Georg Etscheit / 23.12.2021 / 11:15 / Foto: Henyk M. Broder / 67 / Seite ausdrucken

Ungeimpft an der Uni: Wie ein Hund in der Kälte

Mich erreichte jüngst der Hilferuf eines Studenten an einer bayerischen Universität, der in bewegenden Worten den bedrückenden Alltag von Ungeimpften unter den aktuellen Bedingungen des Corona-Maßnahmenstaates schildert. 

Unterdessen hat zwar der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof die dortige 2G-Regelung aufgehoben. Die 2G-Pflicht in der Corona-Verordnung des Landes greife in das grundgesetzlich verbriefte Recht ein, die Ausbildungsstätte frei wählen zu dürfen, weil ungeimpfte Studierende an den meisten Präsenzveranstaltungen nicht mehr teilnehmen könnten. Die grün-schwarze Landesregierung versucht nun offenbar, das Urteil zu umgehen und ungeimpfte Studenten weiter vom Präsenzbetrieb fernzuhalten.

Selbst in Bayern wurden gerade homöopathische Lockerungen verfügt. Demnach können die Hochschulen nicht geimpften oder genesenen Prüfungskandidaten, die im Einzelfall keinen PCR-Testnachweis vorlegen können, „ersatzweise“ eine Zulassung zur Prüfung auf der Basis eines täglichen negativen Antigen-Schnelltests ermöglichen. Studenten, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, sollen sich kostenfrei mittels eines PCR-Tests testen lassen können. Doch dies sind nur winzige Zugeständnisse, die überdies jederzeit wieder zurückgenommen werden können. 

Schließen sie uns bald vollständig aus?

Im Folgenden dokumentieren wir in anonymisierter Form den studentischen Erfahrungsbericht:

Es ist ein Trauerspiel, aber ich schreibe Ihnen gerne über die Erfahrungen, die ich bisher machen musste und die mich zunehmend an der Vernunft vieler Mitbürger und der Politik zweifeln lassen: Es gibt zwar an meinem Studienort mehrere hundert Studenten, die sich in Gruppen gegen das Apartheid-Regime an den Hochschulen zusammengetan haben, aber leider ist nur ein geringer Anteil davon in irgendeiner Weise aktiv. 

Ansonsten sieht der Alltag wie folgt aus: Seit die 2G-Regel in Kraft gesetzt wurde, darf ich keinen Fuß mehr auf das Hochschulgelände setzen. Beispielsweise muss ich Bücher, die ich vor Inkrafttreten der 2G-Regelung ausgeliehen hatte, einem Mitstudenten überlassen, damit dieser sie zurückgeben kann. Währenddessen muss ich wie ein Hund draußen in der Kälte warten. Einige Fächer kann ich gar nicht mehr belegen. In meinem konkreten Fall, aber auch in vielen anderen Studiengängen, gibt es praktische Kurse vor Ort, die blockweise über einige Wochen hinweg stattfinden. Auf den Ergebnissen dieses Kurses bauen wiederum andere Seminare auf. Einen oder zwei Tests kann man sich als Student schon leisten, aber wenn ich an den mehrwöchigen Blockveranstaltungen teilgenommen hätte, dann wären mein Bankkonto und mein Kühlschrank leer. 

Ich hatte in der Vergangenheit nie einen Kurs aufgeschoben, nun muss ich unverschuldet ein Semester länger studieren (wenn ich überhaupt darf) – anderen geht es genauso. Beim Vorbereiten von Studienarbeiten haben wir immer den quälenden Gedanken im Hinterkopf, ob wir überhaupt weiterstudieren dürfen oder man uns bald vollständig ausschließen wird.

Zusammen mit einigen Kommilitonen hatte ich die Herren von der Hochschulleitung, Präsident, Vizepräsident und Kanzler, mehrfach gebeten, zumindest einmal ihr Wort gegen diese schreienden Ungerechtigkeiten zu erheben, obgleich sie natürlich verpflichtet sind, die Maßnahmen umzusetzen. Obwohl sie für ALLE Studenten verantwortlich sind, haben sie bislang überhaupt nichts getan. Bernd Sibler, der zuständige Staatsminister in München, ist stolz auf die bislang erreichte hohe Impfquote bei Studenten und wertete dies als großen Erfolg, obwohl ich Gelegenheit hatte, ihm am Telefon zu erläutern, dass Studenten regelrecht genötigt werden und eine medizinische Behandlung nicht immer aus freien Stücken, sondern aus politischem Druck über sich ergehen lassen müssen. Als direkt Betroffener steht man vor der Wahl: Lasse ich mich nötigen, beuge ich mich dem Druck und gebe mein Recht auf Selbstbestimmung auf, dann darf ich weiterstudieren. Oder ich beharre auf mein Recht auf Selbstbestimmung, verliere aber im Gegenzug de facto mein Recht auf Bildung und bleibe möglicherweise ohne Abschluss auf meinen Studienkrediten sitzen.

Ungeimpfte coram publico als Schmarotzer bezeichnet

Staat und Medien hetzen die Menschen gegeneinander auf und radikalisieren sie. Unter Mitstudenten, Kollegen, Mitbewohnern ist das mehr als deutlich spürbar. Es wäre für mich in Ordnung, wenn man mir ins Gesicht sagen würde, dass mein Weg falsch oder verwerflich sei. Aber immer wird nur hinter meinem Rücken abgelästert und man erfährt es dann über zwei Ecken. Zum Glück gibt es auch Freunde, die andere Meinungen und Verhaltensweisen akzeptieren. Ich will doch niemanden für oder gegen Impfungen überreden, das geht mich nichts an, das muss jeder selber wissen und ich hoffe, dass es denen hilft, die sich impfen lassen möchten. Ich bin weder Impfgegner noch Impffanatiker, aber erpressen lasse ich mich nicht und gegen die Maßnahmen wehre ich mich, weil es hier schon lange nicht mehr (wenn überhaupt jemals) um Gesundheit geht.

In einem Zweitstudiengang muss ich einen betriebsmedizinischen Kurs belegen. Ein von mir ansonsten hochgeschätzter Medizin-Dozent hatte Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, coram publico als Schmarotzer bezeichnet, weil Ungeimpfte andere „vorließen“, sich selbst aber aus Furcht vor den Risiken zurückhielten. Zwei Monate später, im neuen Semester, sagte derselbe Mediziner nach dem Kurs, dass er gewisse Impfstoffe nicht mehr empfehlen könne, weil er in seiner eigenen Praxis so viele Nebenwirkungen beobachtet habe. Trotzdem lege er uns nahe, uns impfen lassen, um wieder richtig feiern gehen zu dürfen. 

Am 23. November saß ich wie immer mit meinen Studienfreunden, mit denen ich seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeite und auch meine Freizeit verbringe, in einem Arbeitsraum der Hochschule. Am 24.11. wurde die 2G-Regel an Hochschulen eingeführt. Zusammen mit engagierten Kommilitonen hängten wir Plakate auf, um auf die neue Ausgrenzungspraxis aufmerksam zu machen. Einige meiner bisherigen Studienfreunde beobachteten dies – jetzt meiden sie mich. Mir wird genau das vorgeworfen, was in der Zeitung steht und was die Politik sagt. Die Ungeimpften sind an allem schuld, ihretwegen gibt es so viele Kranke, Tote, ihretwegen gibt es die Maßnahmen, die Freiheitseinschränkungen, keine Normalität, die Spaltung. Impfverweigerer seien radikal, unwissenschaftlich, verrückt – der Teufel. Weil dies jeden Tag in Dauerschleife in den Medien behauptet wird, glauben es die Menschen, auch die jungen, doch so „kritischen“ Studenten.

Als wir noch Kinder waren, haben uns die Lehrer dreizehn Jahre lang gepredigt, bei Gruppenzwang niemals mitzumachen, immer kritisch und aufmerksam zu bleiben, was Freiheitseinschränkungen anbelangt. Haben das denn alle schon wieder vergessen?

Foto: Henyk M. Broder

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Leserpost

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Dr. R. Möller / 23.12.2021

Selbst schuld wenn man kein Ehrgefühl kennt und nur rumjammern kann. Immer schön Opfer sein. Warum widerspricht der Student nicht dem Dozenten öffentlich und vehement, zeigt ihm mal, daß der Wind auch aus einer anderen Richtung wehen kann ? Widerstand ist nicht feige den Schwanz einkneifen und die Schnauze halten. Sind denn nur noch Heßlings an der Uni? Für die Freiheit muß man kämpfen und auch bereit sein Nachteile in Kauf zu nehmen? Mancher Sklave oder Bürger der „DDR“ hat seinen Drang zur Freiheit mit dem Leben bezahlt.

Robert Ballhaus / 23.12.2021

Ja, so ist das im Faschismus, der sich Demokratie nennt.

Franz Klar / 23.12.2021

@Karsten Dörre : “Ich wollte heute meine Erstimpfung ohne Termin machen lassen” . Ist bei Ihnen in Schwesigien Bescherung schon am 23. ? Alte DDR - Tradition ? Aber Vorsicht , manche Geschenke sind vom Umtausch aus hygienischen Gründen ausgeschlossen . Schöne Restweihnachten !

Franz Klar / 23.12.2021

“Als wir noch Kinder waren, haben uns die Lehrer dreizehn Jahre lang gepredigt, bei Gruppenzwang niemals mitzumachen, immer kritisch und aufmerksam zu bleiben, was Freiheitseinschränkungen anbelangt. Haben das denn alle schon wieder vergessen?” Ja , und am ehesten die Prediger selbst .

Magdalena Hofmeister / 23.12.2021

@Karsten Dörre: Also, ich würde mir jetzt nicht die Feiertage potentiell selbst durch einfachste Nebenwirkungen verderben lassen. Ich hoffe, sie tun es wirklich nur aus medizinischer Erwägungen, alles andere macht keinen Sinn, denn aus der Geschichte kommen Sie die nächsten über 5 bereits eingekauften Impfdosen pro EU-Einwohner nicht. Und wenn Sie sich auf politischen Druck impfen lassen (Impfplicht in Gesundheitsberufen), dann unterschreiben Sie nicht die Einwilligung. Machen Sie einen klaren Vermerk im Aufklärungsblatt, dass Sie gegen ihren persönlichen Willen und auf staatliche Nötigung hin geimpft werden und machen Sie ein Foto zur Dokumentation davon. Und bestehen Sie bitte darauf, dass der Impfarzt bei Impfgabe aspiriert, um zu verhindern, dass er in eine Vene kommt. Und lassen Sie vor und 4-7 Tage nach Impfung die D-Dimere und Thrombozyten (je nachdem a. Entzündungswerte) messen. Bei allen Impfrunden. Nicht nur um möglicher Weise medizinisch einzugreifen bzw. beobachten zu lassen, sondern auch um bei möglicher Weise später auftretenden (hoffentlich nicht) Nebenwirkungen einen Nachweis zu haben, dass sich mit Impfung etwas geändert hat. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Hans Marner / 23.12.2021

Warum hängen in der ganzen Republik Mahntafeln, Schilder, liegen Steine, sind kleine Gedenkorte geschaffen, den Betroffenen der großen Entrechtung im dritten Reich gewidmet- um sich ein reines Gewissen vor der Geschichte zu schaffen, sich reinzuwaschen oder um, neben Gedenken, zu mahnen- für die kommenden Generationen? Danke und gute Grüße

B. Kurz / 23.12.2021

@Karsten Dörre.  Sehen Sie es als Zeichen. Nochmal Glück gehabt! Über Weihnachten finden Sie vielleicht die Zeit, sich mit seriöser Aufklärung zu Ihrem Vorhaben zu befassen - auch hier auf der Achse genügend vorhanden. Frohes Fest!

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