Unfreiwilliger Offenbarungseid

Derzeit fühlen sich ja viele deutsche Politiker von fremder Einmischung bedroht, wenn ein reicher Ausländer seine Meinung publiziert. Ein guter Anlass für eine 180 Jahre alte Anekdote.

Ein nicht ganz unvermögender Amerikaner, oder wie es Wiki-korrekt heißt, ein „südafrikanisch-kanadisch-US-amerikanischer Milliardär und Unternehmer“ hat vor einigen Tagen in der „Welt am Sonntag“ einige Zeilen über seine Sicht auf die deutsche Politik und vor allem auf eine von ihm präferierte Partei veröffentlicht. Da ihm offenbar zuvor niemand verständlich erklären konnte, dass Meinungsäußerungen zu den Zuständen in diesem Land selbstredend in Ordnung seien, nur eben nicht so, sind die Stellungnahmen von Medien und Amtswaltern Legion. Und der Unbelehrbare setzt auch noch nach! Großes Besteck kommt auf den Tisch. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich etwa erklärt, die „Attacken auf den Bundespräsidenten“ zielten auf „alle Bürgerinnen und Bürger“. Auch auf den ersten Blick verbal Gedämpftes („Da muss man cool bleiben“), so Olaf Scholz, der Mann, der sage und schreibe über drei Jahren Bundeskanzler ist) lässt die Erregung deutlich erkennen.

Die spürt man ebenso bei einem einst grünen Bürgermeister, der vor noch vor kurzem Beugehaft und Rentenkürzungen für Ungeimpfte ins Spiel gebracht hat (nein, das sollte man nicht vergessen), und der nun generös meint, eine Meinungsäußerung sei „noch keine Gefahr für die Demokratie“. Der Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland wiederum streicht den Vorsatz „noch keine“ vor der „Gefahr“ und rät besagtem Amerikaner eindringlich: „Finger weg von unserer Demokratie“. Der Chef des „Deutschen Journalisten-Verbandes“ geht auf die Zeitung los, die den Beitrag, mit dem das Ganze begann, aufgenommen hat. Wer Freude an der Sache findet, mag mittels Suchmaschine Dutzende weitere Stellungnahmen von Funktionsinhabern ermitteln, die auf einen ungesund erhöhten Pulsschlag schließen lassen.

Nun ist das mit dem historischen Vergleich immer eine wacklige Sache und mit dem Kolportierten erst recht. Dennoch sei hier an eine hübsche kleine Geschichte erinnert, die um die 180 Jahre alt sein müsste (wie anderes Hübsches nachzulesen in Friedrich Torbergs Meisterwerk „Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten“): Österreich war knapp bei Kasse und Kanzler Fürst Metternich bestellte den Bankier Bernhard von Eskeles ein, um ihm eine Staatsanleihe abzuschwatzen, wohl nicht zum ersten Mal.

Der Bankier zeigte sich schließlich gewogen. Im Gegenzug wollte Metternich dem Kreditgeber auch etwas Gutes tun. Freundlich wies er Eskeles darauf hin, dass dessen Sohn Jakob im Umfeld von fragwürdiger Gesellschaft, gar Umstürzlern gesehen worden sei, da gäbe es Berichte. Eskeles solle zusehen, dass dies aufhöre. Eine Warnung, nicht dass der arme Jakob noch in Schwierigkeiten gerate. Daraufhin meinte Eskeles, er müsse sich das mit dem Kredit nun doch noch einmal überlegen. Auf die irritierte Nachfrage Metternichs erklärte er, er sei unsicher geworden, ob er einem Staat, der sogar Angst vor seinem Kobi (Jakob) habe, sein Geld anvertrauen könne. 

Nett, oder? Als Brückenschlag zur Gegenwart und Trost für die Wortmelder der letzten Tage: Blankliegende Nerven mit unfreiwilligem Offenbarungspotenzial sind ein altbekanntes Phänomen.

Dr. Erik Lommatzsch ist Historiker und lebt in Leipzig.

Foto: Duncan.Hull - Debbie Rowe, Photographer, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Anton Schrader / 05.01.2025

Nette Geschichte, nur kann ich nichts zu einem Jakob von Eskeles finden.

Michael Stoll / 05.01.2025

“Die AfD sei der letzte Funken Hoffnung für das Land, das am Rande seines wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruchs taumele, nur sie könne die deutsche Wirtschaft wiederbeleben und durch eine kontrollierte Einwanderungspolitik einen Identitätsverlust verhindern.” Diese weisen Worte sagt einer der klügsten Menschen dieses Planeten. Das Erstaunliche ist, ich habe das schon vor ihm gewusst.

Lutz Herrmann / 05.01.2025

Verstehe gar nicht, warum Musk hier investiert. Seine Vision ist ein Büro auf Rädern. Die Vision der deutschen Eliten ist die Abschaffung jeglicher Mobilität.

Holger Kammel / 05.01.2025

Also, ich hab den Kameraden für einen Wirrkopf gehalten. Ist normal, wenn ein klassischer Ingenieur mit derlei Ideen konfrontiert wird. Welchen wirtschaftlichen Erfolg hätte Elon Musk ohne massive staatliche Subventionen? Hat er jemals eine originelle Idee zur technischen Weiterentwicklung gehabt? Siemens hat ca. 1890 die ersten Elektroautos gebaut. Seine Managementfähigkeiten sind offensichtlich herausragend. Wer hätte sonst eine derartige Menge fähiger Ingenieure um sich versammeln und motivieren können. Die wieder landbaren Raketen sind genial. Das wünscht sich jeder Junge, der mal mit Legobausteinen gespielt hat. Viel Erfolg, Elons Kumpane!

Rainer Niersberger / 05.01.2025

Wenn ich Transformator waere, wie die Totalitaristas im Kartell, und einer wie Musk wuerde mir ins Handwerk pfuschen, waere ich auch leicht erregt. Da steht einiges auf dem Spiel, fuer die Taeter. Leider will das, was die Transformatoren vorhaben, partout nicht in den Kopf der Mehrheit der Michel, Intellektuelle inklusive. Sonst waere sie ueber die reaktiven Überlegungen nicht sonderlich ueberrascht. Im Gegenteil. Ich wiederhole zum x. Mal : Da wird es, je nach dem weiteren Verlauf, noch “Aktionen” der Taeter geben, die sehr weit ueber das Aktuelle hinausgehen.  Entgrenzt. Menschen, die unter anderem mit den Coronamassnahmen, Korruption und Veruntreuung von Steuergeldern keinerlei Probleme haben, darf man zum Zwecke des totalitaeren Machterhaltes sehr Vieles zutrauen.  Ist aber in Sch’land nicht angekommen. Wie immer.  Wenn es enger werden sollte, darf man sich auf interessante Reaktionen gefasst machen. Immerhin kann das Regime neben den Institutionen und den Medien auch noch Polizei und Justiz einsetzen. Und die Frage, wie es nach der “Wahl” ggf weitergeht, ist offen.  Man sollte, auch als Michel, irgendwann,  rechtzeitig, die Taeter und ihre Energie realistisch einschätzen.

dr. gerhard giesemann / 05.01.2025

Es ist immer gut, wenn den Deutschen über das dumme Maul gefahren wird, achtaxig, das haben sie früher falsch gemacht, Ergebnis bekannt. Das mit Metternich: Die Schmocks mit ihren eigene Waffen schlagen, das isses.

R. Reiger / 05.01.2025

Die Leute laufen vor den Regierenden davon, sie laufen woanders hin. Und da, wo sie hinlaufen, die sagen dann natürlich was sie denken; sie dürfen das auch. Aber da, wo die Leute hinlaufen, die waren und sind Opposition oder nicht mal das. Die Regierenden (!) haben agiert und eine wirtschaftlich katastrophale Situation in allen Belangen inklusive maroder Infrastruktur, ungenügendem Wohnungsbau, maroder Bundeswehr, usw., usw.  geschaffen …. und trotz fehlender Investitionen sind die Staatsschulden auf dem Ruder gelaufen! Da, wo die Leute hinlaufen, die haben nicht regiert, die waren es nicht. Wenn nun Leute von der Regierenden in Scharen davonlaufen, sind dann die schuld, wo die Leute frustriert hinlaufen? Oder sind diejenigen schuld die alles in der Hand hatten, sprich die regiert haben? Die Regierenden der letzten Jahre sollten nicht auf andere zeigen, sie sollen auf sich selbst zeigen.

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