Thomas Rietzschel / 21.08.2019 / 17:00 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

Und wann kommt Mozart, der alte Lustmolch, auf die Anklagebank?

Neun Frauen, eine Ballerina und acht Sängerinnen, haben eine Kampagne gegen Plácido Domingo angezettelt. Vor dreißig Jahren soll ihnen der mittlerweile achtundsiebzigjährige Tenor an die Knie gefasst, Komplimente in die Ohren geflüstert und  sogar versucht haben, sie zu nächtlichen Treffen in seine Hotelzimmer einzuladen. 

Schrecklich muss es da zugegangen sein, schlimmer als in den Romanen von Rosamunde Pilcher: zum Gähnen langweilig. Über die Geschichten, die uns die keuschen Frauen heute auftischen, haben sie damals vermutlich selbst nur heimlich gekichert. Mit der Harmlosigkeit ihrer Domingo-Erlebnisse wollte sich wohl keine blamieren, nicht in den Zeiten der sexuellen Freizügigkeit. Wie hätten sie dagestanden neben einer Uschi Obermaier, die sich nie mit der Hand am Knie zufriedengeben wollte, mit der von Mick Jagger so wenig wie mit der von Keith Richards. 

Doch das Blatt hat sich mit den Zeiten gewendet. Unverhofft beschert die kultivierte Prüderie unserer Tage den alternden Diven einen letzten Frühling. Noch einmal können sie sich in dem Gefühl sonnen, wie es gewesen wäre, wenn … Mit der Erinnerungen an die erotischen Lappalien ihrer Jugend drängen sie zurück ins Licht der Öffentlichkeit. Den berühmten Männern wird die Rechnung für ihre einstige Halbherzigkeit präsentiert. Weil sich die Erwartungen nicht erfüllten, die sie flirtend weckten, werden sie an den Pranger gestellt. Gewiss nicht immer zu unrecht, aber öfter noch mit Argumenten, die an den Haaren herbeigezogen sind, lächerlich.

Gleichwohl kann die üble Nachrede Karriere und Engagements kosten. Die Oper von San Francisco und das Philadelphia Orchestra haben Plácido Domingo bereits ausgeladen. Dass es bei diesen beiden Absagen bleibt, ist eher unwahrscheinlich, einerseits. Andererseits hat der feministische Mainstream noch nicht alle und jeden um den klaren Verstand gebracht.

In Salzburg werde der Tenor wie angekündigt auftreten, am 25. und 31. August in der konzertanten Aufführung der Verdi-Oper „Luisa Miller“, stellte die Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler klar, gleich nachdem die ersten Gerüchte umliefen. Ein Glück für uns. Denn wie jedes Jahr gehen wir für acht Tage nach Salzburg. Danach melde ich mich wieder, auch mit einem Bericht über die Auftritte Plácido Domingos. 

PS. Wie eigentlich wollen die Verteidiger der Liebe ohne Berührung zukünftig mit Mozart, dem alten Lustmolch, verfahren? 

Foto: Pixabay

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Gabriele Klein / 21.08.2019

Versteh das nicht, hat Placido Domingo vor in die Politik zu gehen, um da vielleicht “gefährlich” zu werden…. dann würde mich so eine Geschichte, kurz vor dem Wahlkampf nicht überraschen…....  Aber selbst da dürfte die Nummer eigentlich nicht mehr ziehen.  Denn, wer einerseits die Schamlosigkeit vorantreibt sollte andrerseits nicht auf Schamhaftigkeit bauen um “Empörung”  über die Schamlosigkeit zu zeitigen….

herbert binder / 21.08.2019

In der Tat, lieber Herr Rietzschel, das mit dem Mozart können Sie wohl laut sagen. Beeindruckend. Also, allein in Italien waren es nicht weniger als 640, in Deutschland stehen 231 auf der Fahne, Frankreich und die Türkei können immerhin 100 bzw. 91 vermelden. Aber jetzt “kommt’s”, geradezu eine Cumshot Compilation: in Spanien…ma in Ispagna son già...sind es schon mille e tre…mille e tre…mille e tre. Ausgerechnet Spanien, der Hort an Prüderie und Wohlanständigkeit…is the winner. Junge, Junge. Mozart, die Liebe meines Lebens.

Sybille Schrey / 21.08.2019

Zitat: „Noch einmal können sie sich in dem Gefühl sonnen, wie es gewesen wäre, wenn …“ Ja, das sind zweifelsohne Frauen von der Sorte, die eine ältere Kollegin von mir vor Jahren mit dem Satz beschrieb: „Tu mir was, der Wald ist gleich zu Ende!“ - und die sich seitdem maßlos ärgern, daß der Wald schon vorher zu Ende war. Und Zitat: „Weil sich die Erwartungen nicht erfüllten, die sie (die Männer) flirtend weckten, werden sie an den Pranger gestellt.“ So ist es mit verpaßten Chancen, die man sich nicht selbst anlasten will. Dieses weibliche Klientel ist leider nicht selten anzutreffen. Bevor sie es öffentlich bei „me too“ ausleben konnten, haben sie ihr Umfeld tyrannisiert und die, die keinen Prominenten dafür auskramen können, tun das immer noch auf herkömmlichem Weg. Es sind die ewig leidenden, unverstandenen „Sensibelchen“, die mit ausgesprochenem Geschick alle um sich herum zu Schuldigen und Büßern verurteilen. Frustrierte, empathieunfähige Thusneldas mit sadistischen Ambitionen. Diese niedlichen Frauchen, die sich ach wie sehr „opfern“. Und Gnade Gott dem Mann, der dieses “Opfer” nicht zu würdigen weiß. Oder dem, der dieses „Opfer“ gar verschmäht. Die diesbezügliche Unverfrorenheit und Radikalität können Männer oft gar nicht nachvollziehen - arme Kerle. Darum, Herr Arning, starten Sie unbedingt eine solche Kampagne. Das ist völlig ernst gemeint, denn die hiesige Männlichkeit ist diesem Klientel sonst vollkommen unterlegen.

S. v. Belino / 21.08.2019

@Helge-Rainer Decke. Widerspruch. Auch in vielen anderen Branchen (wenn nicht in den meisten) herrscht enormer Konkurrenzdruck. Hier wie dort liegt es zweifellos die der persönlichen Entscheidung jeder Frau (und übrigens auch jeden Mannes), klar und unmissverständlich NEIN zu sagen. Nun, da oft etliche Jahrzehnte ins Land gegangen sind, da die Realität etwaiger Vorkommnisse allzu oft nur noch durch die persönliche Erinnerung “verzerrt” wahrgenommen wird, tritt man mit seinen Anschuldigungen an die Öffentlichkeit(!). Dabei dürften sich die Anklägerinnen darauf bauen, dass die Notwendigkeit einer Beweisführung fast nie gefordert wird. Trotzdem, der Schaden für den so Angeklagten ist immens. Selbst ein Rufmord bedeutet für den Betroffenen meist das berufliche und soziale Aus. Die m E. besonders nach den Skandalen um die Herren Kahn und Kachelmann vermehrt auftretenden, weit nachträglichen Beschuldigungen für “sexuell motivierte Entgleisungen”, die bezüglich ihres eigentlichen Charakters schon längst nicht mehr nachvollziehbar sind, finde ich feige und schäbig. Dass Frauen kein Freiwild sind, unterschreibe ich voll und ganz; aber dann und wann soll es eben doch schon vorgekommen sein, dass sie sich selbst zu diesem machen.

armin wacker / 21.08.2019

Ich darf mich gar nicht zu solchen Sachen äussern. Hände weg von Kindern. Hier sollte unser Staat Mal durchgreifen.

Helmut Steinig / 21.08.2019

Die leicht verdörrten Anstandstanten karten nach. Wahrscheinlich waren es nur Luschen, die sie vor vielen Jahren im Ärmel (oder in Bluse und Rock) hatten.  Zu wenig, um einen mit vielen Trümpfen ausgestatteten Buben zum Stechen zu bringen. Seis drum. Es gibt heute sicherlich niemand mehr, der dieser Sache bei den vergilbten Grazien auf den Grund gehen möchte. Das Problem sind auch nicht diese wenigen Enttäuschten, die nun kundtun, welch sexuelles Ungemach ihnen durch den Sangeskünstler widerfahren ist.Die wären, auf sich allein gestellt, schnell vergessen.  Ein wesentlicher Teil des Problems sind die vielen, denen es angeblich ähnlich erging und die im Nachhinein auf blinde Rache sinnen;  Promis auszuwählen verspricht dann gleich doppelten Gewinn: man (frau) erhält doch noch ein gewisses Maß an der ehemals ausgebliebenen Aufmerksamkeit und man kann schadenfroh beobachten, wie einem verdienstvollen Menschen übel mitgespielt wird. Ein weiterer Teil des Problems sind (z.B.in diesem Fall) auch die eierlosen Intendanten, die genau wissen, daß unter dem Mantel einer Pseudomoral eine verlogene Nummer abgezogen wird, aber aus Feigheit vor dem Mob diese Nummer mitspielen.

Roland Stolla-Besta / 21.08.2019

Werter Herr Rietzschel, die Frage über Mozart und seine Übergriffigkeit hatte ich mir schon am Anfang dieser Metoo-Kampagne gestellt. Da müßte man überhaupt mal die gesamte Musikgeschichte durchforsten, und am Ende bliebe vielleicht nur noch Herr Tschaikowsky als makellos rein übrig – wenn überhaupt. Im übrigen ist es doch auffallend, daß sich nun fast ausschließlich alte Scharteken zu längst verjährten „Übergriffen“ äußern, die nach ihren verblichenen (wenn überhaupt) Karrieren dank dieses „Outings“ endlich mal wieder ins Gespräch kommen.

E. Albert / 21.08.2019

Da wollten es mal wieder die “hinteren Ränge” auch mal nach ganz vorne schaffen, koste es, was es wolle. Der Zeitgeist der “Neuen Spießigkeit” und die Möglichkeit des weltweiten Prangers machen’s möglich - die “Unschuldsvermutung” gilt ja sowieso nicht mehr. Wollen wir wetten, dass diese “Damen” damals damit angegeben haben, mit dem “großen” Placido Domingo geflirtet zu haben (- wenn es denn überhaupt stattgefunden hat)?! - Ich lasse mir von hysterischen #metoo-Weibern jedenfalls nicht vorschreiben, was ich zu hören, zu sehen oder zu lesen habe und höre ihn mir daher weiterhin an, genauso, wie ich weiterhin Filme mit Kevin Spacey oder Filme von Dieter Wedel gucke! Jetzt doch erst recht! Viel Spass in Salzburg!

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