tesla „mühen sich ab, über die Runden zu kommen, damit gierige CEOs und gierige Menschen wie Elon Musk mehr Raketenschiffe bauen können“, behauptete er im September 2023 in der Fernsehsendung Face the Nation von CBS.
In der Demokratischen Partei gilt Fain als „Geheimwaffe“, wie die der Partei nahestehende Washington Post im April schrieb; in wahlentscheidenden Bundesstaaten mit starker Industrie wie Michigan, Wisconsin, Pennsylvania könnte die Wahl im November von ein paar tausend Stimmen abhängen, sagten Arbeits- und Politikexperten, und Fain könne da viel bewirken. „Shawn Fain hat außergewöhnliche Arbeit geleistet, um die Gewerkschaft dorthin zurückzubringen, wo sie hingehört – nicht nur an die Spitze der Arbeiterbewegung, sondern auch an die Spitze der progressiven Kämpfe“, zitiert die Zeitung Steve Rosenthal, den ehemaligen politische Direktor des Gewerkschaftsbundes AFL-CIO.
Trump: „Werdet diesen Idioten los!“
Die UAW ist der verlängerte Arm der Demokratischen Partei. Wie die Washington Post schreibt, spielt sie
„schon seit langem eine wichtige Rolle bei der Wählermobilisierung. Sie erinnert ihre Mitglieder an die Stimmabgabe und stellt sicher, dass sie wissen, wie sie ihren Registrierungsstatus überprüfen und Briefwahlunterlagen erhalten. Gewerkschaftsmitglieder gehen auch von Tür zu Tür und verteilen Informationen über Kandidaten.“
Auch zwischen Fain und Trump gibt es, nicht überraschend, eine gewisse Rivalität. Trump hatte die UAW mit seinen Ideen für die Arbeiter der amerikanischen Automobilindustrie umworben, doch Fain lehnte es im September 2023 ab, mit Trump auch nur zu reden. Die UAW gab dann unter Fains Führung im Januar eine Wahlempfehlung für Präsident Joe Biden aus. Fain sagte damals auf Face the Nation, Biden stehe „an der Seite des amerikanischen Arbeiters“, während „Trump in seiner Vergangenheit sowohl sich selbst als auch der Klasse der Milliardäre gedient hat“.
Trump konterte auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social, Fain wolle „die Automobilindustrie direkt in die großen, mächtigen Hände Chinas“ verkaufen:
„Er hat sich Bidens ‚Vision‘ von reinen Elektrofahrzeugen zu eigen gemacht, die weitaus weniger Arbeiter für die Herstellung eines Autos benötigen, aber, was noch wichtiger ist, vom Verbraucher nicht in großen Stückzahlen gewünscht werden und ALLE in China hergestellt werden. Ich möchte, dass sie in den USA hergestellt werden, alle Autotypen, und würde von China und anderen Ländern verlangen, durch ZÖLLE oder auf andere Weise hier Fabriken mit unseren Arbeitern zu bauen. Jetzt bauen sie in Mexiko die größten Fabriken überhaupt und verkaufen ihre Autos zollfrei in die guten alten USA. Shawn Fain versteht das nicht oder hat keine Ahnung. Werdet diesen Idioten los und wählt DJT. Ich werde die Automobilindustrie zurück in unser Land bringen.“
Ford-Chef Jim Farley sagte im November 2022 in einem Interview mit der Londoner Financial Times, die Herstellung von Elektroautos erfordere 40 Prozent weniger Arbeiter. Einer Studie der UAW aus dem Jahr 2018 zufolge könnte die massenhafte Einführung von Elektrofahrzeugen 35.000 ihrer knapp 400.000 Mitglieder arbeitslos machen. UAW-Forschungsleiterin Jennifer Kelly sagte: „Die Arbeiter, die heute Motoren und Getriebe herstellen, werden ihre Arbeitsplätze verlieren, wenn wir auf Elektrofahrzeuge umsteigen. Allein dieser technologische Wandel wird einen beträchtlichen Netto-Arbeitsplatzverlust nach sich ziehen.“
Für wen werden sich die Arbeiter in den Autofabriken bei der Präsidentschaftswahl im November entscheiden? Hoffentlich wird es Nachwahlbefragungen geben, die Aufschluss darüber bringen werden.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).