Welterklärungen in Boulevardzeitungen haben oft nicht nur einen gewissen Unterhaltungswert, sie verraten nebenbei auch einiges aus der Wertewelt der jeweiligen Redaktion. Der Berliner Kurier hat dafür jüngst ein schönes Beispiel geliefert. Die Überschrift „Die sieben durchgeknalltesten Führer der Welt“ versprach dem Leser der Ausgabe vom 10. März 2017 auf Seite drei einen Einblick, wen die Redakteure für die schlimmsten und irrsinnigsten Spitzbuben unter den Staatenlenkern halten. Üble Diktatoren, brutale Potentaten und korrupte Autokraten, die ihre Völker kujonieren und ihre Länder dabei zugrunde richten, gibt es ja reichlich auf dieser Welt. Bei dieser Auswahl zielsicher die sieben verrücktesten Schurken herauszufinden, das bedarf schon eines gefestigten Weltbildes. Wie sieht das nun beim Berliner Kurier aus?
Als ersten nennen die Kollegen den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un. Gut, dieser Spitzenplatz überrascht niemanden. Der nächste in der Reihe ist Wladimir Putin. Nun ist der russische Präsident ja wirklich allenfalls für Gerhard Schröder ein lupenreiner Demokrat und es gibt sehr viele gute Gründe, ihn nicht zu mögen und sich vor ihm zu fürchten. Aber ihn im Durchgeknallten-Ranking an zweiter Stelle aufzuführen, wirkt dennoch etwas deplaziert. Wäre nicht eher sein türkischer Kollege Erdogan jetzt an der Reihe? Ach so, den haben die Kurier-Kollegen gar nicht auf der Liste der durchgeknalltesten sieben. Wer ist denn dann noch durchgeknallter als Erdogan? Ajatollah Chamenei wird als Dritter erwähnt. Gut, das ist nachvollziehbar. Aber als Vierter ist den Welterklärern des Blattes Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eingefallen, denn der „treibt den Siedlungsbau voran und provoziert so seine palästinensischen Nachbarn“. Das kann man mit Recht für vollkommen fatal und falsch halten, aber gehört er damit schon zu den sieben „durchgeknalltesten“ Weltenlenkern? Wenn man sich so unter den Staatsführern der Welt mal umsieht, gibt es da wirklich geeignetere Kandidaten für die Spitzenplätze. Zumal die provozierten „palästinensischen Nachbarn“ sich auch nicht gerade als Freunde friedlicher und gedeihlicher Nachbarschaft erweisen. Wessen Führer erklärtermaßen die Vernichtung des Staates Israel anstreben, kann nun einmal nicht mit besonders viel Entgegenkommen rechnen.
Harmloser als Netanjahu
Der für dieses Welt-Führer-Ranking verantwortliche Redakteur hält Netanjahu jedenfalls für eher erwähnenswert als der ihm folgende Präsident der Phillipinen, Rodrigo Duterte, der das schnelle Erschießen von Kriminellen für ein probates Mittel der Innenpolitik hält. Erst nach ihm findet Syriens Diktator Baschar al-Assad Erwähnung. Schlusslicht ist Zimbabwes Langzeit-Herrscher Robert Mugabe, der ein einst blühendes Land in den Ruin und in Hungersnöte führte und viele Landeskinder zu Flucht und Auswanderung trieb. Sind die alle harmloser als Netanjahu oder bloß weniger durchgeknallt?
Werfen wir vielleicht noch einen Blick auf die, die es nicht auf die Liste geschafft haben. Interessanterweise scheint Abu Bakr al-Bagdadi, der Führer des Islamischen Staats, nicht genug durchgeknallt zu sein. Dass er hinsichtlich von Massenmord, Brutalität und Unterdrückung in die Spitzengruppe gehörte, ist ja wohl unzweifelhaft. Doch vielleicht handelt er dabei nicht durchgeknallt genug, da er ja nur den Regeln einer bestimmten Religionsideologie besonders konsequent folgt.
Aber lassen wir das Interpretieren und freuen uns auf die Zukunft. Vielleicht unterhält uns der Berliner Kurier demnächst ja mal mit einem Artikel, der uns die sieben durchgeknalltesten Redakteure der deutschen Presse näherbringt.
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