Greta Thunberg hat recht. Wir sollten alle in Panik geraten. Das gilt insbesondere für uns sogenannte Bürgerliche, die ihren egoistischen Wunsch nach Wohlstand hinter pseudowissenschaftlicher Klimaskeptis verbergen und damit die Erde zerstören. Wir leben, als ob wir zwei oder drei Planeten hätten! Dabei wissen heute bereits Grundschüler, dass Gier und Kapitalismus die Erde in Kürze in einen Feuerball verwandeln werden. Manche sprechen auch vom größten Marktversagen aller Zeiten. Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf!
Wir bekennen uns daher schuldig. Allerdings ist es jetzt tatsächlich zu spät. Denn es bleiben nur noch zwölf Jahre. Das sagen Experten und die Qualitätsmedien. Daher besteht kein Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage. Das reicht leider nicht mehr, um den Klimawandel zu verhindern.
Doch wir tun trotzdem was. Anstelle Automobile zu produzieren, Maschinen zu exportieren, Unternehmen zu gründen, Handel zu treiben, die Energieversorgung und die Verkehrsnetze aufrechtzuerhalten, stellen wir diese, das Weltklima vergiftenden Aktivitäten sofort ein und widmen uns fortan nur noch der Rettung der Menschheit. Genau so, wie die Fridays-For-Future-Bewegung das fordert.
Für unseren Planeten ist es zwar zu spät, doch glücklicherweise haben Astronomen weitere erdähnliche Himmelskörper entdeckt. Einer davon, Ross 128 b, befindet sich in relativer Nähe. Wenn alle zusammenarbeiten und die aktuell verfügbaren Technologien kombinieren, sollte ein riesiges Raumschiff innerhalb von elf Jahren diesen Planeten erreichen können. Wir Bürgerliche stellen uns mit unseren Fähigkeiten und finanziellen Mitteln voll hinter diese Sache, wohl wissend, dass nicht alle auf diesem Raumschiff Platz finden können. Auf dem deutschen Exemplar werden etwa 250.000 unserer Besten mitfliegen. In anderen Ländern des Westens gibt es ähnliche Initiativen reuiger Sünder.
Eine neue, gerechte Ordnung auf Ross 128 b
Damit die Menschheit überlebt und ein solch furchtbares Unglück nicht nochmals über uns hereinbricht, ist es wichtig, die Besatzung dieses Raumschiffs sorgfältig auszuwählen. Es liegt auf der Hand, dass denjenigen der Vortritt gebührt, die selbstlos rechtzeitig auf diese Katastrophe hingewiesen haben.
Das sind zunächst einmal alle rechtgläubigen Klimawissenschaftler, sämtliche fortschrittlichen NGOs, wichtige Politiker aller nichtpopulistischen Parteien, allen voran die Bundeskanzlerin. Hinzu kommen Kultur- und Medienschaffende, insbesondere Haltungsjournalisten. Nicht zu vergessen Kirchenvertreter, die couragiert ihre Stimme für den Klimaschutz erhoben haben. Zur Etablierung einer neuen, gerechten Ordnung auf Ross 128 b sind auch Richter und Staatsanwälte erforderlich, natürlich nur solche, die ihre Fortschrittlichkeit bewiesen haben. Gleiches gilt für hauptamtliche Vertreter der zahllosen Interessenverbände, Lehrer und Professoren, insbesondere der Geisteswissenschaften, Genderbeauftragte und Soziologen. Schließlich Vertreter von Hilfsorganisationen und der gesamten organisierten Zivilgesellschaft. Nicht zu vergessen Wikipedia-Autoren. Telefondesinfizierer hingegen bleiben besser hier.
Nur so ist gewährleistet, dass künftig keine Klimakatastrophen auftreten und endlich eine alles gleichmachende Gerechtigkeitsgesellschaft entsteht, die antirassistisch, antisexistisch, antikapitalistisch, inklusiv, solidarisch, vegan und ökologisch ist. Wer könnte zum Aufbau einer solchen Gesellschaftsordnung besser geeignet sein als die genannten Personengruppen?
Das Raumschiff soll nach dem philosophischen Leitstern der fortschrittlichen Kräfte Deutschlands benannt sein: Jürgen Habermas. Sein Kommandant wird der ranghöchste Passagier, Frank-Walter Steinmeier, dessen Eignung für sämtliche Ämter außer Frage steht.
In den wenigen uns hier auf der Erde noch verbleibenden Jahren ist es zu verschmerzen, dass uns praktisch die gesamte politisch-mediale Klasse verlässt. Wir können selbst – provisorisch – die Ordnung bis zum baldigen Untergang aufrechterhalten. Bis dahin werden zwei weitere Raumschiffe gebaut, in denen einige von uns Klimasündern mitfliegen, namentlich Ingenieure, Ärzte, Facharbeiter und Handwerker sowie Manager, Unternehmer und Angehörige der Sicherheitskräfte. Denn die von den Besten erdachte neue Welt will ja auch in die Praxis umgesetzt sein.
Zunächst ist aber entscheidend, die Habermas fertigzustellen, zu bemannen und so schnell wie möglich zu starten. Die anderen beiden Raumschiffe werden in Kürze nachkommen.
Ganz bestimmt. Versprochen.
Nachtrag: Aufmerksame Leser haben mich darauf hingewiesen, dass die Reisezeit zu Ross 128 b nicht elf Jahre beträgt, sondern elf Lichtjahre. Das war wohl ein Fehler. Aber was soll man machen? Jetzt sind sie halt weg.
Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er gründete unter anderem die Deutsche Rohstoff AG und ist Autor des Buches Freie Privatstädte – Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt, in dem er einen Weg in eine positive Zukunft aufzeigt.
Beitragsbild: Dmytro Ivashchenko CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

hehe... ich musste herzlich lachen, toller Text, Herr Gebel. Hinzufügen zur Besatzung würde ich noch alle Betriebsräte dieses Landes. Aus eigener Erfahrung weiß ich, welch unschätzbare Arbeit sie leisten in den Gremien, wo sie das Leben ihrer Arbeitskollegen verbessern, die gerade die Arbeit ihrer Kollegen im Rat mitübernehmen. Kein Raumschiff und vor allem keine utopische Gesellschaft ist möglich ohne sie.
Schade, dass wir dieses Projekt nicht verwirklichen können. Wir hätten ein für allemal Ruhe vor diesen Fundamentalisten und unser Land könnte wieder aufblühen.
Stegner in den Orbit!
Der große Douglas Adams hat das in seiner fünfbändigen Trilogie "Per Anhalter durch die Galaxis" schon einmal beschrieben. Zitat Wikipedia: Golgafrincham Die Einwohner von Golgafrincham waren in drei Klassen eingeteilt. Klasse A waren die Wissenschaftler, geniale Führungspersönlichkeiten und bedeutende Künstler. Klasse B waren die Filmproduzenten, Telefondesinfizierer, Frisöre, Unternehmensberater und Versicherungsvertreter. In Klasse C kamen die Leute, die die ganze Arbeit machten. Um sich des völlig überflüssigen Bevölkerungsteiles B zu entledigen, wurde dieser unter dem Vorwand, die gesamte Bevölkerung Golgafrinchams müsse evakuiert werden, in einem Raumschiff, der Arche B, in den Weltraum geschossen. Dieses strandete auf der prähistorischen Erde, auf der die bis dahin dort lebenden Menschen – die von den Golgafrinchams fälschlicherweise als „Höhlenmenschen“ bezeichnet werden, weil sie „so aussehen wie Höhlenmenschen“ – deswegen ausstarben. Die Vorfahren des modernen Menschen sind deshalb der Bevölkerungsteil B von Golgafrincham. Die restlichen Einwohner Golgafrinchams starben schließlich an einer Seuche, die durch ein nicht desinfiziertes Telefon verursacht wurde. Geschichte wiederholt sich, 42
Nö, wir Ärzte und Ingenieure bleiben hier und gehen als gerechte Strafe für unsere Sünden in der selbst erzeugten Klima-Hölle unter. Bis dahin machen wir uns eine richtig schöne Zeit und können sogar wieder unbehindert dreckige Witze reissen und Diesel fahren. Unsere geschätzten Neubürger werden uns leider auch auf einem sehr grossen Sonderraumschiff verlassen müssen, obwohl wir ihre Vitalität und brachiale Lebenslust sehr vermissen werden. Die geflüchtete Elite wird aber ohne sie nicht glücklich werden, egal wie klimatisch wundervoll es auf Ross 128 b auch sein mag. Unseren Besten müssen wir es dort so schön wie irgend möglich machen und dafür auch ein paar Opfer bringen. Wir haben ihnen so viel zu verdanken.
Es gibt ein passendes Planeten-Bruchstück doch bereits. Und wie alles Gute gleich vor der Haustür: BERLIN. Mauer drumrum bauen (schaffen wir!) und dann den geballten Unsinn mit ruhigem Blick von außen betrachten und ansonsten ignorieren. – Das ist natürlich kein Scherz, sondern ein ernstgemeinter Plan, mit dem ein Kanzlerkandidat *jedweder* Partei sofort die absolute Mehrheit erzielen würde.
Kann nicht jemand einen guten SF-Roman daraus töpfern? Der dann beginnt, wenn die "Habermas 2" landet und die Rettungsexpedition nach Ausbleiben der Verbindung zur Erde festellt, die Besatzung der "Habermas" hat sich gegenseitig aufgegessen. Gut, den Plot gibt es schon in Stanislaw Lems "Der Unbesiegbare", in dem winzige Roboterdrohnen"völker" die Hirne der angekommenen Erdenmenschen komplett löschten. Das kann aber wegfallen, denn die Besatzung der "Habermas" die ja nur aus den Besten der Besten besteht, ist, kommt das Essen nicht aus dem Kühlschrank und der Strom nicht aus der Steckdose, sowieso dem Untergang geweiht. Wenn niemand da ist, der für sie sorgt.