Sehr geehrter Herr Krämer, mir scheint, Ihre Ausführungen gehen an der Sache vorbei. (1) setzt Ihre Logik voraus, dass die „Maßnahmen“ so wirken wie antizipiert, es gibt jedoch viele empirische Daten, die das zweifelhaft erscheinen lassen, und diese haben gegenüber Modellen Priorität; die Meinung von Dr. M. ist in Ermanglung jeder Kompetenz ohnedies irrelevant. (2) liegen nach meiner Erfahrung die Hauptprobleme der Modelle nicht an einer paradoxen Selbstaufhebung, sondern an Unzulänglichkeiten der Modellstruktur und der Parameterschätzer; das tritt im Falle COVID besonders zutage, indem etwa die Inhomogenität der Population in der Regel vernachlässigt wurde. Rechnungen, die exponentielles Wachstum über mehrere Perioden postulieren, sind aufgrund der Nichtlinearität besonders fehleranfällig und unzuverlässig, ich gebe so etwas inzwischen gleich in den Müll. (3) ist die höhere „Infektiosität“ der Mutation zunächst relativ zu sehen, sie sagt voraus, dass ihr relativer Anteil zunimmt, und das ist der Fall. Die Zahl der positiven Tests geht jedoch überall zurück. Sollte man das darauf zurückführen wollen, dass die „Maßnahmen“ wirken und dies indirekt die Richtigkeit der Modelle bestätigt, dann haben wir einen zentralen Faktor der Falsifikation außer Kraft gesetzt (s.o.). Kennen Sie ein Modell, welchen den jahreszyklischen Verlauf von Influenza-Infektionen ganz ohne „Maßnahmen“ plausibel und empirisch nachprüfbar erklärt? Das bräuchte man doch als Ausgangspunkt. Wir bewegen uns durchaus in Richtung von „Globuli wirken bei Erkältung“, und ich frage mich, ob Ihr Beitrag nicht satirisch gemeint ist.
Es lohnt nicht, die Behauptung statistisch nachzurechnen. Sie dient doch nur dazu von der Verantwortlichkeit der versagenden Politik abzulenken. Es ist immer gut eine Variable im Hintergrund zu haben, die sich jeder Logik entzieht und auf die man angeblich keinen Einfluß hat.
Man kann nur modellieren was man auch (qualitativ und quantitativ) vollständig versteht. Dies ist bei Corona genausowenig wie beim Klima der Fall. Daher sind die Ergebnisse der Modellierer von Anfang an völlig falsch und daher wertlos. Wenn man die Zusammenhänge nicht versteht, bleibt nur, die Realität (dh die gemessenen Zahlen) anzusehen und diese Entwicklung in die Zukunft fortzusetzen. Bei der britischen Mutation sieht man klar, dass es offensichtlich in Grossbritanien nicht zu einer Verzehnfachung der Inzidenz gekommen ist (sondern auch dort die Welle längst wieder abebbt. Also wird dies auch in Deutschland so sein. Auch würden man bei einer nüchternen Betrachtung der Zahlen seit Monaten wissen, dass Corona genau wie andere Atemwegserkrankungen saisonal auftritt und daher bis Ostern die Grippesaison und Coronasaison vorbei sind.
Halten wir uns also an Mark Twain: Prognosen sind schwierig , besonders wenn sie die Zukunft betreffen.
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