In der Individualpsychologie kennt man ja den “Wiederholungszwang”, wo die Themen unbewältigter früher Konflikte oder Traumata eigentlich auf Teufel komm heraus gemieden und gefürchtet werden und der seelisch lädierte Mensch dennoch im vergeblichen unbewussten Versuch einer “Wiedergutmachung” regelmässig wieder in schädlichen und selbstdestruktiven Neuinszenierungen landet. Manchmal fragt man sich, ob dieser ineffektive neurotische Mechanismus auch in Deutschlands kollektiver Psyche stattfindet. Vermutlich hänge ich es aber damit viel zu hoch und die meisten Leute sind wie früher einfach obrigkeitshörig, feige und bequem. Das werden irgendwann wieder Historiker analysieren.
Die letzten Sätze berühren meine Beobachtungen.Familiär in eine oppositionelle Familie geboren ,erinnerte mich die Presse zum Jugoslawienkrieg erstmals voller Entsetzen an die DDR.Niemand meiner westlich sozialisierten Freunde wollte irgendetwas von dem Erkennen was heute als geschichtliche Wahrheit (nicht öffentliche Erinnerung) anerkannt scheint.Wenn es um Nichts geht stellt sich dann wieder Pluralität her die Alle beruhigt.Das die Presse ihre Mitschuld am Krieg nie aufgearbeitet hat ,bildet den Boden zur Propaganda der letzen Jahre die diesmal (wegen Übertreibung der offensichtlichen Kriegstreiberei)zur völligen Entfremdung bei weiten Bevölkerungsschichten geführt hat.Darauf mit Gedankenpolizei zu reagieren erreicht längst DDR Niveau.Gerade in Bildungsbürgerkreisen beobachte ich eine extreme Neigung zur Denuziation abweichender Meinungen mit “Rechter” den ich in der DDR nie erlebt habe.Mütter raten sich auf dem Schulhof gegenseitig im Scheidungsprozess die “rechte Karte” zu spielen,Konkurenten im Beruf werden zielgerichtet über “rechte” Gerüchte aus dem Beruf gedrängt und ein vermeintlich rechter Vater in unserem Kindegarten hatte nur eine missgünstige Stiefschwester und eine Mecklenburgfahne im Garten was ihm fast einen Schulverweis in der Waldorfschule einbrachte.Talkshows ,Meinungführer und Politik befördern diese Stimmung nach Kräften. Wie in der Stasidebatte erinnere ich als Zeitzeuge das es nie eine treffsichere Diskussion gab.Viel weiter kommt man mit einer Opportunismusdebatte auf die auch der Artikel abhebt.Wenn zwei ausgewiesene Opportunisten des DDR Regimes heute die führenden Posten der BRD bekleiden kann man davon ausgehen das diese Debatte überfällig ist.Die Mutigen der DDR sind uns nur dann bekannt geworden wenn sie nur in der DDR mutig waren.(Uwe Johnsons Biografie gibt da ein gutes Beispiel). Ich würde Sie bitten Ihr journalistisches Vermögen mal dem Opportunismus zu widmen.Hier liegt meiner Meinung nach der Hund begraben.In Erziehung aber auch Öffentlichkeit kann uns nur eine Erziehung zur Zivilcourage und zum Mut vor dem Bewahren was sich als Geschichte nicht wiederholen soll.
Super Artikel, der es trefflich auf den Punkt bringt. Zu oft wird der verfütterte Einheitsbreu wiedergekäut, auch wenn die Zutaten oft weder Geschmack noch Inhaltsstoffe enthalten. Es ist halt bequem, im Einheitsbrei mit zu “kauen”. Das wirklich befremdliche für mich aber ist, dass viele Bürger dieses Landes nicht ansatzweise hinterfragen und überlegen. Und jene welche sich zu Kritik hinreisen lassen, überlegen im Vorfeld ihrer Äußerung 2-3 mal ob diese angebracht und nicht nachteilig für die eigene Persönlichkeit ist.
Toller Artikel! Gratuliere.
Jeder von uns kennt diese Mitläufer und ihre Phrasen zu genüge: “Die Bundesregierung hat aus ihren Fehlern gelernt!” “Ich will nicht immer alles schwarz sehen!” Oder, als Ausdruck des letzten Aufgebots: “Wer (außer Merkel) soll es denn sonst machen?” Es fehlte nur noch der Satz: “Wenn das die Kanzlerin wüsste…” Die Menschen ändern sich offenbar nicht.
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