Walter Krämer / 04.12.2018 / 16:00 / 3 / Seite ausdrucken

Unstatistik des Monats: Die sogenannte „schwarze Null“

Die Unstatistik des Monats November 2018 ist die vielzitierte „schwarze Null“, mit der Bundesfinanzminister Scholz seinen Haushaltsentwurf 2019 abschließt. Über sie berichteten beispielsweise die „Deutsche Welle“ und tagesschau.de. Gemeint ist damit, dass sich Einnahmen und Ausgaben ausgleichen und keine Schulden aufgenommen werden.

Dabei ist erstens zu beachten, dass insbesondere die derzeit gute Konjunktur zu höheren Staatseinnahmen und geringeren Ausgaben führt. Würde man diese positive Konjunkturkomponente vom ausgeglichenen Finanzierungssaldo abziehen, wäre der sich dann ergebende „strukturelle“ Finanzierungssaldo des Bundes negativ. Das Beharren auf der nicht um Konjunktureffekte bereinigten „schwarzen Null“ führt dazu, dass in konjunkturell günstigen Zeiten der Bund mehr ausgibt und in schlechten Zeiten weniger, also (vorsätzlich) eine prozyklische Haushaltspolitik betreibt.

Zweitens ignoriert die derzeitige Berechnungsweise, dass staatliche Autobahnen, Brücken und andere öffentliche Infrastrukturprojekte gelegentlich repariert oder erneuert werden müssen. Denn die Abschreibungen und Rückstellungen dafür werden bei der Ermittlung der „schwarzen Null“ nicht berücksichtigt. Eine solche Rechnung widerspricht den „European Public Sector Accounting Standards“ (EPSAS), welche die EU-Kommission für Öffentliche Einnahmen und Ausgaben vorgeschlagen hat. Anders als die meisten anderen EU-Staaten hat sich Deutschland dieser Sichtweise bisher widersetzt, unter anderem mit der Begründung, dass zu viele Schätzungen notwendig seien.

Kurz gesagt kritisiert der Bundesrechnungshof, dass europaweit einheitliche Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor nicht stärker als bisher dazu führen würden, dass die Mitgliedsstaaten solide und regelkonforme Haushalte aufstellen, weil die entsprechenden Daten auch von subjektiven Faktoren abhingen und nur scheinbar zuverlässig seien. Grundsätzlich ist es korrekt, dass aus schlechten Daten keine guten Statistiken entstehen können. Aber deswegen ein strukturell problematisches Modell beizubehalten, das wesentliche zukünftige Ausgaben unter den Tisch fallen lässt, nur weil sie nicht exakt zu bestimmen sind – das kann nicht die Lösung sein.

Fazit: Für eine nachhaltige Haushaltspolitik ist eine „schwarze Null“ nicht ausreichend. Gerade in Zeiten des Aufschwungs sollte der Bund vielmehr einen (unbereinigten) Finanzierungsüberschuss erzielen.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de.

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Leserpost

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Marcel Seiler / 04.12.2018

M.E. müssten auch Schattenhaushalte, wie die Bilanz der Bundesbank, einbezogen werden. Dort gibt es etwa eine Billion Euro Target-“Salden”. Diese “Salden” sind Forderungen. Diese Forderungen sind uneinbringlich, notleidend, verloren. Sie müssten daher abgeschrieben werden. Natürlich tut dies die Bundesregierung nicht, weil es die Euro-Lebenslüge offenbar machen würde; der Schwarze Null wäre dann auch hinüber. – Ich vermute, es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Schattenhaushalte, die, wenn man sie einbezöge, die Schwarze Null als Lebenslüge entlarven würde.

Sepp Kneip / 04.12.2018

Deutschland könnte wirklich ein reiches Land sein. Das, was der deutsche Bürger erarbeitet und erwirtschaftet, kann sich in der Tat sehen lassen. Die Steuereinnahmen sprengen jedes Jahr die Vorausschätzungen um zig Milliarden. Nur, wo bleibt dieses Geld? Der Bürger bekommt nichts davon, Schulden werden keine getilgt. Seit Jahren wird eine „Schwarze Null“ verbucht. Wie kann das sein, bei so viel Steuermehreinnahmen? Nochmals, wo geht dieses überschüssige Geld hin? Warum klärt das Parlament. dessen vornehmste Aufgabe es ist, den Haushalt und die Finanzen zu kontrollieren, den Bürger nicht über den Verbleib des Geldes auf? In welchen Etat-Posten ist das Geld versteckt, dass man es nicht sieht und Ansprüche erheben könnte. Aus welchen Etat-Posten wird das Geld genommen, das verbrannt wird in Euro-“Rettung”, Energiewende und “Flüchtlings”-Politik? In der Skala der Durchschnittsvermögen der Bevölkerung liegt Deutschland auf europäischer Ebene weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Aber auch der deutsche Staat ist nicht vermögend. Deutschland ist hoch verschuldet. Zudem stotzt Deutschland vor Eventualverbindlichkeiten durch einen Investitionsstau und maroder Infrastruktur. Deutschland ist in Wirklichkeit ein armes Land, das zwar zur Zeit einen guten cash flow hat, das Geld hieraus aber zum Fenster hinaus wirft. Sei es eben durch diese wahnwitzige Energiewende, durch die irrsinnige Finanzierung der EU und des Euro-Landes und insbesondere die aberwitzige Finanzierung der Massenimmigration. Hier immer eine Schwarze Null zu offerieren, ist Zynismus pur und Diebstahl am deutschen Bürger.

Ruedi Tschudi / 04.12.2018

Immerhin haben wir eine rote Null, Scholz.

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