Ursula von der Leyen tätigt heimliche Absprachen gern per SMS, die sie dann nachträglich löscht. Zum Beispiel bei der „gemeinsamen Beschaffung“ des Pfizer-Impfstoffs durch die EU. Diese preist sie jetzt schamlos als Vorbild für die EU-Rüstung an.
In einer Grundsatzrede im Europaparlament am vergangenen Mittwoch, dem 28. Februar, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass sich Europa sicherheitspolitisch noch stärker aufstellen müsse. Dabei sprach sie sich für eine „gemeinsame Beschaffung im Verteidigungsbereich“ aus und führte als Positivbeispiel ihr Vorgehen bei der Beschaffung von Impfstoffen an. Doch, das hat sie wirklich gesagt.
Wir erinnern uns: Im Mai 2021 fädelte von der Leyen durch einen privaten und geheimen SMS-Austausch mit Pfizer-Vorstandschef Albert Bourla den Kauf von 1,8 Milliarden Impfdosen des Covid-19-Impfstoffs ein. Bis heute ist dieser Deal nicht aufgeklärt, da von der Leyen die fraglichen Textnachrichten nicht mehr finden kann. Selbst EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly erhielt keine Antwort auf ihre Anfrage, was in den SMS-Verträgen zwischen von der Leyen und Bourla gestanden hat. Und auch der Europäische Rechnungshof sowie die EU-Staatsanwaltschaft (EPPO) stießen auf eine Wand des Schweigens. Wir berichteten ausführlich hier.
Dabei hatte von der Leyen 2019 schon einmal Pech mit gelöschten SMS gehabt: Damals ging es um hochdotierte Verträge mit externen Beratern, die von der Leyen als deutsche Verteidigungsministerin offenbar ebenfalls per SMS beauftragt hatte – unter Umgehung des Vergaberechts.
Kommt ein dritter SMS-Skandal?
Dennoch hat sie nun die Chuzpe, ihren Impfstoffdeal als vorbildlich anzuführen. Bei der Plenardebatte in Straßburg am 28. Februar sagt sie wörtlich:
„Europa muss mehr Geld in die Hand nehmen und es besser ausgeben, europäisch ausgeben. Wir werden in den nächsten Wochen einige Vorschläge in Form einer allerersten Strategie für eine europäische Verteidigungsindustrie vorlegen. Eines der zentralen Ziele dieser Strategie und des damit verbundenen Programms für europäische Verteidigungsinvestitionen wird darin bestehen, der gemeinsamen Beschaffung im Verteidigungsbereich Vorrang einzuräumen. Genauso, wie wir mit großem Erfolg bei den Impfstoffen oder zum Beispiel beim Erdgas vorgegangen sind.“
Bedeutet das, dass wir bald wieder mit geheimen Deals per SMS rechnen müssen, die abermals auf wundersame Weise verschwinden werden? Oder wird UvdL diesmal vorsichtiger vorgehen? Schließlich zog mittlerweile sogar die New York Times, die über die SMS zwischen von der Leyen und Bourla recherchiert hatte, vor das Gericht der Europäischen Union. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) steht noch aus. Und auch der belgische Lobbyist Frédéric Baldan rückte von der Leyen mit einer Klage u.a. wegen Vernichtung öffentlicher Dokumente beim Strafgericht Lüttich auf die Pelle. Vielleicht ist UvdL ja doch aus Schaden etwas klüger geworden, und es bleibt uns wenigstens ein dritter SMS-Skandal erspart?
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.