Eran Yardeni, Gastautor / 02.07.2013 / 21:25 / 0 / Seite ausdrucken

Unter Freunden

Vor dem Hintergrund der angelsächsischen Massenspionage fühle ich mich, um ehrlich zu sein, ziemlich erniedrigt, gedemütigt, diskreditiert und herabgewürdigt. Das habe ich aber wirklich nicht verdient. Schon seit etwa zwei Jahren schreibe ich für die Achse des Guten, hetze gegen Feministinnen und Moralisten, schimpfe über die Glorifizierung der Natur auf Kosten des Menschen, kritisiere die Islamisierung Europas und die Feminisierung des öffentlichen Diskurses, lobe den Patriotismus, verachte den Pazifismus, behaupte, dass der Frieden manchmal gefährlicher sein kann als der Krieg und stelle den deutschen Bundestag an den Pranger.

Und trotzdem, trotz aller meinen Bemühungen wurde ich nicht ausspioniert. 

Diese nicht nachvollziehbare Entscheidung, mich zu verschonen, scheint nicht nur mich tief zu überraschen, sondern vor allem breite Teile der deutschen Presse, womit man wiederum gut erklären kann, warum die Journalisten und Kolumnisten so schockiert waren zu erfahren, dass ausgerechnet Frau Merkel, eine unwichtige Frau aus der Provinz, von Kopf bis Fuß ausspioniert wurde.

Diese neue Erfahrung war für sie genau so traumatisch wie die erschütternde Entdeckung, dass sich Geheimdienste mit Spionage und Bespitzelung beschäftigen und nicht mit dem Sammeln von Briefmarken. Wer aber darauf mit gutmenschlichem Pathos reagiert, der wäre höchstwahrscheinlich auch überrascht zu erfahren, dass Sportlehrer mit Bällen und Turngeräten zu tun haben und dass Fiskus-Beamte ihre Zeit mit Steuererklärungen verbringen.

Denn was haben die Schockierten und die Moralisten erwartet? Wen sonst sollen Geheimdienste ausspionieren, wenn nicht Männer und Frauen in Machtpositionen? Überrascht könnte man sein, wenn es anders gewesen wäre.

Die jüngsten Enthüllungen zeigen uns nur, dass wir in einer normalen Welt leben, wo Länder, wie jede andere Interessengruppe, wissen wollen, was andere Akteure vorhaben. Weil keiner sich aber bereit erklärt, seine Geheimnisse freiwillig zu verraten, muss man hinter den Kulissen, am Rand der Legalität agieren, um an die relevante Information zu kommen.

Vor diesem Hintergrund sollte man sich ein paar Fragen stellen. Z.B.: Was haben wir dank den letzten Enthüllungen gelernt, das wir nicht schon vorher wussten? Dass die Amerikaner wie die Briten Informationen über die Hauptakteure der Weltpolitik sammeln? Dass dieses Ziel nicht auf eine konventionelle Art und Weise erreicht werden kann, so dass man auch illegale Umwege gehen muss? Dass Spionage auch unter „Freunden“ stattfindet? Dass die heutige Technologie Sachen ermöglicht, die man vor 30 Jahren nur in James-Bond Filmen sehen konnte? Worüber wird hier eigentlich diskutiert? 
 
Über gar nichts.     

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