Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 02.03.2008 / 11:16 / 0 / Seite ausdrucken

Unsere tägliche Rationierung gib uns heute

Die britische Geschichte ist voller Mythen. Einer dieser Mythen lautet, dass das Land nur deshalb siegreich aus dem Zweiten Weltkrieg hevorgehen konnte, weil es seine Kriegswirtschaft streng geplant hatte. Und es stimmt natürlich: Damals wurden Lebensmittel rationiert, Personalausweise eingeführt und die Wirtschaft zentral gesteuert. Aber ob das wirklich gereicht hätte, um Hitler-Deutschland zu bezwingen, wenn nicht die Amerikaner in den Krieg eingegriffen hätten? Wurde der D-Day tatsächlich durch britische Lebensmittelmarken ermöglicht? Man darf es bezweifeln.

Nichtsdestoweniger lautete die britische Schlussfolgerung aus den Kriegsjahren, dass strenge Planung den Krieg gewonnen hatte. Und strenge Planung sollte nun auch den Frieden gewinnen. Die Einführung des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS ist ein bleibendes Andenken an diese Hypothese. Auch gab es bis in die 1970er Jahre Bedarfsprüfungen beim Bau neuer Fabriken, und bis heute muss bei neuen Supermärkten nachgewiesen werden, dass diese auch wirklich gebraucht werden. Die Vorstellung, dass es eine Regierung gibt, die im Zweifelsfall besser weiß, was die Bürger zu tun und zu lassen haben, hat sich in der britischen Psyche festgesetzt.

So darf man sich denn auch nicht wundern, wenn - wie diese Woche geschehen - der Umweltschützer George Monbiot in einer Fernsehdiskussion unwidersprochen sagen darf, dass der Staat den Konsum seiner Bürger stärker kontrollieren und steuern soll. Begründung: Damit habe man doch schon einmal einen Krieg gewonnen, und heute ginge es eben nicht gegen Hitler-Deutschland, sondern gegen die Erderwärmung. Die Heimatfront wird mit dem Toyota Prius und nicht mehr mit der Spitfire verteidigt, sonst ändert sich nichts.

Heute nun die neueste Rationierungsüberlegung, und die kommt diesmal direkt vom Oberkommando der Staats- und Parteiführung. Premierminister Gordon Brown, so berichtet die Sunday Times, will den Zweitwohnungskauf weitgehend einschränken. Gerade in ländlichen Gebieten (in denen seit Jahrzehnten zu wenig gebaut wird) seien die Hauspreise zu stark gestiegen, wofür man nun die Zweitwohnungsbesitzer verantwortlich macht. Sie hätten die Preise in die Höhe getrieben. Jetzt könnte man natürlich auf den Preisanstieg mit einer Ausweitung der Bautätigkeit reagieren, aber das geht natürlich nicht so ohne weiteres, denn auch der Bausektor ist in Großbritannien strengstens reguliert. Übrigens stammt diese Regulierung, man ahnt es, ebenfalls aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Man müsse das Bauwesen streng planen, dachte man damals, denn schließlich habe man so ja auch den Krieg gewonnen.

So zieht eine Regulierung die nächste nach sich. Wie das weitergeht? Eigentlich gar nicht schwer vorherzusagen: Die verhinderten Zweitwohnungsbesitzer werden ihre Zweitwohnungen nun im Ausland kaufen. Doch das Wochenendpendeln nach Spanien und Frankreich wird der Regierung wegen der CO2-Emissionen und des Devisenexports ein Dorn im Auge sein, also werden in einem nächsten Schritt die Devisenkontrollen wieder eingeführt und Billigflüge ins Ausland höher besteuert. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder Brite machen könnte, was er wollte? So gewinnt man keine Kriege, und mit einer solchen Bevölkerung ist einfach kein Staat zu machen.

Apropos Staat. Noch eine Vorhersage: Wenn die neuen Zweitwohnungsverhinderungsregulierungen in Kraft treten, wird eine Bevölkerungsgruppe natürlich von ihnen auszunehmen sein, nämlich die Unterhausabgeordneten. Im Gegenteil. Wie gestern bekannt wurde, verlangen sie eine deutlich höhere Kostenpauschale, um ihre doppelte Haushaltsführung in London und im Wahlkreis entsprechend finanzieren zu können.

Die britische Geschichte ist voller Mythen. Es soll in diesem Land einmal ein kleines, freiheitlich gesinntes Volk gegeben haben. Wahrscheinlich auch so ein Mythos.

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