Ärzte, Altenpfleger, Krankenschwestern, Logopäden, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Hebammen, Sanitäter, Feuerwehrleute, Verwaltungsangestellte im Krankenhaus ohne Patientenkontakt, Köche im Krankenhaus und Altenpflegeheimen, Kinderpfleger, Heilerziehungspfleger, Sonderpädagogen und Fahrer von Krankentransporten, – sämtliche Beschäftigte im Gesundheitssektor, die sich der „Impfung Anti-COVID“ verweigert haben, sind in Frankreich nach wie vor suspendiert.
Es sei in Erinnerung gerufen, dass das Gesundheitspersonal im öffentlichen Sektor seit ihrer Suspendierung keinerlei Bezüge erhalten und keinen Zutritt zu Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe haben, weil sie weiterhin Beschäftigte zum Beispiel des kommunalen Krankenhauses oder des städtischen Altenheims bleiben, aber eben suspendierte Beschäftigte.
Um wieder ein Gehalt zu beziehen, haben sie folgende Möglichkeiten:
Sie lassen sich doch „impfen“ und kehren zur Arbeit zurück. Wo sie oft genug von ihren Kollegen schlecht behandelt werden, denn der „spät Geimpfte“ hat ja die Kollegen im Stich gelassen. Gleichzeitig wird der selbe zum Arbeitsplatz Zurückgekehrte aber um Rat gebeten: da er ja offenbar „impfkritisch“ ist, erhofft man sich von ihm Informationen, wie man die Nebenwirkungen der mRNA-Injektion behandeln kann.
Die zweite Möglichkeit ist, sich willentlich anzustecken und wieder für vier Monate arbeiten gehen zu können. Vier Monate ist die Dauer des Genesenenstatus in Frankreich. Manche Angestellten versuchen sich in Serien von Wiederansteckung, daraus folgend ein positiver Test, daraus folgend vier Monate Arbeitsgenehmigung als Genesener.
Der juristischen Möglichkeiten sind vier:
Die erste Möglichkeit ist die Kündigung. Die zweite Möglichkeit ist, den Arbeitgeber um einen Vertragsbruch zu bitten, eine Möglichkeit, die im öffentlichen Dienst seit 2018 besteht, jedoch selten gewährt wird. Die dritte Möglichkeit ist die sogenannte Verfügbarkeit von Amts wegen, die es dem Angestellten ermöglicht, eine Verbindung zur Verwaltung seines Arbeitgebers aufrechtzuerhalten, sich aber auch umzustellen und eine andere Tätigkeit auszuüben. Der in Frankreich bekannte Kritiker der Coronapolitik Dr. Louis Fouché befindet sich in diesem Status. Schließlich ist die vierte Möglichkeit der Antrag auf die Genehmigung einer Nebentätigkeit.
Etwa 15.000 Personen suspendiert
Wie viele Angestellte im Gesundheitssektor noch auf eine Reintegration warten, ist unklar. Bekannt ist, dass in etwa 15 000 Personen suspendiert sind. Selbst die Regierung benutzt nun diese Zahl. Und das ohne rot zu werden, sprachen sie doch in den ersten Monaten der Suspendierung von nur rund 1700, manchmal auch nur von 1500. Laut einer suspendierten Altenpflegerin kommt man auf um die 100 000 Suspendierte, wenn man alle Feuerwehrleute mit einrechnet, also auch die ehrenamtlich Tätigen. Jedenfalls haben sich von den 15 000 Suspendierten zahlreiche auch ohne Genehmigung ihres Arbeitgebers in andere Anstellungen begeben: Saisonkraft auf dem Campingplatz, Bandarbeiter in der Fabrik, Kassierin im Supermarkt – es muss eben ein Arbeitgeber gefunden werden, der sich darauf einlässt, denn der Gesetzesbruch wird vom Arbeitgeber begannen, nicht vom Arbeitnehmer. Einige haben sich von ihrem Beruf abgewendet. Und manche haben sich das Leben genommen.
Von den etablierten Gewerkschaften, die dieser Tage halb Frankreich lahmlegen mit Generalstreiks, die sich gegen Macrons Rentenform richten, weiterhin nur Schweigen zur Sache.
Die linke Partei La France Insoumise (LFI) hatte im November 2022 einen Gesetzesvorschlag zur Reintegration der Suspendierten vorgelegt. Als sich abzeichnete, dass der Gesetzesvorschlag eine Mehrheit finden könnte, verzögerte Macrons Partei La République en Marche den Ausgestaltungsprozess des Gesetzes mit über 200 Änderungsanträgen. Als der rechte Rassemblement National dem Gesetzesvorschlag unerstützte, zog die LFI ihren Vorschlag unter großem Trara zurück: niemals, niemals würde man gemeinsame Sache mit den Rechtsextremen machen! So scheiterte eine überfällige Initiative von Abgeordneten der Nationalversammlung für die Reintegration der Suspendierten an politischem Abgrenzungsgetöse.
Festhalten an der Erzählung vom vor Ansteckung schützenden Vakzin
François Braun, der Minister für Gesundheit und Prävention, selbst Arzt und ehemaliger Leiter einer Notaufnahme, sieht in der Reintegration des suspendierten Personals sowohl ein gesundheitliches als auch ein ethisches Problem. Gesundheitlich, weil diese Leute sich sehr nah an Vulnerablen befänden. Und man könne nicht verantworten, dass diese „Ungeimpften“ die Vulnerablen ansteckten, immer noch würden täglich Patienten an COVID-19 sterben. Man hält also an der Anfangserzählung des vor Ansteckung schützenden Vakzins fest. Das ethische Problem, das der Gesundheitsminister ausmacht, ist, dass die „geimpften“ Kollegen all die Zeit die Stellung gehalten hätten und sich gewiss betrogen fühlen würden, wenn nun ihre „ungeimpften“ Kollegen, jene, die Verantwortung und Solidarität verweigerten und verweigern, zurück zum Arbeitsplatz kämen.
François Braun hatte angekündigt, sich im Januar 2023 mit Fachverbänden zur Frage der Reintegration der Suspendierten auszutauschen. Passiert ist das bisher nicht oder falls es doch stattgefunden haben sollte, ist es keinem Medium eine Meldung wert.
Ab 15. Februar 2022 wurden übrigens noch weitere Berufstätige suspendiert, weil sie keine dritte Dose injiziert bekommen wollten.
In Scharen – eine Statistik findet sich dazu leider nicht – scheidet auch das „geimpfte“ Gesundheitspersonal freiwillig aus dem Dienst aus, vor allem aus dem Krankenhaus, denn die Arbeitsbedingungen dort so sind schlecht, dass man sich auch von einem geliebten Beruf trennt.
Eine einzige Krankenschwester hat ihren Prozess gewonnen, sie soll an ihren Arbeitsplatz zurückkehren dürfen. Ihre seit der Suspendierung nicht überwiesenen Gehälter müssen von ihrem Arbeitgeber, dem Institut Curie, zu 100 Prozent rückwirkend an sie ausgezahlt werden.
Ein Mainstreamsender – TF1 – hat sich getraut, darauf hinzuweisen, dass Frankreich das letzte Land in Europa ist, dass weiterhin die Reintegration des „ungeimpften“ Gesundheitspersonals verweigert.
„Wir nehmen keine neuen Patienten!“
Aber die breite Mehrheit der Franzosen weiß nichts darüber, in welcher Situation sich die Suspendierten seit Herbst 2021 befinden.
Gesundheitspolitisch öffentlich diskutiert wird das große Problem des Ärztemangels auf dem Land und in anderen wenig attraktiven Gegenden Frankreichs. Für Apotheker gibt es Niederlassungsregelungen, so dass es zu einer guten Versorgung mit Apotheken überall in Frankreich kommt. Eine solche Regelung wird von Politikern und Pharmazeutenverbänden nun auch für Ärzte gefordert. Die Regierung indes diskutiert finanzielle Anreize für junge Mediziner, sich zumindest auf einige Jahre befristet in medizinisch unterversorgten Gebieten niederzulassen.
Geht ein Hausarzt in Rente oder zieht man in Frankreich um, telefoniert man sich als Patient die Finger wund: „Wir nehmen keine neuen Patienten!“ Gleiches gilt für Fachärzte. 100 km Anfahrt und mehr, um einen Arzt zu sehen, ist keine Seltenheit. Die Folge ist, dass die Patienten auch mit solchen Erkrankungen in die Notaufnahme gehen, die kein Notfall sind. Aber eben einer Behandlung bedürfen. Von der Presse weitestgehend unkommentiert, zahlt man jetzt für jeden Besuch der Notaufnahme 19,61 €, wenn dem Besuch keine Krankenhauseinweisung folgt. Der Betrag wird nicht von der Krankenkasse zurückerstattet, er ist als Strafbeitrag eingeführt worden, damit die doofen Patienten nicht mehr die Notaufnahmen fluten, sondern gefälligst ihren Arzt aufsuchen. Die Wartezeiten in den Notaufnahmen sind grotesk und immer wieder wird von Todesfällen während des Wartens auf Behandlung berichtet, darauf folgt meistens ein Dementi des Ereignisses. Das Schließen der Notaufnahmen in den Nachtstunden ist zur Gewohnheit geworden, aus allen Ecken Frankreichs wird davon berichtet.
Das zweite große gesundheitspolitische Thema ist der Mangel an Pflegepersonal. Dazu werden öffentlich viele Gedanken geäußert, um die Suspendierten geht es dabei nie.
Ein beträchtlicher Teil der Beschäftigten im Gesundheitssektor, die nicht suspendiert sind und auch noch nicht gekündigt haben, sind im Krankenstand wegen Tiefenerschöpfung.
François Braun bleibt bei seiner Ansicht, dass die Reintegration des suspendierten Gesundheitspersonals keinen Beitrag zur Lösung des Personalmangels beitragen würde. Damit hat er vielleicht Recht. Aber man könnte einmal darüber nachsinnen, ob es einem Staat, der Liberté, Égalité, Fraternité weiterhin als seine höchsten Werte behauptet, würdig ist, Bürger an ihrer Berufsausübung zu hindern – zumal solch dringend benöigte.