Christoph Lövenich, Gastautor / 31.01.2025 / 11:00 / 36 / Seite ausdrucken

Akif Pirincci: Urteil aufgehoben

Gegen den Schriftsteller Akif Pirinçci muss neu verhandelt werden, sagt das Oberlandesgericht Köln. Die letztes Jahr ergangene Verurteilung wegen Volksverhetzung vermochte die Revisionsinstanz nicht zu überzeugen.

Dass sich der Schriftsteller Akif Pirinçci mal über eine Gerichtsentscheidung in eigener Sache freut, kommt nicht so häufig vor. Und vor dem Kölner Oberlandesgericht (OLG) hat er sich schon mehr als einmal eine blutige Nase geholt. Diesmal aber war er mit seiner Revision dort erfolgreich: Das Urteil des Landgerichts Bonn vom vergangenen August wurde aufgehoben. Acht Monate Bewährung hätte er wegen Volksverhetzung bekommen sollen (Achgut berichtete), ursprünglich wollte ihn das Amtsgericht sogar zu neun Monaten ohne Bewährung verdonnern (Achgut berichtete ebenfalls).

Der nach Deutschland eingewanderte Erfolgsautor (Felidae, Deutschland von Sinnen) habe in einem Blogpost „aus einer feindseligen Gesinnung gegenüber nach Deutschland eingewanderten Menschen heraus diese in ihrer Menschenwürde angreifen, indem er sie beschimpft und böswillig verächtlich gemacht“, so die zweite Instanz. Immerhin hatte sie nur eine von zwei Varianten der Volksverhetzung (§ 130 I Nr. 2 StGB) als hier einschlägig betrachtet, nicht wie die Vorinstanz beide.

Das OLG als dritte Instanz berücksichtigt endlich, was der Achgut-Prozessberichterstattung von Beginn des Verfahrens an über den inkriminierten Text zu entnehmen war: Eine verständige Lektüre hülfe. Denn anders als die Bonner Richter dieses Falles hat der 1. Strafsenat des OLG Köln die Verfassungsrechtsprechung zur Meinungsfreiheit verstanden und gibt sie entsprechend wieder: Es „darf einer Äußerung keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat, und im Fall der Mehrdeutigkeit darf nur dann von der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, wenn andere, straflose Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen werden können“. Man darf also nicht irgendwas hineinlesen und nicht einfach so von der für den Angeklagten ungünstigsten Interpretation ausgehen.

Laut Landgericht habe Pirinçci „Migranten […] pauschal und in Gänze als Vergewaltiger, Schlächter und Schmarotzer dargestellt“. Wenn der Autor aber von der ab 2015 „explodierenden Kriminalität mit zwei Gruppenvergewaltigungen pro Tag, ja sogar Schlachtungen und Köpfungen von Menschen auf offener Straße“ und einer „bis heute nicht abreißenden Serie bestialischer Verbrechen vor allem an Frauen“ spricht, dann meint er damit vielleicht gar nicht „sämtliche Migranten“, merkt das OLG an. Aha – vielleicht hält er Giuseppe, Olga und sich selbst gar nicht für Messermänner. Vielleicht, so das Gericht, meint er nur kriminelle Migranten. Ausländische Straftäter zu kritisieren, für die der Gesetzgeber die Abschiebung vorsieht, kann aber keine Volksverhetzung sein. So befinden die Kölner Richter in Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Karlsruhe aus dem Jahre 2018.

Revision kippt Rechtsfehler

Außerdem hatte die Landgerichtskammer unter Vorsitz von Eugen Schwill – ihrerseits schon um Klassen besser als Amtsrichter Christian Schneider – in den Chor derer eingestimmt, die Pirinçci unterstellen, Migranten (oder wahlweise Flüchtlinge, Moslems und Afrikaner) als „Mikroben“ bezeichnet zu haben. Dass seine Bemerkung über „Schmarotzer“, welche „sich in staatlichen Versorgungsanstalten mikrobenartig immer weiter vermehren“ sich nicht auf diese Gruppen bezieht, hatte ich Ihnen vor einem Jahr bereits dargelegt. Soviel Textverständnis beweisen nun auch die Richter des OLG, nachdem die ersten beiden Instanzen es leider nicht aufbringen konnten.

Bei diesem und dem vorangegangenen Punkt hat sich die Berufungskammer „nicht rechtsfehlerfrei mit anderen sich aufdrängenden Deutungsmöglichkeiten auseinander [gesetzt]“, so der Revisionsbeschluss. Dabei handelt es sich allerdings um keinen Freispruch – der wäre auch nicht zu erwarten gewesen –, sondern um eine Rückverweisung an das Landgericht Bonn. Dort muss eine andere Kammer die Sache neu verhandeln. Eine neuerliche Verurteilung wegen Volksverhetzung liegt also im Bereich des Möglichen. Allerdings hat das OLG die Latte dafür ziemlich hoch gehängt. Im Grunde legt es einen Freispruch vor. Ob diese Vorlage in Bonn verwandelt wird, muss sich jedoch noch zeigen.

Von der korrekten Anwendung des Volksverhetzungsparagraphen abgesehen gilt, was Hans-Georg Maaßen in seiner Gratulation an den Angeklagten und dessen Verteidiger Mustafa Kaplan schreibt: Man sollte den § 130 ganz abschaffen, „da er zur Einschränkung der Meinungsfreiheit missbraucht werden kann“. Und zunehmend wird.

 

Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. 

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Leserpost

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K.Schönfeld / 31.01.2025

Sollten nicht eigentlich die Verteidiger in der ersten Instanz auf solche Argumente kommen. Ist es wirklich so schwer, in einer Gerichtsverhandlung das Grundgesetz ins Spiel zu bringen? Ist es wirklich so schwer, einen Deutschlehrer in den Zeugenstand zu rufen, der mal das Gesagte analysiert??

Andreas Rochow / 31.01.2025

@ Albert Predenz - Das ist “woker”, also vermeintlich guter Faschismus. Aber nicht mehr lange! Den Altparteien brennt schon das Hemd.

Andreas Rochow / 31.01.2025

Alles Gute für Sie, verehrter Akif Pirinçi! Diesen Sieg haben Sie als genialer, sensibler Analyst, Visionär und Dichter mehr als verdient! Gratulation! Gerade geht in meiner Familie Ihre “Große Verschwulung” von 2015 um und in den begeisterten Kommentaren wird immer wieder festgestellt, dass Sie schon in der Frühzeit des Merkelismus von den Erscheinungen der kulturmarxistischen Zerstörung gewarnt haben, lange bevor linke us-amerikanische Propaganda-Thinktanks dafür die Betrugsvokabel “Wokeism” erfunden hatten. Nach der Wahl von Trump kommt die vage Hoffnung auf, dass dieser linksgrün-woke Horror sein jähes Ende finden könnte. Trumps Berater Kennedy, Ramaswamy, Musk uva. scheinen mit dem woken Hirngift und woken Lehrstühlen nichts am Hut zu haben. Es schadet nicht, wenn die Scholzsche “Lufthoheit über die Kinderbetten” zerplatzt und der klare Verstand wieder freie Fahrt bekommt. Zum §130 StGB nur soviel: Er ist für die linken Feinde der freien Rede zum essenziellen Element ihrer “Nazikeule” geworden, mit der sie ihre Verfassungsbrüche, den Kampf gegen halluzinierte Rechtsextreme und Nazis, gegen die freie Meinungsäußerung und die aufstrebende nicht-linke Oppositionspartei AfD führen. Es ist ein Gebot der Stunde, dass diese routinierte Instrumentalisierisierung des Holocaust als Straftatbestand der Holocaustleugnung zur Seite gestellt oder der 130er gecancelt wird.

Franz Klar / 31.01.2025

“Man sollte den § 130 ganz abschaffen, „da er zur Einschränkung der Meinungsfreiheit missbraucht werden kann“. From the river to the sea , then opinion would be free !

Albert Predenz / 31.01.2025

Oh wie wunderbar! Was für ein mieses Land ist Deutschland geworden! Existenzvernichtung durch Banken und Buchhändler. Politische Einflussnahme durch Lebensmittelgeschäfte. Einfach widerlich. Ich meine: Widerlich ist, dass das geduldet wird!

Holger Kammel / 31.01.2025

Noch ein Nachsatz. Herr Bundespräsident Steinmeier, Sie haben vor den Feinden von “Unserer Demokratie” und Verfassung gewarnt. Das wir keine Verfassung haben, habe ich schon dargelegt. Unter “Unsere Demokratie” verstehen Sie offensichtlich den persönlichen Fressplatz am staatlichen Schweinetrog. Ansonsten nehme ich besagte Feinde sehr ernst. Sprich den politischen Arm der RAF namens Grüne und gegenwärtige SPD-Funktionäre, die “demokratischen” Nachfahren der Mauermörderpartei SED namens Linke und BSW, die “demokratische” Heimstatt des Naziverbrechers Filbinger und der amerikanisch gesteuerten Sockenpuppe Merkel. Sie persönlich nehme ich nicht ernst,  Ihre intellektuellen Fähigkeiten sind mit der Bezeichnung “Gerhard Schröders Aktentaschenträger” hinreichend genau beschrieben. Noch was! Ein Staat, in dem nach der Internetbemerkung “Du Pimmel” ein Kommando um früh morgens eine Wohnungsdurchsuchung veranstaltet, ist ein offen faschistischer Staat. Dagegen waren sowohl Gestapo und Stasi geradezu seriös und liberal.

Richard Reit / 31.01.2025

Anwaltkosten, Anwaltskosten, Anwaltskosten…Zeit, Nerven, Rufschädigung unabhängig vom Urteil, also letztendlich auch Einschüchterung.Dazu nicht selten lukrativ für die, die anzeigen.Klappt in umgekehrter Richtung leider nicht.Da ist es dann “Meinungsfreiheit”.

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