“Unwissenheit ist Stärke”

Als Schriftsteller konnte der große George Orwell nur vermuten: „Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.“ Diese Sätze darf seine Romanfigur Winston Smith an der Fassade des „Ministeriums für Wahrheit“ lesen. Das Buch „1984“ wurde 1948 vollendet, verdankt seinen Titel dem Vertauschen der beiden letzten Ziffern dieser Jahreszahl und das Geschehen ist in der damals knapp 50 Jahre späteren Zukunft angesiedelt.

Mitunter wird noch immer fälschlich die Auffassung vertreten, hier handle es sich um eine Dystopie. Da der gute alte Duden Dystopie als „fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung mit negativem Ausgang“ definiert, kann nur von einem Irrtum ausgegangen werden, dem bereits 1950 verstorbenen Autor wird schweres Unrecht zugefügt. Es ist vielmehr – zumindest für den deutschen Raum – sogar in vielen Details ein prophetisches Werk ersten Ranges. Denn wie so oft konnten die Menschen der Vergangenheit Dinge nur vermuten, da ihnen das wissenschaftliche Instrumentarium oder der auch finanziell aufwendige Apparat fehlte. Nehmen wir beispielsweise den Jesuiten Athanasius Kircher, der im Rahmen seiner medizinischen Forschungen schon 1658 vermutete, dass „kleine, mit bloßem Auge nicht sichtbare lebendige Tiere“ für die Übertragung von Krankheiten verantwortlich seien – weit bevor das belegt werden konnte.

Ähnlich wie Kircher war Orwell das Erleben des empirischen Nachweises seiner Thesen nicht mehr vergönnt. Allerdings wird immer klarer: „1984“ hat nur wenig mit „Fiktion“ und schon gar nichts mit einem „negativen Ausgang“ zu tun. Es ist schlicht und einfach die Vorwegnahme der beglückenden Auflösung von Gegensätzen am Ende des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts.

Verdient gemacht um die Erhärtung von Orwells Thesen hat sich die TU Dortmund, deren Forschungsergebnisse bezüglich der Stadt Remscheid die „Rheinische Post“ im Duktus des Romans mit den Worten zusammenfasst: „Konflikte belegen gelungene Integration“.

Die „Stammbevölkerung“ kann aufatmen

Zunächst hätten die Wissenschaftler gestaunt. Denn in Remscheid sei es „gar nicht so harmonisch und friedlich, wie es immer wieder erzählt wird.“ Das „Lebensgefühl“ in vier Stadtteilen „mit hohem Migrantenanteil“ sei untersucht worden. Nun ja, der Gutintegrierte werde nun mal zum „Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt“, strebe nach „Anerkennung“ und entwickle „Selbstbewusstsein“. Und: „Teilhabe und Mitsprache in vielen Bereichen des täglichen Lebens löst die kulturelle Dominanz der deutschen Stammbevölkerung auf.“ (Was soll das eigentlich sein, „kulturelle Dominanz“? Doch nicht etwa „Leitkultur“? Nein, der Begriff fällt nicht). Aber – und das ist das wirklich Wichtige – die „Stammbevölkerung“ von Remscheid kann aufatmen: „Die Wissenschaftler deuten das gewachsene Konfliktpotenzial nicht als Verlust an Harmonie, sondern als Konsequenz gelungener Integrationsarbeit“. Sie stellten „lobend fest, dass die Menschen Streit unaufgeregt, gelassen und pragmatisch lösen“.

Ein Sozialidyll, dieses Remscheid. Und dabei war das erst der Zwischenstand der Studie. „Zukunftswerkstätten“ sind geplant und Strategien zur Verbesserung des Zusammenlebens „in der gesamten Stadt“ gelte es nun zu entwickeln. Offenbar ist die Harmonie doch noch nicht ganz flächendeckend. Macht nichts, kommt noch.

Wenn doch nur alle so vorbildlich wären! „Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. Konflikte belegen gelungene Integration.“

Foto: Jordan L'Hôte CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Andreas Rochow / 19.02.2019

Wenn Wissenschaft zu einem faktenverdrehenden Expertentum verkommt, lässt das darauf hoffen, dass es in Sachen Feinstaub, Klima, und eiliger Kulturausmistung in der Ära nach der Wissenschaftlerin Merkel Entwarnung auf der ganzen Linie gibt. Vielleicht gibt es im Rahmen nahendert Sparzwänge dann auch die Möglichkeit, staatlich alimentierte Blödsinnsverbreiter in den ersten Arbeitsmarkt zu entlassen und einige Dorf-Unis einem reinigenden Strukturwandel zu opfern. Das Göttinger Institut für Demokratieforschung, das mit seiner schlampigen Bullshit-Studie über die Dunkeldeutschen traurigen Ruhm erlangt hat, steht immer noch und findet nichts dabei, wenn in D demokratische Prinzipien verletzt werden. Solche Aktivisten stehen immer im Krieg um die Deutungshoheit. Im Krieg muss bekanntlich auf Demokratie und Wahrheit verzichtet werden. Fein raus ist man dann, wenn man sich auf “Wissenschaft” beruft. Bei genauerer Betrachtung wird dann aber deutlich, dass von wissenschaftlicher Faktentreue, kritischer Selbstprüfung und dem Vermeiden von systematischen Fehlern keine Rede sein kann. Tendenziöse Auslegung und die Wahl einer manipulativen Methodik und der Gebrauch einer verbogenen Sprache beweisen, dass sich einige Wissenschaftler mehr als Propagandisten des Alternativlosen verstehen. Der Schaden für den Ruf deutscher Wissenschaft ist immens. Junk Science!

Udo Kemmerling / 19.02.2019

Ob diese Soziologen-Spinner es auch noch als Fortschritt betrachten würden, wenn ich ihnen “unaufgeregt, gelassen und pragmatisch” meine Meinung dazu “mitteilen” würde???

Karl Reiter / 19.02.2019

Eine Scheidung ist dann wohl der finale Beweis einer überaus harmonischen Beziehung?! Das folgt ganz dem Manual der ARD, das kürzlich publik wurde. Es ist das “Neusprech”, dass Orwell in “1984” schon propagiert. Diese Art “Wissenschaftler” wissen hinterher immer genau, warum etwas nicht funktioniert. Vorher werden Fakten einfach so lange verdreht, bis es passt.

Markus Hahn / 19.02.2019

Frau Prof. Frank gendert übrigens auch rum.  An der TU Dortmund hat die soziale Blase Wände wie Schildkrötenhaut.

Susanne antalic / 19.02.2019

Es ist putzig, wer in Deutschland in diesen Zeiten als Wissenschaftler oder Experte benannt wird. Es ist wie es ist, Mittläufer kommen endlich zu Wort, nach langen mageren Zeiten. Es soll sich lohnen, auf der “richtige Seite” zu stehen. Die qualifizierten mit “falsche Meinung” werden abgesegt, die unqualifizierten eingestzt, ist nicht neues, hatten wir schon gehabt. D a wird die Wissenschaft in Deutschland “grosse Fortschritte” machen.

toni Keller / 19.02.2019

Ich bin schon lange zu der Erkenntnis gelangt, dass die Integration dann als gelungen gilt, wenn den hier zu Integrierenden dieses Land hier genauso egal ist, bzw sie das was typisch deutsch ist, genauso verachten wie diejenigen die immerfort von Integration reden. Unter diesem Aspekt ist die Studie nicht verwunderlich. Aber ich frage mich immer mehr, was geschieht wenn das Geld alle ist, bzw korrekter gefragt die Qualität dessen was man für das Geld kaufen kann, immer schlechter wird und dazu noch die grünen Träume eines entindustrialisierten Deutschlandes immer mehr Realität werden?

Regina Becker / 19.02.2019

Integration und Zusammenleben. Grillfest ohne Schweinefleisch und Bier, sonst kommt der türkische Gartennachbar nicht… Na klar, da muss die kulturelle Dominanz der einen Seite von der anderen Seite verfrühstückt werden, halal natürlich. Ich meinem Wohnort gibt es viele Neubürger mit Migrationshintergrund. Sie könnten sich engagieren und mitmachen: Feuerwehr, DRK, Blasmusiker, Männerchor, Karnevals- oder Heimatverein, Jagdhornbläser, Tischtennis, Tennis, Laientheater, Wandergruppe, Radsport, Angler usw. usw.. Sie tun es aber nicht. Nur in der Fußballmannschaft sind ein paar von Ihnen. Bei Dorffesten sieht man sie auch nicht. Aber im Lidl/Aldi/Penny/ Netto in großen Gruppen. Oder im Arztwartezimmer: immer ein Ausflug in Familienstärke. Haben viel Zeit - aber zur Erntesaison (Spargel und Obst) kommen jedes Jahr Polen, Tschechen und Slowaken. Und es ist kein Vorurteil sondern Tatsache: schau dir an, wie der Vorgarten/Hof/Balkon aussieht, dann kannst du vermuten, wo die Bewohner ihre Wurzeln haben. Es ist zwecklos, irgendwas dazu zu sagen. Konfliktpotenzial als Konsequenz gelungener Integration. Werde ich beim nächsten Ramadan dran denken, wenn wieder die ganze Nacht Remmidemmi ist.

Dirk Jürgens / 19.02.2019

Jetzt wissen wir endlich, was Linke unter “Integration” verstehen: Wenn Ali dem Kevin in die Fresse haut, zeigt das sein gewachsenes Selbstvertrauen und damit gelungene Integration. Hauptsache die Kartoffel bekommt aufs Maul und die “kulturelle Dominanz” der “deutschen Stammbevölkerung” wird durch die “kulturelle Dominanz” der Einwanderer ersetzt. Integration heißt: Der Deutsche passt sich den Regeln der Einwanderer an und leckt deren Stiefel. Eine grüne Utopie.

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