Steffen Meltzer, Gastautor / 10.03.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 36 / Seite ausdrucken

Unter Feuer: Die Flucht der Polizistinnen (Teil 3)

Am 28.01.2021 und 03.02.2021 berichtete ich auf achgut.com: Ein Drogendealer hatte bei einer Fahrzeugkontrolle plötzlich das Feuer auf die kontrollierenden Polizisten eröffnet und dabei einen Beamten verletzt. Zwei Polizistinnen, die mit ihrem Polizeifahrzeug dazukamen, hielten zwar an, ergriffen jedoch bei dem Schusswechsel kopflos die Flucht, ohne sich um ihren verletzten Kollegen zu kümmern. Anschließend kaperten sie ein Fahrzeug und das Handy der Fahrerin und ließen sich damit durch die Gegend fahren. Währenddessen stand ihr Polizeifahrzeug, ausgerüstet mit einer Maschinenpistole und Munition, unverschlossen am Tatort.

Ein mit der Aufarbeitung des Einsatzes beauftragter 60-jähriger Polizeidirektor hatte erst einige Tage danach vom mutmaßlichen Versagen der Beamtinnen erfahren und musste sich durch eigene Nachforschungen die Puzzleteile über das Geschehen mühsam zusammenschnipseln. Auch die Richterin, der Staatsanwalt und der Verteidiger des Angeklagten zeigten sich mehrfach verdutzt, denn in den Ermittlungsakten war darüber bis auf die Aussage der jungen Frau, die samt ihrem PKW von den flüchtenden Polizistinnen „beschlagnahmt“ wurde, nichts enthalten.

Der zuständige Landrat Olaf Schade, Chef der Kreispolizeibehörde, hatte „vergessen“, das außerordentliche Vorkommnis vor der Kommunalwahl transparent zu machen. Die CDU-Fraktion im Ennepe-Ruhr-Kreis erfuhr davon aus der Presse und mahnte an: „Sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch uns als Lokalpolitiker im Kreistag erscheinen diese Dinge wie in einem schlechten Krimi“. Die berichtende Westfalenpost stellt in diesem Zusammenhang die Frage: „Sollte das Thema kleingehalten werden, um Schades Wiederwahl nicht zu gefährden?“

Die Wege des Herrn und des Behördendschungels sind unergründlich

Die Anzahl der Akteure, die sich mit ihren Aussagen zum Verhalten der beiden Polizistinnen schwertun, kann noch erweitert werden. Dazu gehört offensichtlich auch der Leiter der Mordkommission (MK), der vom Gericht in den Zeugenstand zitiert wurde. Dieser will erst durch das Video aus dem Streifenwagen gesehen haben, dass ein weiterer Wagen der Polizei „vorbeigefahren“ sei. Er ging deshalb davon aus, dass die beiden Polizeibeamtinnen nicht angehalten hätten. Erst Tage später erhielt er vom Verlassen des Tatortes der beiden Frauen Kenntnis. Nun jedoch tritt eine junge Kollegin in den Zeugenstand, sie sagt aus: „Ich habe die Waffen der beiden Kolleginnen in der Wache Gevelsberg auf Anweisung meines MK-Leiters sichergestellt.“.

Ergo, der polizeiliche Chefermittler will vom mutmaßlichen Versagen der beiden Polizistinnen nichts gewusst haben, hat aber sofort ihre Waffen einziehen lassen. Vom Gericht auf diesen Widerspruch angesprochen, führt er aus: „Ich kann mich an diese Anweisung nicht erinnern. Es kann natürlich sein, dass ich den Kollegen prophylaktisch damit beauftragt habe.“ Die vorgenannte Lokalzeitung berichtet außerdem, dass die Kreispolizeibehörde Ennepe-Ruhr und das Polizeipräsidium Hagen seit dem Fluchtdebakel und dessen Bekanntwerden regelmäßig auf die jeweils andere Behörde verweist. Die Westfalenpost vergleicht das Verhalten des Leiters der MK im Zeugenstand mit einer „Eierei“, die „keine Aufklärung in die lückenhafte und nicht logische Aufarbeitung bei der Polizei geben.“

Die beiden Polizisten, auf die geschossen wurde, sind nie vernommen worden, sie werden sich anwaltlich vertreten lassen. Auch hierzu fand sich kein Vermerk in den Akten. Der Notarzt traf am Tatort erst nach 20 Minuten ein, weil man durch ein Versehen dem Mediziner eine falsche Adresse mitgeteilt hatte. Kann passieren, sollte aber nicht. Vor allem sollte es in den Akten erfasst werden. Fehlanzeige!

Immerhin hatte sich der leitende Ermittler der Mordkommission über die langen Schmerzensschreie des verletzten Polizeibeamten „gewundert“, sagt allerdings aus, sich das Video nicht vollständig angeschaut zu haben. Nicht auszuschließen ist, dass der geneigte Leser bei der Kenntnisnahme solcher Zeilen eine Ahnung davon bekommt, in welcher Qualität bei einer geringfügigeren Kriminalitätsschwere ermittelt werden könnte.

Vermindert schuldfähig

Der Angeklagte wurde vier Stunden später in einem Hinterhof durch ein SEK-Team festgenommen. Auch dabei soll der Kasache auf die Polizeibeamten geschossen haben. Als er selbst verletzt auf dem Boden lag, bedrohte er die SEK-Beamten mit einem Messer. Die Anklage lautet deshalb u.a. auf dreifach versuchten Mord. Dem schreibenden Lokaljournalisten ist bei seiner Berichterstattung wichtig zu erwähnen, dass ein SEK-Beamter während bzw. nach seiner Festnahme zu Vitalij K gesagt habe: „Du Wichser“. Diese Beleidigung wäre auf einem Überwachungsvideo deutlich zu hören. 

Inzwischen hat der Täter ein Geständnis abgelegt. Er sei seit 20 Jahren heroinabhängig. Die Waffe will er sich nur zu seinem Schutz organisiert haben. Bei dem Einsatz habe er sich sehr erschrocken und vor lauter Blaulicht die Orientierung verloren. Nachdem er einem Polizisten einen gefüllten Urinbecher übergeschüttet hatte, wollte er die Gelegenheit zur Flucht nutzen. Daraufhin habe er Reizgas abbekommen, unter den Fahrersitz gegriffen, um mit der dort versteckten Pistole auf die Beamten zu schießen.

Nunmehr hat ein gerichtlich bestellter Gutachter attestiert, dass bei dem Pistolenschützen zur Tatzeit eine „verminderte Schuldfähigkeit“ vorgelegen habe. Durch seinen hohen Drogenkonsum ist von weiteren Straftaten und einem hohen Risiko für die Bevölkerung auszugehen. Der medizinische Sachverständige spricht sich für eine Einweisung in den Maßregelvollzug aus. In einer Entziehungsanstalt müsste sich K. mindestens zwei Jahre lang von seiner Drogenabhängigkeit therapieren lassen.

Am Ende entscheidet das Gericht, ob es dem Gutachter folgen wird, davon ist jedoch auszugehen. Vitalij K. hat dadurch Chancen, eine sehr viel geringeres Strafmaß zu erhalten, die fraglichen Ermittlungen potenzieren diese Möglichkeit.

Auf die beiden Polizistinnen wartet dagegen eine separate Anklage.

Steffen Meltzer ist Buchautor von „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“

Foto: Pixabay

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Robert Jankowski / 10.03.2021

In den USA wäre Vitali jetzt tot. In DLand bekommt er noch eine zweijährige Bepuschelungskur obendrauf. Wieso ist er überhaupt noch hier, wenn er Kasache ist? Alles ein Wahnsinn!

Otto Nagel / 10.03.2021

“Auf die beiden Polizistinnen wartet separat eine Anklage”. Falsch ! Ich berichtige:“Auf die beiden Polizisten wartet separat eine Anklage “. Beim letzten Integrationsgipfel mit unserer Göttlichen wurde nochmals darauf hingewiesen, daß die “kulturellen ” Eigenheiten unser aller Gäste stärker zu berücksichtigen sind !  Somit ist die Aktenlage kkonsequent richtig und die beiden “Polizistinnen” wurden gestern zum Frauentag vom BuPrä ausgezeichnet !

Martin Stumpp / 10.03.2021

Das alles passt zu einem Staat, der die Bevölkerung angeblich vor einem Virus schützen will und diese daher unter Verletzung nahezu aller relevanten Grundrechte gängelt und ihrer Freiheit beraubt, aber unwillig ist Schwerverbrecher langfristig wegzusperren oder des Landes zu verweisen und damit vorsätzlich Vermögensschäden, schwere Verletzungen an Körper und Seele der Bevölkerung und sogar deren Tod in Kauf nimmt. Es ist definitiv nicht Aufgabe einer Regierung die Bevölkerung vor einem Virus zu schützen, sondern es ist deren Aufgabe die Bevölkerung vor Straftätern zu schützen. Dazu aber scheint die derzeitige deutsche Regierung nicht Willens, im Gegenteil, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dsss sie alles tut um der Bevölkerungsmehrheit, die in ihrer Mehrheit, scheinbar dumm genug ist das nicht zu bemerken, maximalen Schaden zuzufügen. Diese Regierung tut nicht einmal das Mögliche für den Schutz vor dem Virus. In Gegenteil, nahezu alle Maßnahmen sind sinnlos und einige sogar Kontraproduktiv. Dafür werden Maßnahmen vorsätzlich unterlassen, die die Verbreitung reduzieren würde.

Uta Buhr / 10.03.2021

NICHT ZU FASSEN!!!!!

Harald Unger / 10.03.2021

Die beiden Polizistinnen, verflixt - ich meine natürlich Polizistenden, hatten die Wahl. Entweder sich anzu- oder erschießen zu lassen. Oder selbst von der Waffe Gebrauch zu machen, um sodann medial hingerichtet und auf politische Weisung, wegen Totschlag aus rassistischen Motiven, beruflich vernichtet zu werden. Mit ungezählten TV Sondersendungen und der wochenlangen öffentlichen Ausschlachtung aller Details ihres Privatlebens. - - - Ob die Achse auch einen Dreiteiler über die Masken Amigos bringt?

Peter Groepper / 10.03.2021

Meine Phantasie reicht nicht mehr aus - nicht mehr nach vielen Jahren, in denen sie fast ausgereicht hätte - um mir einen realistisch anmutenden Vorfall auszumalen, der in den größten Teilen der Bevölkerung nicht mit einem Achselzucken und ohne nachhaltige Empörung mit der Folge veränderten Wahlverhaltens zur Kenntnis genommen würde. Mir fallen nur noch völlig absurde Beispiele ein - aber vielleicht kommen die ja auch noch…

Thomas Brox / 10.03.2021

Im Großen und Ganzen läuft doch alles bestens im Beamtenland. ++ Also dieses faschistoide Gerichtsverfahren gegen den traumatisierten Kasachen Vitalij K. muss natürlich sofort eingestellt werden. Ich finde man sollte ihn zur weiteren Integration bei der Stadt unterbringen, zum Beispiel als Gleichstellungs- oder Integrationsbeauftragten. Den beiden Polizistinnen muss ich ein hohes Lob zollen für ihr politisch korrektes Verhalten, sie sind für höhere Aufgaben geeignet und sollten befördert werden. Außerdem muss die Landesmedienanstalt NRW endlich dafür sorgen, dass solche zersetzenden Artikel wie oben zukünftig unterbleiben (Medienstaatsvertrag §19). Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder Pobel den Staat diffamiert. ++ “Auf die beiden Polizistinnen wartet dagegen eine separate Anklage.”  Ich mal gespannt, ob die beiden aus dem Beamtenverhältnis rausfliegen. Ich tippe nein.

Johan Kehl / 10.03.2021

Nun das kriegt man mit der Gleichstellung und Quoten. Wenn man noch dazu stets nach Rechten sucht, dann ist man ständig beschäftigt und hat keine Zeit Schulungen zu machen. Außerdem sind die Schulungen Werkzeuge des Patriarchats, außer natürlich wenn sie die weiße Fragilität als Kernthema haben.

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