Christoph Lövenich, Gastautor / 14.10.2021 / 12:00 / 11 / Seite ausdrucken

Ungeimpftenjagd auf der Leinwand

Wie man in Deutschland mit einer möglichen Virusepidemie umgehen könnte, hat schon 1979 der Film „Die Hamburger Krankheit“ vorexerziert. Lange „vor Corona“ wirkte das noch wie eine ferne Dystopie.

Wenn man sich das Unwahrscheinliche ausdenkt, dann hat es gute Chancen, Realität zu werden“, erklärte letztes Jahr der inzwischen verstorbene Regisseur Peter Fleischmann. Das Unwahrscheinliche war die Handlung seines Films Die Hamburger Krankheit von 1979 (hier auf Youtube) die Realität wiederum die Corona-Transformation, die gerade eingesetzt hatte. Der Filmtitel bezieht sich nicht auf angebliche Gesundheitsgefahren durch Fast Food, sondern auf die norddeutsche Metropole, in der plötzlich Leute umfallen und – in einer Art Embryonalstellung verkrampft – dahinscheiden. Was eine Fernsehzeitschrift als „utopisches Endzeit-Drama mit surrealen Zügen“ beschrieb, sieht sich heute mit anderen Augen.

Dass zu Beginn des Films ein Teilnehmer eines Kongresses zum Thema Lebensverlängerung (Transhumanismus?) sich einer Taschen- und Körperkontrolle unterziehen muss, lag an der RAF-Zeit. Heute müsste er stattdessen ein medizinisches Zertifikat beziehungsweise einen QR-Code vorlegen, um Einlass zu erhalten. Zeig mir, wovor du Angst hast, und ich sage dir, wer du bist.

Atemwegssymptome spielen im Film keine Rolle, Hintergrund und Übertragungswege des Virus – sofern es sich überhaupt um eines handelt – bleiben im Dunkeln. Auch sonst ergeben sich einige Unterschiede: Die Sterblichkeit ist im Gegensatz zu Covid-19 hoch. Und die Behörden wollen zunächst Panik vermeiden, später melden sie trotz schwieriger Lage angebliche Erfolge bei der Epidemiebekämpfung – das kennen wir umgekehrt. Die Quarantäneflagge, die ein Schiff im Hamburger Hafen hissen muss, hat sich an Land nicht durchgesetzt. Die Wohnungen und Häuser, in denen Einwohner dieses Landes in sechsstelliger Zahl ohne richterlichen Beschluss unter Hausarrest stehen, müssen nicht eigens beflaggt oder anderweitig markiert werden. Außerdem werden Betroffene im Film nicht isoliert, sondern konzentriert eingesperrt, die „Einweisung in eines der zentralen Gesundheitslager“ droht – das ist heute „nur“ für Quarantänebrecher in einigen Bundesländern vorgesehen.

„Was ist überhaupt Krankheit?“

Zu Beginn der Geschichte ist noch offen, wie behördlicherseits vorgegangen werden soll. Kontaktverfolgung spielt eine Rolle, ein Experte erscheint mit Gesichtsmaske und in transparenter Ganzkörper-Folie, „eine reine Vorsichtsmaßnahme zu Ihrem Schutz“. Gerontologe Ellerwein, bis zu seinem Ableben einer der Protagonisten des Films, wird mit der Einlassung eines Medienvertreters konfrontiert.

Journalist: „Aber irgendwelche Maßnahmen müssen doch ergriffen werden!“

Ellerwein: „Nur, um zu beweisen, dass man irgendetwas tut?“

Arzt Ellerwein bleibt kritisch und findet den Vorschlag, die gesamte Hamburger Bevölkerung präventiv mit Breitband-Virostatika zwangszubehandeln, „ungeheuerlich“. Er verlässt eine Besprechung, weil er nicht ausschließlich „gesundheitspolizeiliche Maßnahmen abzusegnen“ bereit ist und fragt sich später: „Was ist überhaupt Krankheit? Die Angst vor der Krankheit, die Folgen der Behandlung …“. Damit ginge er heute fraglos als „Schwurbler“ durch.

Mit dem Ursprung der Krankheit will man sich von offizieller Seite aus lieber nicht beschäftigen.

„Es könnte sich doch um einen [sic!] Virus aus einem Labor handeln.“

„Unwahrscheinlich!“

„Aber solche Züchtungen werden doch vorgenommen, und das unter strikter Geheimhaltung.“

„Krisengewinnler in Quarantäne“

In Die Hamburger Krankheit kommen am Rande ein paar türkische Matrosen vor, aber keine Chinesen.

Während sich die Seuche im Bundesgebiet ausbreitet, begeben sich einige der Charaktere auf einen Trip gen Süden, über Lüneburg und Gießen bis in die bayerischen Alpen. Dabei siedelt sich Fleischmanns Werk irgendwo zwischen Roadmovie, bizarrer Komödie und Katastrophenfilm an.

Immer wieder tragen Menschen (OP-)Masken, einmal sogar eine ganze Menschenmenge, oder jemand hat Angst vor körperliche Nähe, beides jedoch nicht in dem Umfang, wie wir ihn seit eineinhalb Jahren erleben. Die Realität hat die Fiktion längst überholt. An einem Maskenverkaufsstand empört sich der schon erwähnte Ellerwein: „Glauben Sie etwa, das hilft? Das ist doch die reine Geldmacherei.“ Politiker der CDU/CSU und deren Angehörige werden im Film nicht erwähnt. Immerhin sieht man eine Demo, auf der mehrere Transparente mit der Forderung „Krisengewinnler in Quarantäne“ beschriftet sind.

Schließlich wird zwangsgeimpft. Die ersten Versuche führen in einem norddeutschen Dorf anscheinend zu einer Art Zombifizierung, wo Menschen aufeinander losgehen. Der einzige Überlebende vor Ort wird ausgerechnet vom Alt-68er Kommunarden Rainer Langhans verkörpert, der kürzlich verkündete, dass ihn die Privilegien für Corona-Geimpfte nicht reizen. Zu den bekannteren unter den übrigen Darstellern gehörten Ulrich Wildgruber und Tilo Prückner.

„Niemand kann wissen, ob er gesund ist“

„Wir dürfen unsere Nächsten nicht gefährden“, predigt ein Geistlicher hinter Plastikfolie, verwendet den Begriff „Nächstenliebe“ aber nicht explizit auf eine Impfung bezogen. Der Rundfunk wird zum Ende des Films hin deutlicher: „Wir alle müssen mithelfen, um auch die letzten Ungeimpften ausfindig zu machen.“ Dabei wenden Uniformierte brutale Gewalt an, eine bayerische Trachtengruppe schießt um der Gesundheit Willen sogar jemanden tot.

Nachdem die weibliche Hauptfigur, dargestellt von Carline Seiser, in die Fänge der Gesundheitsschergen geraten ist, nähert sich der Widerspenstigen ein Arzt mit Impfpistole.

„Da kommt der Onkel mit dem schweren Geschütz. Ist dann zwar keine Wunderwaffe, aber wir wollen es der Krankheit etwas schwerer machen, auszubrechen.“

„Ich bin aber nicht krank.“

„Wie wollen Sie das beweisen, liebes Kind? Niemand kann wissen, ob er gesund ist. Deswegen müssen wir alle behandeln. Wenn wir diese Schlacht gewinnen wollen, dann müssen wir alle mitmachen und können wir niemanden brauchen, der querzieht“.

Oder gar querdenkt und -handelt. Ferner bedient das Werk auch das, was heute als Verschwörungstheorien gebrandmarkt wird. In einer Szene frohlocken Bonzen, die Krise vertreibe „liberale Ideen“, und eine Dame geht davon aus, dass die Bevölkerung vergiftet werden soll, um eine von Professoren problematisierte Überbevölkerung anzugehen.

Die deutsch-französische Koproduktion unter Beteiligung des ZDF – und mit Musik von Jean-Michel Jarre – wirkt heute aktueller denn je. Die mehr als vier Jahrzehnte nach ihrer Erstaufführung ausgesprochene Hoffnung des Regisseurs Fleischmann, die Corona-Situation möge eventuell dazu führen, „dass wir großherziger werden, dass wir merken, worauf es wirklich ankommt“, hat sich – diplomatisch ausgedrückt – bisher noch nicht umfassend bewahrheitet.

Belassen wir es, was Prophezeiungen anbelangt, doch lieber bei einer Aussage aus dem Film: „Auch ein Klima kann ansteckend sein.“

Foto: Tim Maxeiner

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Jo Waschl / 14.10.2021

Ach so…darum bekommen in Bayern jetzt 79 “Filmtheater” insgesamt 800.000 € nachgeschmissen - weil sie so ein gutes Programm machen…. Hatten wohl auch die Hamburger Krankheit im Programm. Das die Kinos während Corona besonders betroffen waren ist schon klar; dass jetzt unter dem Denkmantel “PROGRAMMPRÄMIE FÜR HERVORRAGENDES PROGRAMM” via FFF (Filmfernsehfond-nicht die grünen Ritalinjunkies) noch mehr Kohle zu Lasten der Steuerzahler rausgehauen wird, liegt wohl eher dran, das die Landesregierung einen gehörigen Bammel davor hat, dass in den Kinos für das Volksbegehren LANDTAG ABBERUFEN getrommelt wird, nachdem es ja die 1 1/2 Jahre davor keine S.. von den Regierenden Interessiert hat, was mit den Kinos passiert. Wer die Medien hat, hat die Macht -> und wir Deppen zahlen dass auch noch.

Stephan Bender / 14.10.2021

Ja, alles ganz ganz furchtbar! Und dann auch noch dieser unschuldige, britische Land Rover, der da mit schuldigen Deutschen und einem deutschen Wohnwagen auf Hitlers Autobahnen umherfährt! ... Und nun, liebe Freunde, für die echten Cineasten der achtminütige Sundowner unter den Horror-Klassikern: “Night of the Living Bread (1990)”

Andreas Rochow / 14.10.2021

Lieber greife ich zu einem alten Buch, das ein alter weißer Mann geschrieben hat, als mir einen “alten Film” anzusehen. Das ist zwar zeitauwendig, führt aber zu tieferen Erkenntnissen und Einsichten.

j. heini / 14.10.2021

D ist zu einem Altenteil verkommen. Krankheit rauf und runter. Und bloß nicht anstecken.

Claudius Pappe / 14.10.2021

Am Dienstag wurde in der Rosenheim Cops Krimiserie ein Mord, der mit dem ” giftigen CO2 ” begangen wurde, aufgeklärt.

Bernd Maier / 14.10.2021

Oh, von dem Film habe ich lange nichts mehr gehört. Habe die Erstausstrahlung im TV gesehen und seit einigen Jahren steht die Original-DVD in meiner Mediathek. Habe ihn zuletzt vor ein paar Jahren angeschaut. wirkt heute irgendwie altbacken und in schlechter Erinnerung ist mir die Ärztin geblieben, die einem wildfremden Besucher einfach so die vertraulichsten Interna anvertraut. Vielleicht schaue ich mir das Teil demnächst mal wieder an.

Martin Schmitt / 14.10.2021

Film von 1979 - habe ich leider noch nie gesehen, werde ich aber demnächst auf jeden Fall tun, ich liebe die Filme aus den 70ern. 1979 bin ich auch noch ein Kind gewesen (1. oder 2. Klasse) - aber ich habe den Verdacht, daß so mancher Politdarsteller den Film versehentlich als Kind gesehen hat, hat vermutlich Schäden hinterlassen.

Wilfried Cremer / 14.10.2021

Der Impfpass ist das Abzeichen des Antichristen.

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