Carlos A. Gebauer, Gastautor / 23.04.2021 / 06:00 / Foto: achgut.com / 87 / Seite ausdrucken

Unsere Verfassungs–Beschwerde gegen das Infektionsschutz–Gesetz

Gemeinsam mit Florian Post (MdB SPD) und drei weiteren Beschwerdeführern habe ich gestern gegen das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Verfassungsbeschwerde bei dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Prof. Dr. Dietrich Murswiek, der ohne Zweifel einer der renommiertesten deutschen Staatsrechtler ist, vertritt uns.

Die juristische Architektur des Gesetzes mit einem starren legislativen Automatismus zwischen der behördlichen Feststellung einer „Inzidenz“ und der exzessiven (strafrechtsbewehrten) Verkürzung von Grundrechten setzt eine Vielzahl bislang sicher geglaubter, rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Standards außer Kraft. Die Legislative verdrängt die Exekutive und die Judikative damit faktisch fast vollständig aus dem gesamten Regelungskontext. Verletzt wird zudem das – historisch aus guten Gründen festgeschriebene – föderale Prinzip der Republik. Eine einzelne Behörde, das Robert-Koch-Institut, wird somit zu einer das Leben weithin monistisch steuernden, quasi-gesetzgebenden Institution, deren Handeln keiner fachrichterlichen Kontrolle unterliegt.

Ungeachtet der in tatsächlicher Hinsicht offenbar insgesamt fragwürdigen Inzidenzwertmethodik und unbeschadet der Frage, welcher Umfang von abstraktem Risiko und konkreten Gefahren überhaupt (noch) akut zur Diskussion steht, ist zu konstatieren: Dem Gesetzgeber des Grundgesetzes steht nicht die Kompetenz zu, menschliches Leben über modellberechnete Algorithmen zu steuern. Der Anspruch der Legislative, die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens schützen zu wollen, lässt sich deutlich effektiver auch mit milderen Mitteln erreichen.

Neben der Verfassungsbeschwerde ist folgerichtig ein Antrag auf eiligen Rechtsschutz gestellt. Dietrich Murswiek hat die rechtliche Lage in herausragender Weise erläutert und die gebotenen Konsequenzen beschrieben. Ich lege allen die Lektüre seiner angefügten Beschwerdeschrift sehr ans Herz. Es wäre schön, wenn die Nachricht möglichst viele Menschen erreicht.

Und hier finden Sie die die 51-seitige Verfassungsbeschwerde im Wortlaut.

Foto: Achgut.co,

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

B. Kurz / 23.04.2021

Jeder Versuch, diesem menschenverachtenden Gesetz entgegenzutreten ist zu begrüßen, auch wenn ich mit Hinblick auf den Vorsitzenden des BVerfG so meine Zweifel habe. Wer in dieser Hinsicht auch noch Unterstützer werden möchte, den weise ich nochmals auf die Verfassungsbeschwerde von Frau M. Grimmenstein und neuerdings auch die Beschwerde vom Freiheitsverbund hin. In beiden Fällen ist eine kostenlose Teilnahme durch Zusendung einer Vollmacht für den Anwalt problemlos möglich. Schütten wir sie zu!

Martin Landvoigt / 23.04.2021

@ Thomas Meyer - Ich stimme ihnen völlig zu wenn sie schreiben: “Ich frage mich, wieso soll eine mögliche Überlastung der Intensivstationen überhaupt der sakrosankte Gradmesser für die Aussetzung von Verfassungsrechten sein?” - Das ist eine rhetorische Frage, denn es wurden bereits die Gesetze beschlossen, nach der die freien Kapazitäten in stille Reserven umgewandelt wurden - nur bleiben diese dem DIVI unsichtbar. Gut aufbereitete Argumentation von SamuelEckert (auf allen Kanälen) . Weiter schreiben Sie: “Die Schiene auf der wir gerade Fahrt aufnehmen (Leben, Klima und was sonst noch retten) führt geradewegs auf 1984 zu.” - in der Tat, das ist gespenstig!

B. Dietrich / 23.04.2021

...und??? Wieviele Verfassungsbeschwerden hat es seit Beginn des Corona-Irrsinns bereits gegeben? Wieviele tausend wohlbegründete Beschwerden haben berufene Fachleute seit Monaten eingereicht? Allein von der Ende letzten Jahres eingereichten, sachlich kompetenten, über 190 Seiten langen Verfassungsbeschwerde des Strafrichters am Berliner Landgericht, Pieter Schleiter, hat man seitdem nichts mehr gehört. Man schaue spaßeshalber einmal auf die Webseite des BVerfG, unter “Verfahren/Ausgewählte Neueingänge”.  Da ist NICHTS, aber auch gar NICHTS RELEVANTES zu den aktuellen Verfassungsproblematiken zu sehen. Daraus schließe ich, dass diese Anträge entweder als offensichtlich unzulässig oder als “nach bisheriger Rechtssprechung des BVerfG nicht erfolgversprechend” verworfen wurden. So einfach geht das!

Johannes Schuster / 23.04.2021

Ich gehe davon aus, daß das BVerfG mit einer seichten Seitenbewegung “Korrekturen” in Aufgabe stellen wird, die Merkels Position wahren und für alle VerwaltungsGverf. die Weichen stellen (Baukastenurteile wie bei den SGs) . Das wird auch der Kernsinn des Gesetzes sein, daß die SEDler hier die Machbarkeit in dieser rot versifften Rest - BRD ausloten. Die Außenwirkung an die Kräfte von Jalta wird sein, daß Deutschland Demokratie nachhaltig nicht kann und man eine “Lösung der Deutschlandfrage” in den Hinterzimmern um den Globus langsam zu einem permanenten Minutenwalzer - Nebenthema machen wird. Alle werden Corona irgendwie in ihrer Tradition bewerkstelligen und die Deutschen in der ihren. Und genau das wird Sozialfragen und die Mündigkeit oder Unmündigkeit der Deutschen zum Thema machen. Um zu erspüren, was gefragt ist sollte das VerfG nach London und Washington schauen und nicht auf den Zweitakt unserer 6V -Künstlerin.

Andreas Bitz / 23.04.2021

M.E. wäre der Fokus noch deutlicher auf den skandalösen Abbau der Intensivbetten zu richten: In “meinem” Landkreis Mainz-Bingen sind von 53 Intensivbetten (Juni 2020) noch gerade mal 10 (aktuell) übrig. Hier werden drei Covid19-Patienten behandelt, keiner beatmet. Durch die Schließung der örtlichen Corona-Spezialklinik in Ingelheim wird ein Engpass herbeigeführt. Ein weiterer Aspekt: Durch die nun für 10 Mio Schüler 2 x pro Woche verpflichtenden Tests, durch Tests in Zentren und am Arbeitsplatz werden beliebig manipulierbare Inzidenzwerte herbeiphantasiert. Was passiert eigentlich, wenn Kreise und Städte einfach nicht oder nur noch sehr lax testen? Dann kann das RKI doch nur noch das Ende von Corona in der entsprechenden Körperschaft verkünden…,

Angela Seegers / 23.04.2021

Dem Gesetzgeber des Grundgesetzes steht nicht die Kompetenz zu, menschliches Leben über modellberechnete Algorithmen zu steuern. Ich musste ihn einfach kopieren, diesen Satz des Autors….... Dieser eine Satz reicht, um dem Ungläubigsten klar zu machen, was hier mit uns geschieht.

T. Schneegaß / 23.04.2021

Sehr geehrter Herr Carlos A. Gebauer, ich schätze Ihre und Ihrer Mitstreiter Mühe und Engagement über alle Maßen. Trotzdem möchte ich Sie fragen: an wen haben Sie Ihre Klage adressiert? Karlsruhe ist nicht mehr zuständig. Ich hoffe, Sie haben Sie direkt zu Händen der Abrissbirne ins Kanzleramt geschickt, dort fällt die Entscheidung. Das ist auch dann geschehen, wenn Sie Antwort aus Karlsruhe bekommen, der Schein wird natürlich gewahrt.

Friedrich Richter / 23.04.2021

Nur noch gelegentlich dienstlich in Deutschland, fällt es mir schwer, mir ein Bild über die Stimmungslage zu machen. Im geschäftlichen Umgang ist man bei politischen Themen eher zurückhaltend. Diese Woche, in NRW und RP, war das nicht der Fall. Meine Gesprächspartner gaben unaufgefordert und unabhängig voneinander ihrer Zufriedenheit darüber Ausdruck, dass die einschränkenden Massnahmen endlich zentral beschlossen und verfügt würden. Dieser föderalistische Flickenteppich funktioniere eben nicht, und es werde Zeit, dass endlich hart durchgegriffen werde. Der Begriff “Reichskanzlerin” ist nicht gefallen, hätte an der Grundaussage jedoch nichts geändert, ihr aber linguistisch den letzten Schliff gegeben. Ich weiss nicht, ob das die allgemeine Stimmungslage wirklich widerspiegelt. Jedenfalls habe ich das leicht deprimierende Gefühl, dass die Leute die Brisanz dieses Gesetzes gar nicht erkennen und die Verfassungsklage eher ablehnen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Carlos A. Gebauer, Gastautor / 21.06.2022 / 14:00 / 7

Lobrede zur Preisverleihung an die Achse des Guten

Am 17. Juni 2022 verlieh die Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft in Potsdam der Achse des Guten den Netzwerkpreis 2022. Hier die Laudatio von Carlos A.…/ mehr

Carlos A. Gebauer, Gastautor / 30.05.2022 / 06:15 / 128

Hilfe für das Management des Unwissens

Ein Verfassungsgericht muss den Bürgern Rechtssicherheit durch eigene Prinzipientreue geben. Wo reale Entscheidungsgrundlagen fehlen, da kommen staatliche Eingriffe in menschen- und bürgerrechtlich geschützte Sphären nicht als legitim…/ mehr

Carlos A. Gebauer, Gastautor / 17.03.2022 / 16:00 / 31

Beweise, bitte! Das A und O für Corona-Prozesse

Wer in Sachen-Corona einen Gerichtsprozess ansteuert, muss damit rechnen, dass auch Richter nicht immun gegen Mythen der öffentlichen Meinung sind. Es ist deshalb immens wichtig,…/ mehr

Carlos A. Gebauer, Gastautor / 09.09.2021 / 16:00 / 125

Kurze Rede an die wohlstands-verwahrlosten Luxuskinder

Eine Generation, die nicht mehr weiß, was körperliche Arbeit ist, bekämpft den Motor und setzt auf Muskelkraft. Es ist die Generation Zentralheizung, die glaubt, Wärme…/ mehr

Carlos A. Gebauer, Gastautor / 01.09.2021 / 11:00 / 115

Nur Richter dürfen Quarantäne anordnen

Ohne Beteiligung eines Richters bleibt diese Freiheitsentziehung rechtswidrig. Wer dazu schweigt, wo er reden könnte und auch reden sollte, der gibt sich selbst den Anschein,…/ mehr

Carlos A. Gebauer, Gastautor / 03.08.2021 / 06:15 / 123

Darf man Deutsche ohne Test aussperren?

Frage von Achgut.com: Ist es überhaupt verfassungsrechtlich zulässig, die Einreise eines deutschen Staatsbürgers in sein Heimatland von seinem Impf- oder Gesundheitsstatus abhängig zu machen? Hat nicht…/ mehr

Carlos A. Gebauer, Gastautor / 28.05.2021 / 06:00 / 103

Die unerträgliche Schweigsamkeit des Gerichts

Seit Monaten erlebt die Bundesrepublik Deutschland die schwerwiegendsten Verkürzungen von Menschen- und Bürgerrechten seit ihrer Gründung vor 72 Jahren. Nicht nur die materiellen, sondern insbesondere auch…/ mehr

Carlos A. Gebauer, Gastautor / 26.01.2021 / 06:05 / 96

Urteile lesen statt Richter mobben

Nicht alles, was ein Amtsrichter in Weimar in ein Urteil schreibt, muss richtig sein. Aber auch nicht alles, was der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einen Beschluss…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com