Walter Krämer / 31.07.2019 / 16:00 / 9 / Seite ausdrucken

Unstatistik des Monats: Weniger Diabetes durch vegetarische und vegane Ernährung?

Die Unstatistik des Monats Juli ist die von vielen Medien aufgegriffene Meldung, dass vegane Ernährung das Risiko einer Diabetes-II-Erkrankung um fast ein Viertel reduziert. Darüber berichteten unter anderem die Internetportale infranken.definanz-experte.info und heilpraxis.net. Hintergrund dieser Meldungen ist eine in der Zeitschrift „JAMA Internal Medicine“ veröffentlichte sogenannte Meta-Studie. In dieser Meta-Studie werden insgesamt neun Schätzergebnisse analysiert, die aus sieben Studien zum Zusammenhang zwischen vegetarischer und veganer Ernährung und dem Risiko einer Diabetes-II-Erkrankung entnommen wurden. An diesen sieben Studien nahmen etwas mehr als 300.000 Personen teil.

Und hier liegt der erste große Fehler obiger Meldungen. Grundlage der in „JAMA Internal Medicine“ publizierten Studie waren nicht die Beobachtungen von mehr als 300.000 Studienteilnehmern, sondern lediglich neun Schätzergebnisse. Darüber hinaus wird mit einer relativen Risikoreduktion (das Risiko einer Diabetes II-Erkrankung sinkt um 23 Prozent) ein gewaltiger Effekt suggeriert, der sich bei genauerer Betrachtung als wesentlicher kleiner darstellt.

Laut Angaben der Autoren hatten 23.544 der an den sieben Studien teilnehmenden 307.099 Personen Diabetes II. Das entspricht einem absoluten Risiko von 13 Prozent. Vegetarische und vegane Ernährung reduzieren dieses absolute Risiko um 23 Prozent, also um 3 Prozentpunkte von 13 auf 10 Prozent.  Das klingt schon wesentlich unspektakulärer als ein um fast ein Viertel reduziertes Risiko.

Es besteht kein Zweifel, dass eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse und weniger Fleisch gesund ist. Reißerische Schlagzeilen mit aufgeblähten Effekten vegetarischer und veganer Ernährung auf Basis von neun Beobachtungen können da schon eher angezweifelt werden.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de .

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Jan Kandziora / 31.07.2019

Effekte im Bereich von absoluten 3% können Sie schon bei kontrollierten physikalischen Bedingungen kaum vom Grundrauschen unterscheiden. Wenn Sie so etwas dennoch sehen (guter Mann!), ändern Sie ihre Anordnung und versuchen diesen »Schmutzeffekt« zu isolieren – mehr ist es nämlich erst mal nicht – und auf irgendeinen Grund in ihrer Messweise zurückzuführen. Pro-Tipp, wenn Sie nichts finden: Es ist es der Kühlschrank für das Bier, mal läuft er, mal nicht. — So etwas kann eine Metastudie natürlich nicht tun. Die Messergebnisse liegen ja schon vor und nun versucht der Numerologe, da irgendwelche Kausalitäten hineinzudeuten. Er muss sich also darauf verlassen, dass der Kühlschrank in den Daten nicht mehr vorkommt. Oder im Bereich Ernährung passender: Dass die Teilnehmer auf die ellenlangen Ernährungsfragebögen tatsächlich fleißig und wahrheitsgemäß geantwortet haben. Ich würde das angesichts meiner eigenen Erfahrung als Mensch glattheraus verneinen. Der Numerologe kann mir das Gegenteil nicht beweisen. Ich kann seine Versuchsanordnung auch nicht nachvollziehen. Er natürlich auch nicht. Er hat nur Zahlen auf einem Papier.

toni Keller / 31.07.2019

Wenn in einem Roman die schlimmen Verhältnisse früher ´beschrieben werden sollen, so wird oft als Beschreibung gewählt, dass es allenfalls an Weihnachten Fleisch gab,. und Sonntags allerhöchstens Speck. Damit wird die Lage sowohl der Arbeiter aus der Frühzeit der Industrialisierung alsauch die armer Bauern im Mittelalter bzw der Neuzeit beschrieben. Liest man die Lobgesänge auf vegane bzw vegetarische Ernährung so fällt der Widerspruch sofort ins Auge, man lobt, was man andererseits verteufelt! Von Grimmelshausen hat diese seltsame Einstellung im 17. Jhd in seinem Gedicht “Du sehr verachter Bauernstand” schon beschrieben: Er schreibt dort: Vom bitterbösen Podagram, Hört man nicht, daß an Bauren kam, Das doch den Adel bringt in Not, Und manchen Reichen gar in Tod. Das Podagram ist die Gicht und auch eine ernährungsbedingte Krankheit, aber es ist mit uns nicht anders, wie mit den Reichen aller Zeiten, man schwärmt vom einfachen Leben und ist doch froh dem entronnen zu sein. Und die die angeblich so gut und nett und gesund leben, die sind da längst nicht so begeistert von, wie gelangweilte Nichtstuer so meinen

J.R. Huels / 31.07.2019

Seit wann sind ~24.000 von ~307.000   13%?

Jochen Selig / 31.07.2019

“Es besteht kein Zweifel, dass eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse und weniger Fleisch gesund ist.” Behauptung ohne Beleg.

Roland Müller / 31.07.2019

Seit es möglich ist, mit Hilfe von genmanipulierten Bakterien Insulin in unbegrenzter Menge herzustellen, ist die Diabetes mittels ständig sinkender Grenzwerte unaufhaltsam auf dem Vormarsch.

H. Schmidt / 31.07.2019

Vielleicht weniger Diabetes, dafür dann weniger Hinschmalz um noch in der Lage zu sein bis 3 zählen zu können.

Volker Kleinophorst / 31.07.2019

Wie konnte ich nur 62 werden? @ K. Kuhn Natürlich richtig. Das Leben ist doch süß genug. ;)

Wolfgang Häusler / 31.07.2019

Könnte es sein, dass die für die Veröffentlichung der Studie verantwortlichen Qualitätsjournalisten möglicherweise den Unterschied von Prozent und Prozentpunkte nicht kennen oder nicht kennen wollen?

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