Nach dem Ende der Roten Armee Fraktion morden nun wieder deutsche Terroristen – diesmal vor allem im Nahen Osten. Wieder kämpfen sie gegen den Westen und seinen Imperialismus, nur kommt jetzt zusätzlich noch eine Religionsideologie ins Spiel. Manche IS-Kämpferinnen und -Kämpfer in Syrien und im Irak gehören zu Deutschland. Nachdem sie jahrelang im Nahen Osten ihr Unwesen getrieben haben und nun gefangenen genommen wurden, ist in Deutschland von „unseren“ Terroristen die Rede, denn sie sind schließlich auch deutsche Staatsbürger. Nicht nur das, wir Deutschen seien sogar mitschuld, da die meisten sich hier in Deutschland radikalisiert hätten. Wir haben somit den Terrorismus in den Nahen Osten exportiert! In einem Kommentar von tagesschau.de heißt es :
„Es geht um Deutsche, die einst ausgezogen waren, um Syrien zu zerstören und die Menschen dort zu terrorisieren ... "
Man könnte meinen, es handelt sich hier um die "Wehrsportgruppe Hoffmann", eine neonazistische terroristische Vereinigung, die später in den Libanon ging. Bei den IS-Kämpfern wird plötzlich das "Deutschsein" besonders betont, als ob diese Dschihadisten wegen ihres "Deutschseins" nach Syrien gegangen wären.
Ja, viele haben sich in Deutschland radikalisiert. Man sollte aber schon etwas genauer nachforschen, wo genau. Die Radikalisierung fand meistens in Moscheen, salafistischen Vereinen und durch islamistische Propaganda im Internet statt. Sie wurden nicht durch den Deutschlehrer in der Schule, den katholischen Pfarrer in der Kirche oder den linken Sozialarbeiter im Jugendzentrum radikalisiert. Deutschland kann daher als Land und Gesellschaft sehr wenig dafür. Die Schuld liegt vor allem bei muslimischen Kreisen und Verbänden. Das ist meine Meinung, als jemand, der sich in seiner Jugend selbst radikalisiert hat und den Lebenslauf hunderter anderer Radikalisierter genauestens kennt.
Fanatische Überzeugungstäter
Radikalisierungen spielen sich nicht heimlich ab, sondern werden sehr wohl vom muslimischen Umfeld wahrgenommen, leider verhalten sich viele Muslime im Umfeld des Sich-Radikalisierenden oft passiv.
In der jetzigen Diskussion um die dschihadistischen Rückkehrer neigt man dazu, vor allem die Frauen als "Opfer" darzustellen. Plötzlich war jede IS-Kämpferin nur "für den Haushalt zuständig" und hat sonst von nichts etwas mitbekommen. Dass jedoch auch gerade "deutsche" Kämpferinnen – nicht nur deren Männer – für den IS-Geheimdienst und dessen Sittenpolizei tätig waren, ist längst bekannt. Dabei sollen sie an Hinrichtungen und Folter aktiv beteiligt gewesen sein. Ein Beispiel ist Jennifer W., der die Bundesanwaltschaft folgendes vorwirft:
„Der 27-jährigen Jennifer W. wird zur Last gelegt, gemeinsam mit ihrem Ehemann im Irak ein als Sklavin gehaltenes Mädchen in sengender Hitze angekettet und qualvoll verdurstet haben zu lassen, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte."
Hinzu kommt, dass wir bei den jetzigen deutschen IS-KämpferInnen von fanatischen Überzeugungstätern reden, die bis zur letzten Patrone gekämpft haben, bis sie von den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) gefangen genommen worden sind. Sie sind eben nicht aus dem Islamischen Staat geflohen, nachdem sie dessen Brutalität erkannt haben, sondern mussten erst gewaltsam gestoppt werden.
Wieso will man sie also zurückholen? Weil die Sicherheitsbehörden mit den fast tausend Gefährdern im Land – denen man jederzeit Anschläge zutraut – nicht schon genug zu tun hätten? Oder mit den Islamisten, die als Flüchtlinge getarnt unter falscher Identität vor einigen Jahren ins Land gekommen sind?
„Mit Kuscheljustiz kommen wir hier nicht weiter“
Man müsse sie hier vor Gericht zu stellen heißt es. Doch wo und an wem wurden die Verbrechen dieser "Deutschen" begangen? An Kurden, Syrern, Irakern – also warum sie nicht dort vor Gericht stellen? Auch juristisch gesehen unterliegen sie ja eigentlich der Gerichtsbarkeit dieser Länder.
Vor Kurzem führte ich ein sehr interessantes Interview mit dem Nahostexperten Tobias Huch, der oft in der Region ist und dafür plädiert, dass die gefangen genommenen IS-Kämpfer von Kriegsverbrechertribunalen vor Ort abgeurteilt werden sollten.
"Mit Kuscheljustiz kommen wir hier nicht weiter", sagt er und die Autonome Region Kurdistan sei ebenfalls dafür, nur erwarte sie wenigstens die finanzielle Unterstützung der westlichen Staatengemeinschaft. Woran es eigentlich nicht scheitern sollte, denn finanziell gesehen wäre dies die vernünftigste Lösung, angesichts dessen, was uns die Rückkehrer hierzulande kosten würden.
Es scheint leider so, als würden sie einige Leute trotzdem unbedingt ins Land zurück holen wollen. Und das, obwohl den meisten Gerichten hierzulande vor lauter Prozessen das Wasser bis zum Halse steht. Zum Beispiel das OLG Stuttgart, welches sich "kurz vor dem Kollaps" befindet, wie man vor ein paar Tagen erfuhr, und welches sogar Terrorverdächtige aus der U-Haft entlassen müsse, wenn sich nicht bald etwas ändert. In Düsseldorf und Berlin sieht es nicht besser aus. Beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe haben sich die Terrorverfahren seit 2016 verfünffacht (!). Von den derzeit 1.200 Terrorverfahren sind 1.000 mit "islamistischem Hintergrund". Auch hier ertönt ein Hilferuf nach dem anderen: Wenn sich nicht bald was ändere, könne die Bekämpfung des Terrorismus "nicht mehr gewährleistet werden".
Keine Gefahren importieren
All das wird ignoriert, man möchte die verrohten islamistischen Kriegsverbrecher anscheinend unbedingt "zurück in die Gesellschaft holen". Doch selbst wenn es zum Prozess gegen die mutmaßlichen IS-Kriegsverbrecher kommt, werden deutsche Sicherheitsbehörden vor Gericht in so manchen Fällen Schwierigkeiten haben, belastbare Beweise vorzulegen. Völlig verständlich, wenn sich die Verbrechen über 3.000 km entfernt abspielten und man lediglich auf den BND und ausländische Partnerdienste angewiesen ist.
Deshalb folgt dann meist ein "Deal" mit den Verteidigern und mutmaßliche Kriegsverbrecher kommen mit lächerlichen Haftstrafen davon, die sie oft nicht einmal vollständig absitzen müssen, sondern nach zwei Dritteln der Zeit entlassen werden. Das könnte bedeuten, für Mord und Vergewaltigung letztendlich nur drei Jahre in einem deutschen Gefängniss verbringen zu müssen, mit etwas Glück in einem Bundesland, wo es in der Zelle noch den Luxus einer eigenen Playstation gibt.
Manch ein Innenminister, wie beispielsweise der unseres Nachbarlandes Österreich, stellt ganz lapidar fest „Ich bin für die innere Sicherheit Österreichs zuständig." und schlussfolgert daraus "IS-Rückkehrer stellen eine Gefahr für unsere Sicherheit dar. Wir werden daher diese Menschen nicht zurückholen“. So einfach kann es gehen. Auch die Schweiz vertritt diese Position, doch diese Lösung wäre für das komplizierte wohl Deutschland viel zu einfach.
Irfan Peci, geboren 1989 in Serbien, aufgewachsen in der Oberpfalz, wird 2007 zum Deutschland-Chef der „Globalen Islamischen Medienfront“ (GIMF), eines der weltweit wichtigsten Propaganda-Netzwerke für al-Qaida. Danach ist er als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig. Er hat mit seiner extremen Vergangenheit gebrochen und darüber in seinem Buch „Der Dschihadist“ geschrieben. Heute ist er als Sicherheitsberater tätig und bietet auf der Seite www.antiterrortraining.de Online-Seminare dazu an.