Oliver Zimski / 20.03.2025 / 12:00 / 46 / Seite ausdrucken

Union: Zombie-Partei oder Chamäleon?

Es sieht so aus, als wäre die Union das willenlose Opfer von Grünen und SPD. Doch handelt es sich vielleicht einfach um Wählertäuschung zwecks Machtgewinn? Ist die Union also doch kein Zombie, sondern ein äußerst anpassungsfähiges Chamäleon?

Obwohl SPD und Grüne mit ihrer Ampelkoalition krachend gescheitert sind und vom Wähler abgestraft wurden, scheinen sie sich in den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen gegenüber der Merz-CDU so klar durchgesetzt zu haben, dass Noch-Verteidigungsminister Pistorius im Interview mit dem „Stern“ triumphierte: „Wir haben sie nicht eine Sekunde in unseren Vorgarten gelassen!“

Wer für diesen unerwarteten Rollentausch zwischen Wahlverlierern und (na ja: halbem) Wahlsieger eine sprachliche Metapher aus dem Tierreich sucht, stößt zunächst auf die Redewendung mit dem Schwanz, der mit dem Hund wedelt. Soll heißen: Überraschenderweise dominiert der Schwächere den Stärkeren. Noch treffender ist vielleicht eine andere Metapher, die das Verhältnis zweier Insektenarten zueinander betrifft. Und da Insekten – wenn es etwa nach den Grünen geht – keineswegs eklig, sondern unser nützliches und nahrhaftes „Super Food“ der Zukunft sind, ist es auch nicht ungehörig, sie für eine Parabel zum Verständnis der politischen Entwicklung dieser Tage heranzuziehen.

Juwelwespe und Großschabe

Die giftig bunte, im Pazifikraum beheimatete Juwelwespe (Ampulex compressa) hat nämlich eine ganz besondere Weise gefunden, für die Aufzucht ihrer Brut zu sorgen. Sie bedient sich dafür der Großschabe (Periplaneta americana) als Wirtsorganismus. Trifft ein Wespenweibchen auf eine Schabe (die man sich als behäbigen Riesen vorstellen mag), setzt es zwei gezielte Stiche in deren Zentralnervensystem und Gehirn. Der im Wespengift enthaltene Neurotransmitter Dopamin lähmt die Vorderbeine der Schabe, schaltet ihre Verteidigungs- und Fluchtimpulse aus und verwandelt sie in eine gefügige Marionette. Anstatt sich zu wehren, beginnt die Schabe nun, sich unentwegt zu putzen.

Sodann beißt die Wespe einen der empfindlichen Schabenfühler ab und benutzt ihn als Strohhalm, um sich durch die entstandene Öffnung erst einmal am Blut ihres Opfers zu stärken. Da sie zu klein ist, um die um ein Mehrfaches größere Schabe zu tragen, führt sie diese an dem anderen Fühler wie ein Hündchen an der Leine zu einer vorher gefundenen Höhle. Dort legt sie ein Ei, klebt es an einem der Schabenbeine fest und verschließt die Höhle mit Zweigen. Im Laufe der folgenden Woche dringt die Wespenlarve in den Körper der Schabe ein und benutzt ihn als lebende Speisekammer, bis die Schabe schließlich verendet und die junge Wespe die Höhle verlässt.

Gesteuert vom Willen der Juwelwespe, wird hier die Großschabe zum „Zombie-Insekt“, zu einem wehr- und willenlosen Opfer, einer bloßen Hülle, in der nicht mehr das ursprüngliche Tier, sondern ein fremder Organismus lebt.

Übertragen auf die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen wäre somit aus der CDU, die sich ja nicht nur der SPD, sondern nun auch den Grünen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert hat, eine Zombie-Partei geworden. Hatte sie vor der Wahl noch vollmundig die Schuldenbremse verteidigt und eine entschiedene Migrations-Wende angekündigt, setzt sie nach der Wahl das gewohnte Programm des Links-Organismus um, den sie in sich hineingelassen hat und der sie nun unaufhaltsam von innen aushöhlt. Auf der schwarzen Hülle der Großschabe steht noch „CDU“, aber ihre Bewegungen lenkt die rot-grün schillernde Wespe.

Wer dominiert hier wen?

Der Vorgang könnte allerdings vielschichtiger sein, als er sich auf den ersten Blick darstellt. Die CDU hat ja die Bundestagswahl nur deshalb gewonnen, weil sie inhaltliche Anleihen bei ihrem erklärten Hauptfeind AfD genommen, somit – um im Bild zu bleiben – von dessen Blut getrunken hatte. Sie hatte sich im Wahlkampf sozusagen in eine AfD-light verwandelt. Nachdem sie ihr Wahlziel erreicht hat und stärkste Partei geworden ist, nimmt sie nun eben die Farben ihrer anderen ehemaligen Gegner und neuen Koalitionspartner an. „Mimikry“ nennt das der Biologe. Wählertäuschung zwecks Machtgewinn. Also doch kein Zombie, sondern ein äußerst anpassungsfähiges Chamäleon?

Wenn es überdies stimmt, dass Friedrich Merz schon vor Monaten geplant hat, SPD und Grüne mit ihren Vorschlägen nach einer Aufweichung der Schuldenbremse erst öffentlichkeitswirksam auflaufen zu lassen, nur um am Tag nach der Wahl eine noch nie dagewesene staatliche Neuverschuldung in der astronomischen Höhe von über einer Billion Euro anzukündigen, müssten wir die Rollen schon wieder vertauschen. Dann wären SPD und Grüne die Schabe gewesen und die Merz-CDU die durchtriebene Wespe.

Der manchmal eher altbacken und aus der Zeit gefallen wirkende CDU-Chef hätte sich dann als äußerst gelehriger Schüler seiner einstigen Parteifeindin erwiesen, einer unübertroffenen Großmeisterin der Mimikry. Angela Merkels Strategie war es stets gewesen, systematisch die Positionen ihrer Gegner zu übernehmen, deren Kernprojekte zu verwirklichen, Rot-Grün dadurch den Wind aus den Segeln zu nehmen und sich selbst an der Macht zu halten. Ihre Partei, der sie damit 16 Jahre Regierungszeit verschaffte, dankte es ihr mit devoter Unterwerfung, die bis heute wirksam ist, wie man an den erfolgreichen Interventionen der Altkanzlerin in den letzten Wochen ersehen kann. Auch im Verhältnis zwischen Merkel und der CDU passt wieder das Bild von Wespe und Schabe.

Wer wählt ein Chamäleon?

Denn der Preis für die Macht war so schwindelerregend hoch wie das jetzt von CDU, SPD und Grünen geplante „Sondervermögen“. Wenn die CDU je eine Seele hatte, hat sie sie in der Merkel-Ära verkauft und zwar unwiederbringlich, wie sich in diesen Tagen zeigt, in denen zentrale Wahlversprechen kassiert oder gar in ihr Gegenteil verkehrt werden. Die Partei hat ihre einstige bürgerlich-konservative Identität verloren. „Wer bin ich?“, fragt sie, „und wenn ja, wie viele?“

Hin und wieder mögen einzelne Mandatsträger der CDU noch Phantomschmerzen quälen. Dann träumen sie davon, der glitschig-wendigen Amphibie, zu der ihre Partei mutiert ist, wieder ein Rückgrat einzuziehen und ihr zum aufrechten Gang zu verhelfen. Doch das bleibt ein völlig haltloser Traum. Nicht nur die eigene Substanzlosigkeit, sondern auch die selbst errichtete „Brandmauer“ gegen die AfD sowie die mit Steuergeldern reichlich ausgestattete und beliebig lenkbare rot-grüne „Zivilgesellschaft“ nebst angeschlossenen Medien versperren der CDU jede Möglichkeit der Umkehr und Rückverwandlung.

Das ist die bittere Lehre fürs nächste Mal, die dem CDU-Wähler bleibt: Du kannst einem Chamäleon nicht vorwerfen, dass es sich auch wie eines verhält. Nur solltest du einem solchen Tier niemals wieder das Schicksal des eigenen Landes anvertrauen.

 

Oliver Zimski ist Übersetzer und Autor. 2024 erschien sein neuer Roman „Jans Attentat“.

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Leserpost

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Lars Tragl / 20.03.2025

@Volker Seitz, den Bimbes-Kohl hätten sie gern weglassen können. Er hat die FDJ-Schachtel ins Boot geholt, und ans Ruder gelassen. Das Resultat der “Wiedervereinigung” ,, für die er nichts beigetragen hatte, ausser mit Steuergeldern um sich zu werfen,aber allseits gefeiert wurde, haben wir erlebt, und es kommt jetzt noch viel schlimmer. Der Euro und die EU-Schuldenunion mit Hauptgläubiger Dummland,sind nur einige Zugeständnisse , die das Land auf Dauer schädigen.

Fritz Dieterlein / 20.03.2025

Ich kann mich noch gut an den Auftritt von Seehofer den bayrischen Ministerpräsidenten der CSU und Frau Merkel erinnern als er sie vor laufender Kamera abgewatscht hat. Noch besser kann ich mich an den CDU Parteitag erinnern als Frau Merkel in ihrer Funktion als Deutschlandzerstörerin 11 Minuten mit stehenden Ovationen von der CDU gehuldigt wurde. Die CSU und CDU sind Schwesterparteien in ihrem Machtstreben politisch vereint, aber seit Merkel im Grunde zwei verschiedene Parteien. Die CDU kann/muss weg und sollte von der AfD ersetzt werden. M.G,

Martin Müller / 20.03.2025

Um den Wählerwillen so zu täuschen und ignorieren, bedarf es schon ein gewisse Skrupellosigkeit in der politischen Handlungweise. Ein Affront gegen die Demokratie ist die Abstimmung mit dem alten Parlament, im Schulterschluss mit den Wahlverlietern , sowieso. Die Machtbessenheit und Eitelkeit eines ewigen politischen Verlierers, der seine Chance nun um jeden Preis verwirklichen will, hat schon etwas von krimeller politischer Energie. Verrat, Täuschung und Belügen des Wählers sollst justiziabel werden

Florian Bode / 20.03.2025

@Sam Lowry: Ich finde diese Einlassung recht abgestanden. BlackRock ist Kapitalismus pur. Die zur Blockpartei gegenerierte CDU will aber einen Ökosozialismus. Und ja, das ist auch wieder nur ein Schlagwort.

Boris Kotchoubey / 20.03.2025

Der Artikel ist sehr schön geschrieben, ich habe ihn mit großem Vergnügen gelesen, aber die Vergleiche sind alle falsch. Der Wirt, aus dem der Parasit alles Blut aufsaugt, ist weder CDU noch Rotgrün, sondern wir. Und der Parasit ist weder die Union noch die SPD (im Ganzen), sondern die kleine Bande aus den Top-Funktionären aller drei größeren Blockparteien unter der Führung der Medienbosse.

Rolf Mainz / 20.03.2025

Komme nun bitte niemand und beteure, dieses Verhalten von CDU/CSU sei vor der Wahl nicht absehbar gewesen. Wer hat denn 2015 Merkel stehende Ovationen geleistet? Wer hat tatenlos zugeschaut, als Merkel demonstrativ die deutsche Flagge wegwarf? Wer hat bei den unzähligen Verbrechen durch illegale Zuwanderer an Deutschen weggeschaut? Wer hat hingenommen, dass “Wahlen rückgängig gemacht wurden”, dass das Bundesverfassungsgericht und der Verfassungsschutz gezielt auf Linie gebracht wurden? Die gleichen Duckmäuser, die jüngst zur Wahl standen - und denen fast 30% der Wähler erneut ihre Stimmen anvertraut haben. Diese Wähler haben die neue Einheitspartei aus Schwarz-Rot-Grün an die Macht gebracht. Womöglich hat das Land die Demokratie schlichtweg nicht verdient.

Peter Thomas / 20.03.2025

Chamäleons sind fantastische, faszinierende Geschöpfe. Die CDU aber ist nach der merkelschen Fermentierung ein absterbender Termitenstaat. Zu ihrem jetzigen Chef fällt mir nur noch dieses ein: Bademantel! // Könnte ich noch weinen, ich würde weinen um Deutschland. // Heutzutage machen hierzulande mehr Kids das “Abitur” als je zuvor, und es gibt unendlich mehr Studenten als irgendwann. Gleichzeitig wuchern Ignoranz, Dummheit und Ersatzreligiosität wie Turbokrebs. Finde den Fehler! // Wer den Begriff “Klimaneutralität” in einem argumentierenden Sinne verwendet, hat sich aus den Kreisen der Vernunft verabschiedet.

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