Wenn Sie nach einem Partner suchen, werden Sie sich die Frage stellen, was Sie von einer stabilen Partnerschaft wollen. Eines wollen Sie sicher nicht: ein zu großes Ungleichgewicht zwischen Ihnen und Ihrem Partner in den fünf grundlegenden Dimensionen der Persönlichkeit. Wenn ein Paar in den Persönlichkeitsdimensionen weit auseinander liegt, ist es sehr schwer, einen Konsens zu finden. Denn es geht nicht um unterschiedliche Meinungen, sondern um unterschiedliche Menschentypen.
Ein Beispiel: Wenn ein Partner extrovertiert und der andere introvertiert ist, wird das Paar einen dauerhaften Konflikt darüber haben, wie vielen sozialen Aktivitäten es sich aussetzt. Introvertierte können Interaktionen mit größeren Menschengruppen einfach nicht genießen. Mit einem einzelnen Gegenüber fühlen sie sich meistens wohl, aber in Gruppen nicht, es ermüdet sie. Soziale Isolation fühlt sich wiederum für Extrovertierte so an, als würden sie verwelken. Denn was sie am meisten motiviert, sind soziale Interaktionen.
Wenn ein nachgiebiger Mensch einen besonders unnachgiebigen Partner hat, wird es ebenfalls Probleme geben. Die nachgiebige Person hat die Einstellung: „Was immer Du willst, wann immer Du willst.“ Die unnachgiebige Person hingegen sagt: „Verdammt, ich wüsste zur Abwechslung gerne mal, was Du eigentlich willst.“ Sie ist viel härter und fordernder. Die nachgiebige Person wird die unnachgiebige Person hart und unangenehm finden, die unnachgiebige die nachgiebige wiederum wischiwaschi und unfähig, für sich selbst einzustehen.
Das ist in der Tat einer der Hauptgründe für Spannungen zwischen Männern und Frauen. Frauen sind tendenziell nachgiebiger als Männer, in einer Größenordnung von ungefähr der Hälfte der Standard-Abweichung. Ich habe die genauen Zahlen nicht im Kopf, kann Ihnen aber eine Vorstellung für die Dimension geben: Wenn man Paare per Zufall aus einer Gruppe von Frauen und Männern auswählt, sind die Frauen in 60 Prozent der Fälle nachgiebiger als die Männer. Das ist kein überwältigendes Verhältnis, aber der Unterschied ist zuverlässig nachweisbar und nach den Maßstäben der Psychologie ziemlich groß. So viel zum Thema Nachgiebigkeit.
Fleißige halten es nicht aus, nichts zu tun
Nun zur Gewissenhaftigkeit: Wer gewissenhaft ist, ist fleißig und ordentlich. Ordentliche Menschen scheinen empfindlich gegenüber Abstoßendem zu sein, worüber wir später noch im Detail sprechen werden. Es war für die Wissenschaft nicht leicht herauszuarbeiten, was fleißige Menschen fleißig macht. Ein Tiermodell ist auf Fragen dieser Art kaum anwendbar und theoretische Modelle gibt es nicht. Eine meiner Studentinnen entwickelte die Erklärung, dass es für fleißige Menschen unerfreulich und beunruhigend ist, nichts zu tun. Es ist weniger der Fall, dass Fleiß fleißige Menschen besonders glücklich macht. Aber sie halten es wohl schlicht nicht aus, herumzusitzen und nichts zu tun.
Ich möchte eine Spekulation wagen: Menschen tauschen ständig ihre Arbeitskraft aus. Und man kann sich vorstellen, dass in einer Gesellschaft, in der jeder jeden kennt, die Leute, die hart arbeiten, chronisch sauer sein werden auf die unproduktiven Mitglieder der Gemeinschaft. Ich habe den Verdacht, dass der Menschenschlag, der unproduktiv war, im Laufe der Evolution unserer Spezies von den Fleißigen verdrängt wurde. Generell fühlen Menschen sich ethisch verpflichtet, anderen bei der Arbeit unter die Arme zu greifen. Bei fleißigen Menschen ist dies ganz besonders ausgeprägt. Deshalb fühlen sie sich schlecht, wenn sie nicht ständig an etwas arbeiten und produktiv sein können.
Mit einem gewissenhaften Menschen zusammen zu sein, ist von Vorteil, denn er arbeitet wie verrückt. Das kann aber auch ein Nachteil sein. Wenn Sie nach einem Partner suchen, mit dem Sie sich entspannen und einfach Spaß haben können und der nicht verspannt ist, dann ist eine gewissenhafte Person wahrscheinlich keine gute Wahl. Wenn Sie selbst gewissenhaft sind und mit einer weniger gewissenhaften Person leben, ist das insofern gut, als sie Ihnen helfen kann, sich zu entspannen. Aber Sie werden mit ihr wahrscheinlich nicht glücklich werden, weil sie nicht so viel arbeitet wie Sie.
Noch schlimmer ist es mit der Ordentlichkeit. Einige von Ihnen mögen einen Mitbewohner haben, der weniger ordentlich ist als Sie. Was bedeutet das? Dass Sie von Unordnung früher genervt sind als er! Es muss gar nicht viel früher sein: Wenn Sie den Hang haben, nur 25 Sekunden vor Ihrem Partner auf Unordnung zu reagieren, werden Sie einfach immer der Erste sein, der mit dem Aufräumen anfängt.
Frauen sind etwas ordentlicher als Männer
Psychometrische Analysen ergeben, dass Frauen etwas ordentlicher sind als Männer. Ich befürchte, dass das ein Grund für die ungleiche Verteilung von Hausarbeit ist. Wenn Sie als ordentliche Person mit einer unordentlichen Person zusammen sind – viel Glück fürs Zusammenleben! Ihr Partner wird Sie wohl als verspannt und pedantisch betrachten. Für Sie hingegen ist Ihr Partner wahrscheinlich ein Schmutzfink und Sie werden sich wohl fragen, wie man überhaupt mit so jemandem zusammenleben kann.
Wenn Sie Ihre Persönlichkeit kennen, haben Sie eine bessere Chance, jemanden zu finden, mit dem Sie auf lange Sicht gut zusammenleben können. Ich denke nicht, dass Sie sich einen Lebenspartner suchen sollten, der genauso veranlagt ist wie Sie, denn dann hätten Sie beide die gleichen Stärken und Schwächen – was auch ein wenig problematisch ist. Es ist eine Frage der Ausgewogenheit: Ein nachgiebiger Partner und einer, der ein wenig unnachgiebig ist, können sich in einer Beziehung durchaus gegenseitig ausgleichen.
Die optimale Balance für das langfristige Gedeihen einer Partnerschaft kennen wir nicht. Aber wir wissen, dass zu große Unterschiede in der Ausprägung der Persönlichkeitsdimensionen eine dauerhafte Quelle für Konflikte darstellen.
Dieser Beitrag ist ein Ausschnitt aus dem Vortrag „Personality 14: Introduction to Traits/Psychometrics/The Big 5“. Hier geht’s zum Original-Vortrag auf dem YouTube-Kanal von Jordan B. Peterson.