Ursula von der Leyen: Wie man nach oben scheitert

„Faktisches Komplettversagen“ und „Schaden für den Steuerzahler in hoher zweistelliger Millionenhöhe“ lautet das Urteil der Opposition am Ende der Berateraffäre um die frühere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Unter den nun bekannten Umständen, so der Linken-Politiker Matthias Höhn, hätte sie niemals EU-Kommissionspräsidentin werden dürfen.

Diese Einsicht kommt spät und niemanden kann es ernstlich verwundern, dass die Ex-Ministerin auch in ihrem neuen Job Probleme hat. Manche Zeitungen berichten von Chaos und Unordnung in der Brüsseler Behörde. Dem Nachrichtendienst Bloomberg zufolge sollen sich Mitarbeiter fragen, ob man ihnen die falsche Person vorgesetzt habe. Ihr Management habe Spannungen und Unzufriedenheit unter den Kommissaren und höheren Beamten ausgelöst, schreibt Politico.

Die Frage ist nur, was sich der Europäische Rat dabei dachte, als er von der Leyen im Juli 2019 ernannte? Nur wenige Wochen zuvor war sie in einer Umfrage von Spiegel Online zur unbeliebtesten Politikerin der großen Koalition erklärt worden. Ihr Name war mit zahlreichen Skandalen verbunden. Ganz offensichtlich spielten bei ihrer Beförderung weder demokratische noch meritokratische Überlegungen eine Rolle.

Die beste Erklärung der Kommentatoren für ihre Ernennung ist, dass sie eine Kompromisskandidatin in einer fragilen und eifersüchtigen EU-Struktur war. Viele hätten kein Interesse an einer allzu dominanten Persönlichkeit gehabt und ganz bewusst Kandidaten mit mehr Erfahrung, Charisma oder Geschick ausgeschlossen, schreibt Ian Wishart bei Bloomberg. Bezeichnenderweise zeigte sich selbst Angela Merkel nicht begeistert: „Ich habe mich nicht dagegen gewehrt“, sagte sie in der Pressekonferenz nach der Nominierung.

Ein Ausdruck für alles, was in der EU falsch läuft

In Wahrheit dürften aber auch von der Leyens bürgerliche Instinkte, Habitus und Herkunft eine wichtige Rolle gespielt haben. Sie hatte den richtigen Stallgeruch. Schon ihr Vater, Ernst Albrecht, war – bevor er in der deutschen Politik aufstieg und Ministerpräsident von Niedersachsen wurde – ein hoher Beamter in Brüssel.

Von Anfang an gehörte Imagepflege zum Kern ihres Erfolgs. Angetrieben wurde ihre Karriere durch das Bild einer Frau und Mutter von sieben Kindern. Ohne dieses Bild wäre ihr steiler Aufstieg in der Politik kaum denkbar gewesen. In frühen Interviews behauptete sie, sie habe während ihrer Ausbildung als Ärztin, nachdem sie zum dritten Mal schwanger wurde, frauenfeindliche Sprüche erdulden müssen. Dies kam bei einflussreichen Journalistinnen, die für Interviews mit ihr Schlange standen, überaus gut an. Da fiel es kaum ins Gewicht, dass eine ihrer wenigen frühen Kritikerinnen, die Autorin Antje Schmelcher, niemanden aus von der Leyens früherem beruflichen Umfeld finden konnte, der (oder die) die Sexismusvorwürfe bestätigen wollte.

Nichtsdestotrotz hat ihr diese proto-feministische Linie sicherlich auch geholfen, den Job als Kommissionspräsidentin zu erhalten. Anstatt ihre skandalöse und undemokratische Ernennung zu kritisieren, feierten viele (einschließlich sie selbst) sie als „die erste Frau an der Spitze der EU“. Wir erinnern uns: Noch bei der EU-Wahl wenige Wochen zuvor war den Bürgern vorgegaukelt worden, sie hätten durch das Spitzenkandidatenprinzip ein Mitspracherecht bei der Besetzung des Postens. Doch von der Leyen war nicht einmal als Kandidatin angetreten. Auch ohne den Beraterskandal war ihre Ernennung eine Beleidigung des Wählers und ein Ausdruck für alles, was in der EU falsch läuft. Hätte sie, ohne ihre weibliche „Charmeoffensive" (Financial Times), die Unterstützung des EU-Parlaments bekommen?

Immer abgebildet ohne Kindermädchen

Hinzu kommt, dass sie ein gutes Gespür für die Vorlieben und Sorgen der Mittelschicht hat. Der Hochmut, mit dem sie anderen gegenübertritt, war schon in ihrer Zeit als Familienministerin legendär. Damals setzte sie sich für Betreuungsplätze ein, was sicherlich gut und richtig war. Doch ihr ständiges Gerede von „der wachsenden Zahl der Kinder, die am Anfang ihres Lebens verkümmern“ oder „auf der Schattenseite des Lebens geboren werden“ und „durch hohe Aggressivität, hohes Störpotenzial oder Lernverweigerung zum Problemfall werden“ ging vielen auf die Nerven. Das Thema der unzulänglichen Eltern setzte sie auch als Arbeitsministerin mit ihren verunglückten Bildungsgutscheinen fort. Unverständlich war für sie, warum die allgegenwärtigen Fotos ihrer eigenen privilegierten Familie (abgebildet immer ohne Kindermädchen) die Öffentlichkeit nicht begeistern konnten. Als sie sich im Namen des Kinderschutzes für stärkere Kontrollen im Internet einsetzte, brachte ihr dies den Beinamen Zensursula ein.

Am schlimmsten an von der Leyen ist jedoch ihre Neigung, die Wahrheit zurechtzubiegen. So sprach sie beim Ausscheiden aus dem Familienministerium von steigenden Geburtenraten als Folge ihrer Familienpolitik. Am Ende zeigte sich jedoch, dass ihre Statistiken fehlerhaft waren und die Geburtenraten sogar gesunken waren. Ihr pragmatisches Verhältnis zur Wahrheit zeigte sich auch in der Berateraffäre. Im Dezember wurde im Zuge der Untersuchungen bekannt, dass ihre Handydaten gelöscht worden waren, die Ex-Ministerin gab sich ahnungslos.

Wer sich keine Illusionen über die EU macht, wird von all dem kaum überrascht sein. Die Wählerinnen und Wähler wurden nie gefragt, ob sie der neuen Kommissionspräsidentin vertrauen. Jetzt steht die EU vor größeren Problemen denn je. Dazu gehört auch das jüngste Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Sachen EZB, zu dem von der Leyen ebenfalls nicht viel zu sagen hat (nur, dass das EU-Recht immer Vorrang genieße). Mit oder ohne von der Leyen erweist sich die EU zunehmend unfähig, die Zukunft Europas sinnvoll zu gestalten. Es ist an der Zeit, eine ernsthafte Diskussion darüber zu beginnen, was dies für uns alle bedeutet.

Mehr von Sabine Beppler-Spahl lesen Sie in ihrem BuchBrexit – Demokratischer Aufbruch in Großbritannien“.

Dieser Artikel ist zuerst beim britischen Novo-Partnermagazin Spiked erschienen sowie bei Novo-Argumente.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Roland Müller / 03.07.2020

Als ich zum ersten mal von der Ernennung von Frau von der Leyen gehört habe, glaubte ich noch einen Witz. Leider habe ich mich gravierend geirrt.

Sabine Schönfelder / 03.07.2020

Brrrrrrrr, es schüttelt mich, wenn ich in das gut frisierte, kalte, automatisierte, aufgesetzte Gesicht einer professionellen Lügnerin namens von der Leyen schaue. Sie ist der KLASSIKER eines inkompetenten, bis an die oberste Spitze „weggelobten“ Politikers. Ihr Markenzeichen: Bei jedem Jobwechsel hinterläßt sie ein Trümmerfeld ihres eigenen Unvermögens. Ihren Ehrgeiz, ihre mangelnden Fähigkeiten sich seriös in Themenbereiche einzuarbeiten, kaschiert die eitle Selbstdarstellerin hinter einer arroganten Fassade, dem gehobenen Bildungsbürgertum entnommen. Was Merkel sich zurecht pfafft : „wir pfaffen daff“ , kompensiert Madam Lügileyi mit blasiertem „Stanford“-Englisch. Sie ist das Sinnbild einer fehlentwickelten Demokratie. Nicht Kompetenz, Vernunft, die Liebe zu den Menschen und deren Wohlergehen zeichnen heutige Politiker aus, sondern nur noch undemokratischer Machterhalt, die eigene Ideologie und der absolute Wille zur Volksbeherrschung. Ich schließe meinen kleinen Beitrag dennoch hoffnungsvoll. Auch die EU wird Laien-Leyen an die Wand fahren.

G. Kramler / 03.07.2020

Diejenigen die gewählt sind haben nichts zu entscheiden—und daher findet man in diesen pseudowichtigen Positionen auch nur pseudointelligente Menschen.

Markus Harding / 03.07.2020

Der Berufung der UvdL zur Großen Vorsitzenden des ZK der EU habe ich von vornherein begrüßt. Genau so etwas hat die real existierende EU verdient, und ich hoffe, sie arbeitet dort ebenso zielstrebig und erfolgreich wie auf ihren früheren Betätigungsfeldern. Dann gilt hoffentlich bald: Die EU wird sich verändern, und ich freue mich drauf!

Marc Blenk / 03.07.2020

Liebe Frau Beppler, ich habe den Eindruck, dass diese Frau den Erosionsprozess der EU beschleunigen wird. Ihre völlig weltfremden und größenwahnsinnigen Geldforderungen für abstruse Projekte sowie der absolut groteske Versuch, eine demokratisch nur schwach legitimierte EU zum Megastaat auszubauen steht völlig entgegengesetzten Interessen wohl der Mehrheit der EU - Bürger entgegen, die eine auf Normalmaß zurechtgestutzte EU vorziehen würde, wenn man sie bloß fragte. Das einzige was diese EU zusammenhält, ist das Geld der Nettozahler. Und das wird knapp. Erinnern wir uns an das Sommermärchen. Da begannen wir gerade einmal, uns für die EU - Bürger anderer Nationen emotional zu interessieren. Das lief gut.  Dann kam 2015 und plötzlich sollten sich die Europäer kulturell völlig Fremden Kulturen zuwenden und integrieren. Gleichzeitig wurde die Transferunion vorangetrieben. Das kostet den Norden die Souveränität über ihr Geld und den Süden die Souveränität über ihre Wirtschaftspolitik. Jeder hätte wissen müssen, dass bei Geld die Freundschaft aufhört. Wenn Geld der Kit sein soll, scheitert auf Dauer jedes Projekt. Unsere Regierung, die weder für Deutschland noch für die Deutschen arbeitet, sondern für bestimmte Agenden, (vermeintlich) die EU und die UN, ignoriert das völlig. Jeden Konflikt möchte sie mit Geld zukleistern. Nach dem Brexit könnte als nächstes schon Frankreich dran sein. Gewinnt Le Pen die nächste Wahl, wird die EU in dieser Form nicht bestehen bleiben. Es könnten aber auch andere Staaten ausscheren. Und dann wird auch der deutschen Regierung der Geldbeutel nicht mehr so locker sitzen. Das deutsche Allparteienregime, dass stets der Stabilität demokratischen Erwägungen den Vorzug gibt, würde wohl auch ins Schlingern kommen. Es bleibt eine spannende Frage, wie lange die Bürger die Entbürgerlichung ihrer Gesellschaften noch zugucken.

Hans Buschmann / 03.07.2020

Sie ist hervorragend geeignet als Platzhalterin für Angela Merkel, wenn diese sich aus Deutschland verabschiedet, um neue Chefin Europas zu werden. Geld hat sie doch schon genug aus Deutschland dorthin verschoben. Und um den Konkurs Deutschlands müssen sich dann ihre Nachfolger kümmern, denen dann die Schuld dafür aufgebürdet wird. Eine äußerst erfolgreiche Karriereplanung Merkels.

Rolf Mainz / 03.07.2020

“Die Frage ist nur, was sich der Europäische Rat dabei dachte, als er von der Leyen im Juli 2019 ernannte? Nur wenige Wochen zuvor war sie in einer Umfrage von Spiegel Online zur unbeliebtesten Politikerin der großen Koalition erklärt worden. Ihr Name war mit zahlreichen Skandalen verbunden. Ganz offensichtlich spielten bei ihrer Beförderung weder demokratische noch meritokratische Überlegungen eine Rolle.” Nun, vielsagend, dass eben jene Dame - statt der CDU-Parteivorsitzenden Kramp-Karrenbauer - überraschend und kurzfristig zum vorangegangenen Bilderberger-Treffen 2019 in Lausanne eingeladen worden war… Zufall? Ganz bestimmt.

Angela Seegers / 03.07.2020

Dem ist im Kern nichts hinzuzufügen. Obwohl es detailreicher gegangen wäre. Nur angerissen, das ist zu wenig, um diese Frau zu beschreiben. Meines Erachtens ist sie nur einem treu. Ihrem Image, ihren Privilegien und ihrer Selbstsucht. Zu denken sollte einem geben, wie man in der Politik mit so wenig Sachverstand aufsteigen kann. Können kann sie Kinder kriegen. Wie die Mutter, sieben an der Zahl. Es wäre besser gewesen sie wäre in Burgdorf-Beinhorn geblieben, hätte Enkel gehütet, wäre jeden Tag ausgeritten, vielleicht sogar eine Zucht aufgebaut, und hätte dort keinen Schaden angerichtet. Vielleicht noch eine Stiftung, steuerfrei, gegründet um als große Wohltäterin in die Geschichte einzugehen, das Röschen. Nun wird sie verbrannt in Brüssel. Jeder so, wie er es mag.

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